Monatelang protestierten Flüchtlinge in Wien gegen die unmenschlichen Bedingungen, denen Asylwerber in Österreich ausgesetzt sind. Hiesige Medien stempelten die Schwächsten der Gesellschaft als Ruhestörer ab.

Beim „Refugee Protest Camp“ spielten Kronen Zeitung & Co. wieder einmal alle Stückerl, um legitimen Protest zu kriminalisieren. Doch auch die selbstverliebten „Qualitäts“-Zeitungen waren bemüht, den LeserInnen nur vorgefilterte und manipulierende Informationshäppchen vorzulegen.
Alles begann am 24. November des Vorjahres mit einem 35km-Fußmarsch aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen nach Wien, wo im Siegmund Freud Park nahe der Uni das „Refugee Protest Camp“ errichtet wurde. Spätestens, nachdem die Asylwerber in der nahegelegenen Votivkirche Schutz suchten, platzte auch der ach so liberalen Presse der Kragen: „Wer gläubige Katholiken mit dem Verteilen von Flugblättern sogar während der Christmette stört, muss verdammt gute Argumente haben…“[1] Die Meinungsfreiheit hat offenbar dort ihre Grenzen, wo sich der fromme Christenmensch von Habenichtsen beim Fest der Nächstenliebe (!) gestört fühlt.

„Unrealistische Forderungen“

libertad
Dabei waren es gerade die Argumente der Protestierenden die so gut wie keinen Platz in der Berichterstattung fanden. Forderungen wie das Ende für die erzwungene Aufnahme von Fingerabdrücken wurden als „unrealistisch“[2] abgekanzelt – als wäre es das Normalste auf der Welt, Flüchtlinge wie Kriminelle zu behandeln. Folgerichtig ließ man die Protestierenden selbst so gut wie nirgends zu Wort kommen lassen; nur PolitikerInnen und KirchenvertreterInnen wurde eine veröffentlichungswürdige Meinung zugestanden. Das reichte dann von „Irgendwie verständlich, aber doch nicht so und schon gar nicht hier“ (Häupl), bis „Zwangsernähren!“ (Strache).
Auch die Kronen Zeitung wollte ihre LeserInnen nicht mit Forderungen langweilen, sondern begnügte sich mit der Feststellung, die Besetzung der Votivkirche finde statt, „um zu protestieren und wohl auch zu provozieren“[3].

Die dubiosen (natürlich ausländischen) Hintermänner

Und weiter: „Interessant: Viele der chaotisch wirkenden Demonstranten gehören laut „Krone“- Informationen der deutschen „Studententrend- Gruppierung“ an.“[4] Interessant ist vielmehr, dass es diese Gruppierung gar nicht gibt. Aber was scheren das auflagenstärkste Blatt Österreichs schon Fakten.
Den Vogel bezüglich haarsträubender Theorien schoss aber überraschend der Kurier ab. Dieser war sich nicht zu blöd, Folgendes abzudrucken: „Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass der Asylwerbermarsch Teil einer Operation gegen den Akademikerball war. So hätte das in der Zwischenzeit von der Polizei geräumte Protestcamp als Aufmarschbasis gegen den Ball dienen sollen.“[5] Ist natürlich offensichtlich, dass hunderte Asylwerber nur „zur Tarnung“ protestieren und wegen ihrer Abwesenheit im Flüchtlingslager die Abschiebung riskieren, nur damit zwei Monate (!!) später eine antifaschistische Demonstration eine „Aufmarschbasis“ hat. Diese wäre übrigens hundert Meter vom üblichen Treffpunkt an der Unirampe entfernt gewesen…
Auch Österreich hatte bald eine schlüssige Erklärung für die anhaltenden Proteste: „Asylwerber von Chaoten aufgehetzt“[6] lautete die Schlagzeile – an der Fremdenpolitik selbst konnte es ja offenbar nicht liegen.
Nachdem man die Asylweber monatelang nicht zu Wort kommen ließ, sollten sie in den Augen des Boulevards auch zu keinem selbstbestimmten Handeln fähig sein. Weil sie so garnicht in das beliebte Hassbild der „gewalttätigen Chaoten“ passten, mit dem man Proteste sonst verunglimpft, wurden sie rasch für fremdgesteuert, quasi unmündig erklärt – was wohl eine noch größere rassistische Schweinerei ist, als all die anderen Lügen und Hetzartikel in diesem Zusammenhang.

[1] Die Presse, 28.12.2012
[2] Die Presse, 4.3.2013, aber über den Umweg von Zitaten auch in: Kurier, 2.1.2013; Der Standard, 17.1.2013; orf.at, 17.1.2013
[3] Kronen Zeitung, 19.12.2012
[4] Ebenda
[5] Kurier, 30.1.2013
[6] Österreich, 28.12.2012