Sex macht Spaß und ist gesund. Sex wird oft auch als die wichtigste Nebensache der Welt bezeichnet. Manchmal hat es den Anschein, als würde sich alles nur um Sex drehen. Gerade wenn man jung ist, hat man angeblich nichts anderes im Kopf. Dr. Sommer hat aber längst ausgedient, denn wer ist heutzutage noch verwirrt, wenn’s um das Thema geht? Wir wissen doch alle genau, was wir wollen und was uns gut tut. Oder?
Verschiedene Dinge beeinflussen von Kindheitsbeinen an unsere Vorstellungen von Sexualität. Wen wir attraktiv finden und was wir beim Sex mögen, ist nicht Teil unseres angeborenen Charakters, sondern wird von der Gesellschaft geformt. Wie sieht diese Gesellschaft nun aus? Vor allem, wie sehen wir Frauen in ihr aus?
Die öffentliche Darstellung
Werfen wir zuerst einen Blick auf den öffentlichen Raum. Unsere Straßen und Plätze sind voller Plakate mit halbnackten, spindeldürren Frauen in „sexy“ Posen. Nacktheit kann schön und erotisch sein, dagegen ist absolut nichts einzuwenden. Der Mensch hat einen Körper und es gibt keinen Grund ihn zu verhüllen oder zu verstecken, egal ob Mann oder Frau. Aber wenn wir uns diese Bilder genauer anschauen, fallen ein paar Dinge auf, die nicht so schön sind: Der Ausdruck und die Körpersprache der Frauen, die Botschaften der Werbungen und vor allem der Fokus auf den Körper. Die meisten dieser Bilder stellen keine weiblichen, halbnackten Menschen dar, sondern weibliche halbnackte Körper. Das ist ein wesentlicher Unterschied und damit kommen wir auch zur Botschaft: Die Funktion der Frau auf den Bildern ist es nicht, sich selbst darzustellen, sondern irgendeine Ware, die durch sie dekoriert wird. Sie ist also entweder Aufputz, Kleiderstange oder selbst die Ware. Sie ist kein Mensch, sondern nur ein Objekt, eine lebende Puppe. Eine einladende Puppe, die genommen werden will, in jeglicher Hinsicht.
In der Schule, auf der Uni und am Arbeitsplatz sind dann aber wir anzutreffen. Wir, die echten Frauen, die nicht rund um die Uhr auf Sex aus sind, die nicht mit jedem Nächstbesten in die Hapfn wollen und die schon gar nicht angegrapscht werden wollen. Unsere männlichen Mitmenschen versuchen aber natürlich in uns diese Frauen zu sehen, die ihnen ständig vorgezeigt werden. Wie soll Mann auch noch groß an andere Frauen glauben, wenn er ständig zu hören und zu sehen kriegt: „Schau sie dir an, sie will es! Komm und hol sie dir, sie wartet nur darauf!“ Um zu checken, dass wir aber gar nicht so sind, braucht es andere Männer, solche die in der Lage sind, Frauen als Menschen und vor allem als Sexpartnerinnen auf einer Ebene zu sehen.
Starker Mann und willige Frau
Zu Hause im Wohnzimmer sind wir dann umringt von weiteren Medien, die zeigen, dass wir Frauen nicht nur ständig auf Sex aus sind, sondern dass wir auch noch „gerettet, beschützt und geführt“ werden wollen. Jede noch so emanzipierte Frau träumt manchmal insgeheim vom „starken Mann“, der für sie die Zügel in die Hand nimmt. Und jeder noch so fortschrittliche Mann will manchmal eine „Prinzessin“ retten. Auch das liegt nicht in unseren Genen, sondern wurde uns von diversen Hollywoodstreifen eingebläut. Also ist auch in wen wir uns verlieben und was wir „romantisch“ finden, Produkt von täglichen Einflüssen. Noch schlimmer ist es bei den kapitalistischen Pornos, in denen Jungs beigebracht wird, dass wir Frauen drauf stehen, wenn man brutal zu uns ist, dass wir alle Sperma köstlich finden, dass wir mit anderen Frauen schlafen, um Männer anzuturnen und so weiter und so fort. In diesen Darstellungen ist das minderwertige Frauenbild dann schon ziemlich unverhüllt und eindeutig erkennbar. Aber wozu eigentlich das alles? Es ist klar, warum der Kapitalismus die Frau unten halten muss, auch wenn er es mit „Pseudogleichberechtigung“
immer besser zu verstecken lernt. Er braucht sie für die billige und gratis „Drecksarbeit“, daher darf sie auch nicht merken, wo sie steht und dass ihr aktueller Platz in der Gesellschaft keineswegs ihren Talenten, ihren Fähigkeiten und schon gar nicht ihren Bedürfnissen entspricht.
Doch an einem Ort spüren wir es eindeutig, wo wir stehen und zwar dort, wo sich die zuvor beschriebenen „gemachten“ Vorstellungen in die Praxis umsetzen. Sei es auf der Autorückbank, im Schulklo oder im Schlafzimmer. Beim Sex versuchen die Menschen dann, ihre eigenen (Porno-)Filme zu drehen, um den unmenschlichen, unnatürlichen Vorstellungen gerecht zu werden. Wir glauben sogar manchmal, es wahnsinnig toll zu finden, weil wir es ja nicht anders kennen. Wenn wir dabei so aussehen und so klingen, wie die im Fernsehen, dann wird es schon passen. Bei allem Erwartungsdruck, der hier natürlich auf beiden Geschlechtern lastet, haben die Frauen aber einen wesentlichen Nachteil beim Sex. Sie werden wieder mit den Frauen auf den Plakaten, aus den Filmen und vor allem aus den Pornos verwechselt. Mit den Frauen, die immer alles wollen, versaute Luder, deren sexuelle Erfüllung darin besteht, alle männlichen Phantasien zu erfüllen. Die Männer glauben, dass wir so sind. Wir glauben, dass wir so sein müssen; weil grundsätzlich wollen wir ja Sex, wer nicht? Deshalb glauben wir oft, abwägen zu müssen: Tun wir was Mann von uns erwartet oder lassen wir uns als frigide abstempeln? Denn Sex ist ein Statussymbol und weil die kapitalistische Gesellschaft auch in diesem Bereich Quantität vor Qualität stellt, machen wir lieber die Beine breit. Und wenn’s mal wehtut, dann beißen wir die Zähne zusammen, bevor wir uns blamieren. Und wenn er was will, was mich absolut anwidert, mach ich’s besser trotzdem, wer weiß, vielleicht erzählt er es sonst seinen Freunden. Augen zu und durch, alles still runterschlucken, denn das gehört halt dazu zum kapitalistischen „Frausein“. Immer schön ficken lassen, sei es am Lohnzettel oder real. Muss das wirklich so sein?!
Love sex, hate sexism!
Wenn wir solche Frauen sein wollen, wie der Kapitalismus uns haben will, dann ja. Aber gibt’s nicht vielleicht doch noch was anderes? Wie wär’s mit Sex, der sich wirklich gut anfühlt? Der auch nicht wehtut? Wie wär’s mit Sexpartner_innen, die wir völlig frei selbst wählen? Wie wär’s mit offenen Gesprächen über Sex, in denen Frauen und Männer ihre Bedürfnisse und ihre Grenzen klar äußern und wo sich keiner komisch fühlen muss? Wie wär’s mit aktiver Weiblichkeit und echtem Spaß im Bett? Wenn wir versuchen, die Frauen auf den Plakaten, aus den Liebesschnulzen und vor allem die aus den Pornos weitgehend abzustreifen, wenn wir uns diese Stempel nicht mehr aufdrücken lassen, dann wird Platz für ganz andere Frauen. Frauen, die wirklich wissen was sie wollen und was sie nicht wollen und das auch klar machen. Frauen die nicht jederzeit verfügbar sind und druckfrei selbst entscheiden, wann, wie und mit wem sie Sex haben. Frauen, die ihren Körper achten, lieben und wenn nötig verteidigen. Klingt das nicht echt sexy? Wir sagen ja und wie! Denn mit der Selbstbestimmung steigt auch die Lust! Für alle Beteiligten.