Am 25. September 2014 war es wieder soweit. Die als richtungsweisend für alle Branchen geltenden Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallindustrie sind gestartet. Doch während sich der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) mit seiner durchaus erfolgreichen „Lohnsteuer Runter!“-Kampagne fraktionsübergreifend selbst auf die Schulter klopft, merkt er nicht einmal, dass er hier sein eigenes Leitbild verletzt, dem Kapital den Buckel macht und so ganz nebenbei den arbeitenden Menschen und ihren berechtigten Forderungen einen Bärendienst erweist.
Von der Resignation vor der angeblichen eigenen Ideologie und der Kapitulation vor dem Kapital ganz zu schweigen.
Wie jedes Jahr im Herbst beginnen nun also die Lohnverhandlungen für die rund 180.000 Beschäftigten in der österreichischen Metallindustrie. Die Herbstlohnrunde. Selbstverständlich wieder auf dem „österreichischen Weg“ der Sozialpartnerschaft. Die Sozialpartnerschaft bezeichnet den Vorgang der Verhandlungen, bei denen sich KapitalvertreterInnen (FMMI und IV) und ArbeiterInnenvertretung (AK und ÖGB) an einen Tisch setzen und gemeinsam über die Höhe der Lohnabschlüsse entscheiden.
Während die KapitalvertreterInnen jedes Jahr von schlechten wirtschaftlichen Zahlen fantasieren und den Untergang der „österreichischen“ Industrie herbeireden hat es sich die Vertretung der ArbeiterInnen zur Aufgabe gemacht, jedes Jahr um einen Ausgleich der Inflation zu betteln. Wenn sich beide Seiten dann auf einen Ausgleich des Reallohnverlusts (Anm.: Wenn alles teurer wird, bekomme ich weniger um das gleiche Geld) geeinigt haben, sprechen beide von erfolgreichen Verhandlungen. Die Kapitalisten – präsentieren sich nach außen als „gönnerhaft“ und streifen sich weiter die Gewinne ein; die Arbeitnehmervertretung hat den Chefitäten „immerhin“ die Inflation abgeluchst – aber mehr war halt nicht drinnen.
Aber ist das tatsächlich so? Ist einfach nicht mehr drinnen? Geht sich ein Lohn, von dem ich auch leben kann, einfach nicht aus?
Die Antwort ist so ernüchternd wie eindeutig: Ja, aber auf sozialpartnerschaftlichem Weg kaum.
Bleibt die Frage, warum gerade auf sozialpartnerschaftlichem Weg nicht mehr drinnen ist?
Und auch hier ist die Antwort simpel und einleuchtend: Weil uns das die Geschichte lehrt!
Um das zu verstehen, braucht man sich nur die Entstehung und die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung anzusehen. Entstanden als freiwillige Zusammenschlüsse von ArbeiterInnen im 19. Jhdt. in Großbritannien, wollten sie Verbesserungen an ihren Arbeitsplätzen erreichen. Die ArbeiterInnen waren sich – u.a. durch die Schriften von Marx und Engels und ersten ArbeiterInnenbildungsvereinen – ihrer ökonomischen Lage bewusst und verstanden, dass sie es waren (und sind), die mit ihrer Arbeit die Waren erzeugten, die die Firmeneigner zu deren Profit verkauften (und noch immer tun). Sie verstanden, dass nur eine organisierte Belegschaft den Firmeneignern Forderungen abringen kann. Und sie verstanden, dass eine Belegschaft nur mit einem gemeinsamen Arbeitskampf im Betrieb – dem Streik – ihre berechtigten Ziele erreichen kann. Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.
Nicht nur höhere Löhne sondern unter anderem der Achtstundentag wurden erkämpft und nicht erbettelt. Daher steht konsequenterweise im Leitbild des ÖGB, dass er eine „Kampforganisation“ ist.
Aber was hat das jetzt mit den Lohnverhandlungen zu tun?
Der ÖGB wird berechtigterweise nicht als die Kampforganisation betrachtet, die er eigentlich sein sollte. Weil er sie schlicht und einfach nicht (mehr) ist – und auch nicht sein will. Weil sich der „Kampf“ des ÖGB darauf beschränkt, einmal im Jahr mit den VertreterInnen der FirmeneignerInnen an einem Tisch zu setzen um höhere Löhne zu erreden. Dass das nicht funktioniert, lehrt uns eben die Geschichte.
Anstatt für höhere Löhne (und weitere Verbesserungen) zu kämpfen werden Unterschriften für eine Steuersenkung gesammelt. Zugegeben: rund 700.000 Unterschriften sind beachtlich und eine Steuersenkung für einkommensschwache Menschen ist richtig und wichtig – allerdings „liegt es jetzt an der Regierung“, wie ÖGB-Präsident Foglar erst kürzlich auf einer österreichweiten BetriebsrätInnenkonferenz in Wien verlautbarte. Es soll an der Regierung liegen, dass die Forderungen einer Kampforganisation umgesetzt werden? Natürlich vertritt die auch die Kapitalinteressen.
Der ÖGB kann als Verein natürlich keine (Steuer-)Gesetze erlassen, aber er kann (und darf!) für höhere Löhne kämpfen. Auch ohne Unterschriften. Beispielsweise den 180.000 Beschäftigten in der Metallindustrie. Hier wird jedoch kapituliert, bevor eine Auseinandersetzung überhaupt erst begonnen hat.
Bezeichnend dazu auch eine weitere Aussage Foglars auf der Konferenz: Er wundert sich, warum auf sozialpartnerschaftlichem Weg nicht 10 Prozent mehr Lohn möglich sind: „Die Managergehälter sind ja auch um 10 Prozent gestiegen.“ Das sind übrigens teilweise diese ManagerInnen, mit denen jetzt verhandelt werden soll.
Vergangenes Jahr wurden zum Auftakt der Verhandlungen österreichweit Betriebsversammlungen abgehalten, um ein Aufspalten der Vertragsgemeinschaft zu verhindern. Diese Vertragsgemeinschaft besteht aus den einzelnen Branchen innerhalb der Metallindustrie (Fahrzeug, Bergbau, etc). Die Forderung von FMMI und IV war und ist, die Vertragsgemeinschaft der ArbeiterInnen zu spalten und die einzelnen Fachbereiche getrennt zu verhandeln. Das Kalkül ist klar: Sollte sich der ÖGB eines Tages seines eigenen Leitbilds besinnen und alle 180.000 Beschäftigten gemeinsam streiken, könnte man von einem Generalstreik sprechen. Je kleiner aber eine Gruppe ist, desto geringer die Möglichkeit Forderungen durchzusetzen. Ob nun höhere Löhne, mehr Freizeit oder bessere Arbeitsbedingungen. 180.000 können das eher erreichen als zum Beispiel 5.000 ArbeitnehmerInnen im Bereich Bergbau.
Diese Spaltung hat der ÖGB nun offenbar ohne Gegenwehr hingenommen. So werden auf der Homepage der ProGe unterschiedliche Verhandlungstermine für die einzelnen Branchen aufgelistet. Auf der schon angesprochenen Konferenz – immerhin sieben Tage vor Verhandlungsauftakt – wurden dann nette Videos zur Lohnsteuer-Kampagne präsentiert. Über die KV-Verhandlung wurde mit den mehr als 5.000 anwesenden BetriebsrätInnen nicht einmal gesprochen!
Der ÖGB sollte sich überlegen, ob er die eigene Mobilisierungskraft nicht besser nutzen sollte, als Unterschriften für die Regierung zu sammeln.
Dafür braucht es aber klassenbewusste BetriebsrätInnen und FunktionärInnen in einer Gewerkschaft die für Verbesserungen kämpft und keine Sozialpartnerschaft die bei Verschlechterungen kuschelt.
Hinein in die Gewerkschaften! Machen wir diese wieder zu Kampforganisationen der ArbeiterInnenklasse!