Was bedeutet es, wenn sich die Organe der ArbeiterInnenklasse und die Wirtschaftsbosse zu „konsensorientierten“ Verhandlungen treffen? Was bedeutet es, wenn sich Arbeiterkammer und ÖBG mit der Wirtschaftskammer an den Grünen Tisch setzen?

Eines steht fest, es bedeutet keine Verbesserung für die arbeitenden Menschen, sondern maximal eine weniger rasante der Verschlechterung, zieht man den europäischen Vergleich. Auf jeden Fall bedeutet es, dass das Kapital seine Raubzüge weitgehend ungehindert unter einem sozialpartnerschaftlichen Deckmantel durchführen kann und dass die ArbeiterInnenklasse mangels Klassenkampf in revolutionären Gewerkschaften ihren eigenen politischen Charakter verkennt.

Harmonie und Konsens

Seit Anfang der 60er Jahren haben das österreichische Kapital und die VertreterInnen der ArbeiterInnenklasse einen Scheinfrieden geschlossen. Dieser Scheinfrieden erleichtert dem Kapital den Klassenkampf von oben und führt zu zunehmender Demobilisierung der österreichischen ArbeiterInnenklasse. Die angebliche Lösung des Widerspruchs zwischen Arbeit und Kapital nennt sich Sozialpartnerschaft. Im Rahmen dieser Sozialpartnerschaft verhandeln die Interessensvertretungsorgane der ArbeiterInnenklasse und die Führungseliten des Kapitals über das Wohlergehen der arbeitenden Menschen.

Konsens heißt das Zauberwort. AK und ÖGB setzen sich mit der Wirtschaftskammer an den Grünen Tisch und schließen Kompromisse, in denen die Interessen der ArbeiterInnen angeblich genauso gesichert werden, wie die Interessen der Wirtschaft. Immerhin muss es dieser gut gehen, damit „es uns allen gut geht“. Blickt man sich in den Reihen der überwiegend sozialdemokratischen Gewerkschaftsführung um, wird schnell klar, dass die SPÖ sich längst auch diesem Grundsatz der ÖVP – geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut – angeschlossen hat. Doch diese Wunschformel geht in keiner Weise auf. Die Zerschlagung des Sozialstaates zu Gunsten der Wirtschaft nimmt kein Ende, aber geht es uns allen deshalb besser? Das absolute Gegenteil ist der Fall.

Zuckerbrot und Peitsche

Trotz Sozialpartnerschaft konnte die österreichische ArbeiterInnenklasse einige Errungenschaften verzeichnen. Bis in die 90er Jahre gab es steten Lohnzuwachs, einen stabilen 8-Stunden-Tag und das Barrieren für ArbeiterInnenkinder im Bildungssystem wurden weitgehend abgebaut. Zwar gab es keinen offenen Klassenkampf, der das österreichische Kapital dazu zwang, aber es gab einen realen Sozialismus, der den unterdrückten Völkern des Westens lange Zähne gemacht hätte, wenn die kapitalistischen Länder nicht auch ein paar soziale Zugeständnisse gemacht hätten. Und gerade der seit der Ära Kreisky traditionell massiv antikommunistische Staat Österreich will keine Sympathien mit dem Sozialismus riskieren. Da käme ja dann womöglich sogar die gemütlichste ArbeiterInnenklasse auf revolutionäre Ideen – und das galt es abzuwenden. Diese vom Kapital im Rahmen der Sozialpartnerschaft in der Vergangenheit abgegeben Anteile können als damals taktisch nötiges Zuckerbrot gesehen werden können, von dem jetzt aber nichts mehr übrig geblieben ist. Seit dem Niedergang des Realsozialismus und vor allem seit dem österreichischen Beitritt zur Europäischen Union gibt es nur noch Peitsche für die arbeitenden Menschen.

Wer klaut, hat Recht

Auch wenn er immer noch als versuchtes Placebo zur Ruhigstellung der Menschen postuliert wird, ist der Sozialstaat längst zerschlagen, von einem Wohlfahrtsstaat ganz zu schweigen. Der neoliberale Raubzug zu Gunsten der Banken und Konzerne hat bereits eine breite Palette vorzuweisen und Bankenrettungspakete, Fiskalpakt und alle weitere Grauslichkeiten, die da noch auf uns warten, lassen kein freiwilliges Ende des Beutezugs erwarten. Die Regierung als Handlanger der Wirtschaft hat bereits die verstaatlichte Industrie verscherbelt, nach und nach immer mehr Sozialleistungen abgebaut, zigtausende Arbeitsplätze vernichtet und das Bildungs- und Gesundheitswesen mittels Sparmaßnahmen verschrottet. Es scheint ein eingefahrener Kreislauf zu sein. Wir wählen sie, sie beklauen uns und geben es denen, die dann die eigentlichen Gesetze machen. De facto regiert nur ein Gesetz: das Gesetz der freien Marktwirtschaft, was nichts anderes heißt, wie die Diktatur der Banken und Konzerne.

Merchandise statt Lohnerhöhung

Was tut eine sozialpartnerschaftliche Gewerkschaft in so einer Situation? Ihrer Funktion läge ja zu Grunde, die Interessen der arbeitenden Menschen bestmöglich zu vertreten. Stattdessen kriegen diese aber ein reformistisches Messer nach dem anderen in den Rücken gejagt. Seit Jahrzehnten übt sich die arbeiteraristokratische Gewerkschaftsspitze in Passivität und Selbstbeweihräucherung. Während die arbeitenden Menschen immer mehr beraubt und prekarisiert werden, ist das Kampforgan der ArbeiterInnenklasse beinah zu einer reinen Servicestelle verkommen. Aber was nützt mir das Hochglanzwerbematerial und die Vergünstigung fürs Festival am Schwarzlteich, wenn ich meine Miete nicht mehr zahlen kann, weil die Gewerkschaft vor lauter harmonisierendem Grün nicht in der Lage ist, einen angemessenen Lohnabschluss zu verhandeln? In den letzten Jahren waren die Lohnabschlüsse kaum über der Inflationsgrenze, auch Reallohnverluste wurden von der Gewerkschaft bereits in Kauf genommen, wie zum Beispiel im Sozialbereich. Die jüngsten Arbeitskämpfe im Metallsektor haben gezeigt, wozu der ÖGB Apparat in der Lage wäre, wenn er nur will. Die wütenden ArbeiterInnen zogen mit und wurden im Endeffekt mit einem läppischen Ergebnis abgespeist, das die ÖGB-Führung still und heimlich an einem Sonntag Abend hinter dem Rücken der ArbeiterInnen nun doch noch ausverhandeln konnte. Der heilige soziale Frieden in Österreich war also „Gott sei Dank“ nur kurz gestört.

Wessen Gewerkschaft?

Das ist also das Ergebnis, wenn eine Gewerkschaft sich offensichtlich vom Kapital an die Kandare nehmen lässt: ein überbürokratisierter, herrschaftsdienlicher Apparat, der zunehmend das Vertrauen der Bevölkerung verliert und alle Klassenkämpfe im Keim erstickt. Der ÖGB ist nicht nur allergisch gegen Streiks, sondern verhindert auch kämpferische Aktivitäten von Seiten der eigenen Basis. Die verkrusteten Spitzen dürfen natürlich nicht aufgeweicht werden, denn die Bonzen brauchen ihre zahmen Sozialpartner, um die ArbeiterInnenklasse ruhig zu halten und den sozialen Kahlschlag weiter zu durchzubringen. Das österreichische Parlament, das viele vorgefertigte Beschlüsse der „Sozialpartner“ nur abnickt, liefert die verlogenen Fratzen, die uns dann wiederum auf Plakaten zur Wahl feilgeboten werden und uns erzählen, dass unsere ausländischen KollegInnen und NachbarInnen uns arm machen würden. So fügt sich alles gut zusammen. Und wem nützts? Dem Klassenfeind natürlich. Denn der hat am allermeisten davon, wenn die arbeitenden Menschen sich nicht als Ganzes sehen, sich nicht als kämpfende Klasse mit gemeinsamen Interessen begreifen. Nur der kollektive Kampf und gemeinsam erreichte Erfolge können den arbeitenden Menschen ihre eigene Macht begreiflich machen. Alle sind unzufrieden, aber gleichzeitig sind auch alle apathisch, weil die Sozialpartnerschaft ihnen die Option des selbstermächtigten Kampfes gar nicht mehr offen lässt. Die ArbeiterInnenklasse müsste dringend einen Abwehrkampf gegen all diese sozialen Angriffe führen, doch sie verfügt momentan nicht über das nötige Bewusstsein ihrer eigenen Macht. Durch die – zugegeben geschickt eingefädelte – protest- und konfliktlähmende soziale Struktur in Österreich, hat die ArbeiterInnenklasse keine Erkenntnisse über ihre drastisch schlimmer werdende Lage und die daraus resultierenden revolutionären Notwendigkeiten. Ohne klassenkämpferische Praxis kann sie die auch nicht erlangen und die wichtigste Institution für diese Praxis, die Gewerkschaft, liegt im Bett mit den Kapitalisten.

Unsere!

Wenn eine sozialpartnerschaftlich vergiftete Gewerkschaft die Grundrechte der ArbeiterInnen nach und nach dem Kapital am Silbertablett serviert und das dann der „friedliche“ Ersatz für offene Klassenkämpfe sein soll, sollten wir uns aufmachen, unsere Geschicke wieder in die eigene Hand zu nehmen und die Institution Gewerkschaft wieder zu dem machen, was sie eigentlich ist: ein unerlässliches Instrument zum Klassenkampf von unten. Und der ist jetzt nötiger denn je.