Eine kurze Geschichte
Gerade die Geschichte der Arbeitszeit und die damit verbundenen Kämpfe der arbeitenden Bevölkerung machen deutlich, dass die ArbeiterInnen nichts geschenkt bekommen. Der Kampf um kürzere Arbeitszeiten und bessere Lebensbedingungen, war immer ein Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie. In Österreich wurde nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen Ende 1919 (zunächst provisorisch) der gesetzliche 8-Stunden-Tag eingeführt. 1959 wurde schließlich in einem Generalkollektivvertrag die wöchentliche Arbeitszeit auf 45 Stunden festgelegt und 1975 wurden 40 Stunden dann schlussendlich zur Normalarbeitszeit. Das ist fast 40 Jahre her.
Durch die gesellschaftliche und technologische Entwicklung seit dieser Zeit ist eine weitere Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht nur machbar, sondern sie tut auch Not. Denn während sich die Arbeitsproduktivität seit der Einführung der 40-Stunden-Woche mehr als verdoppelt hat, haben die Werktätigen davon wenig gehabt. Das heißt also, dass sich die Gewinne der Unternehmen immer weiter steigerten und Arbeit immer „effektiver“ nutzbar gemacht werden konnte, während die ArbeiterInnen die ganze Zeit über verarscht wurden.
Massenarbeitslosigkeit
Im Jänner 2015 wird es so weit sein: eine halbe Million Menschen in Österreich werden arbeitslos sein. Das Gelaber davon, dass „wir“ ja im Vergleich eh noch gut dastehen würden, geht freilich völlig ins Leere. Arbeitslosigkeit im Kapitalismus ist kein Zufall, sondern sie dient der Einzementierung und Verfestigung der Herrschaftsverhältnisse. Es ist eine Gesetzmäßigkeit des Kapitalismus, die zum Anstieg und zur Allgegenwärtigkeit der Arbeitslosigkeit führt. Durch die verbesserten Fertigkeiten der ArbeiterInnen, durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, durch bessere Werkzeuge, Maschinen und Computer ist es der Menschheit heute möglich, in geringerer Zeit mehr zu produzieren. Normalerweise müsste dies dazu führen, dass die ArbeiterInnen dementsprechend weniger arbeiten müssen – denn ihre existenziellen Lebensbedürfnisse und jene der Gesellschaft sind schneller und früher gestillt. Da wir aber im Kapitalismus leben, bedeuten Verbesserungen und Fortschritte der Arbeitsprozesse nicht, dass alle ArbeiterInnen nun weniger, d.h. kürzer arbeiten müssen, sondern dies bedeutet, dass ein Teil der ArbeiterInnen entlassen und somit arbeitslos wird, während der andere Teil weiterhin länger arbeiten muss, als es nötig ist.
Für eine Arbeitszeitverkürzung…
Eine Verkürzung der Arbeitszeit stellt aber nicht nur ein geeignetes und naheliegendes Mittel gegen Arbeitslosigkeit dar. Durch eine Arbeitszeitverkürzung kann verhindert werden, dass die Krise der Banken und Konzerne auf die Jugend und die arbeitenden Menschen abgewälzt werden kann. Sie stellt ein Instrument zur Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten dar. Hand in Hand mit dem Kampf gegen die Krise geht als direktes Ergebnis einer Verkürzung der Arbeitszeit die Steigerung der Binnennachfrage in Österreich. Dass eine Voraussicht und Planung, aber nie eine Stärke des Kapitalismus war, sieht man bei der äußerst kurzfristig gedachten Mär von der teuren Arbeitszeitverkürzung. Denn die niedrigen Sozialeinkommen bei Arbeitslosigkeit belasten die Binnenwirtschaft gerade beim privaten Konsum. Mit einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wird der private Konsum hingegen merkbar steigen.
Durch Trends zur ungesunden Arbeit (Nacht- und Schichtarbeit, immer längere Arbeitszeiten, Überstunden, vermehrter Druck auf die ArbeiterInnen, etc.) kommt es immer häufiger zu berufsbedingten Krankheiten und aufgrund erpresserischer Maßnahmen denkt man heute sowieso zweimal nach, bevor man in Krankenstand geht. Kürzere Arbeitszeiten würden hierbei entlastend wirken.
Schon Marx hat gesagt, dass man den wahren Reichtum einer Gesellschaft an der Zeit, über die die in ihr lebenden Individuen frei verfügen können, sehen kann. Neben der Erwerbsarbeit muss jeder Mensch vielen weiteren Verpflichtungen nach gehen: sei dies Arbeit im Haushalt oder Kinderbetreuung. So kommt es, dass zahlreiche Menschen unter chronischer Zeitnot leiden. Der durch eine Verkürzung der Arbeitszeit gewonnene Zeitwohlstand lässt sich auf viele Arten nützen und es kommt zu einer deutlichen Erhöhung der Lebensqualität.
…bei vollem Lohnausgleich
Eine der vieldiskutierte Frage beim Thema Arbeitszeitverkürzung ist jene des vollen Lohnausgleichs. Voller Lohnausgleich heißt, dass die Verkürzung zu keinem Einkommensverlust führt. Eine Arbeitszeitverkürzung, die nicht Hand in Hand mit einem vollen Lohnausgleich geht, wäre verheerend. Es würde zwar mehr Freizeit geschaffen werden, jedoch steht man dann vor dem Problem einer enormen Prekarisierung, was sich schließlich in der Verschlechterung der Lebensbedingungen großer Teile der Bevölkerung niederschlagen würde. Dieses Vorgehen würde einer massiven Lohnkürzung entsprechen und wäre ein fauler Kompromiss. Insofern kann eine Arbeitszeitverkürzung nur mit vollem Lohnausgleich sinnvoll stattfinden!
„Und wie viele Stunden hätten’S denn gern?“
Abschließend stellt sich natürlich die große Frage nach dem Wie-viel. Man sollte sich hierbei keine Illusionen machen. Weder darf man sich viel auf die Spitzen der rosaroten Gewerkschaften einbilden, noch die momentan herrschenden Klassenverhältnisse unter den Teppich kehren. Es ist nun mal so, dass wir uns in einem Abwehrkampf befinden. Diesen gilt es zu gewinnen und eine Verlängerung der Arbeitszeit abzuwehren. Weitergehen muss es dann mit einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zuerst auf die 35- und schließlich auf die 30-Stunden-Woche.