Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse.
Karl Marx: Lohn, Preis und Profit, 1865.
Geschichte des Arbeitskampfes
Der Kapitalismus setzt die – in zweifachem Sinne – freie Klasse von LohnarbeiterInnen voraus: die LohnarbeiterInnen müssen juristisch frei sein, d.h. im Gegensatz zu SklavInnen oder Leibeigenen frei über ihre Arbeitskraft verfügen. Und sie müssen frei von Produktionsmitteln sein, damit sie dem Kapital nicht nur als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, sondern auch gezwungen sind einer Lohnarbeit nachzugehen um leben zu können. LohnarbeiterInnen sind in einem langwierigen und reibungsvollen Prozess als Folge der Arbeitsteilung entstanden, einer massenhaften und oft auch gewaltsamen Trennung der unmittelbaren ProduzentInnen (HandwerkerInnen und BäuerInnen) von ihren Produktionsmitteln (Feldern, Rohstoffen, Werkzeugen etc.) und der Verwandlung dieser Produktionsmittel in Kapital. Mit dieser massenhaften Enteignung wurde eine enorme Anzahl an Arbeitskräften freigesetzt, die sich in einer ihnen vom Kapital aufgezwungen Konkurrenz wiederfanden, in der die ArbeiterInnen gezwungen waren, zu versuchen, u.a. durch immer niedrigere Löhne oder immer längere Arbeitszeiten, einen Arbeitsplatz zu erlangen bzw. zu behalten. Die Löhne des Einzelnen lagen dadurch nicht selten unterhalb des physischen Existenzminimums, wodurch auch Kinder gezwungen waren zu arbeiten um das Familieneinkommen zu erhöhen.
Gewerkschaften wurden gegründet, um dieser – durch die Unternehmer geschaffenen – Konkurrenz in der Arbeiterklasse entgegen zu wirken – unter den Beschäftigten und unter den Arbeitslosen,
als auch zwischen beiden Gruppen. Die organisierten ArbeiterInnen verständigten sich u.a. über Mindestlöhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen mit denen sie bereit waren, Arbeit anzunehmen. In harten und langwierigen Kämpfen konnten schließlich schrittweise – u.a. durch gemeinsamen Boykott bestimmter Arbeitgeber, durch gemeinsame Streiks, durch die Einrichtung von Unterstützungskassen (Streikfonds) – all jene arbeits- und sozialrechtlichen Errungenschaften durchgesetzt werden, die heute in den hochentwickelten europäischen Ländern als nahezu selbstverständlich gelten: u.a. kollektivvertraglicher Mindestlohn, bezahlter Urlaub, Arbeitszeit- und Überstundenregelungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Kündigungsschutz, Betriebsräte, sowie Unfall-, Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherungen.
Der Widerstand der UnternehmerInnen gegen Gewerkschaften sowie gegen arbeits- und sozialrechtliche Errungenschaften hat jedoch eine ebenso lange Geschichte wie der Kampf dafür. Korruption, Einschüchterung, Entlassungen und brutaler Streikbruch waren und sind Mittel auf betrieblicher Ebene, arbeiterfeindliche Gesetzgebung (Arbeitsverbot, Streikverbot, Versammlungs-, Organisations- oder Publikationsverbot) bis hin zur offen terroristischen Diktatur des Monopolkapitals, dem Faschismus, politische Mittel zur Bekämpfung der Arbeiterbewegung.
Am Beginn des 3. Jahrtausends
Heute stehen Gewerkschaften und Arbeiterbewegung vor großen Herausforderungen. Schon in der Ära der Sozialpartnerschaft und des sogenannten „sozialen Friedens“ wurde die arbeitende Bevölkerung ständig vom Kapital um ihre Rechte geprellt, wobei die Führung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes immer willfährige Verbündete und Vollstreckerin war, indem sie die Lohnabhängigen ruhig stellte. Einkommensanpassungen, die hinter der Inflation zurückbleiben, geringe Abgeltung von Produktivitätssteigerungen oder ständig sinkender Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen sind konkrete Auswirkungen dieser Gewerkschaftspolitik. Die Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit haben gegenwärtig aber eine neue Qualität erreicht.
Weitgehend werden bestehende arbeits- und sozialrechtliche Errungenschaften aufgeweicht oder gänzlich zunichte gemacht: Lockerung des Kündigungsschutzes, Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Arbeitszeitverlängerungen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, eine generelle Infragestellung kollektivvertraglicher Regelungen sowie gestiegener Lohn- und Leistungsdruck stehen auf der Tagesordnung. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse scheinen zunächst zwar durch flexiblere (Zeit-) Einteilung und mehr Eigeninitiative für die Lohnabhängigen zu überzeugen, in letzter Konsequenz erhöhen sie aber die Ausbeutung der Arbeitenden und erhöhen die Profite der Unternehmen. Bei geringfügiger Beschäftigung sind die ArbeiterInnen z.B. nicht sozial-, kranken- und arbeitslosenversichert, freie DienstnehmerInnen sind auch nicht arbeitslosenversichert, WerkvertragsnehmerInnen und „neue Selbständige“ stehen teilweise sogar völlig außerhalb des Arbeitsrechts. Diese Beschäftigungsverhältnisse haben aber nicht nur persönliche Folgen für jene, die in solchen Arbeitsverhältnissen stehen, sondern erhöhen auch den Druck auf KollegInnen in sogenannten Normalarbeitsverhältnissen (Vollzeitarbeit mit Sozial-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung).
In den Industriestaaten ist in den letzten Jahren der Gesamtumfang der Arbeiterklasse im weitesten Sinn gewachsen. Immer breitere Schichten Lohn- und Gehaltsabhängiger (selbst hoch- und höchstqualifizierter und akademischer) werden proletarisiert: ihre Situation am Arbeitsplatz, ihre Abhängigkeit von der Unternehmensführung, ihre sozialen, arbeitsrechtlichen und finanziellen Standards als auch ihre Lebensumstände nähern sich jenen der Arbeiterklasse an. Die Ausweitung insbesondere des Dienstleistungssektors hat zu einem enorm gestiegenen Anteil an Frauen innerhalb der Arbeiterklasse geführt. Bei allem Gerede vom Verschwinden der Arbeiterklasse sprechen die Zahlen daher eine andere Sprache: das Verhältnis zwischen selbständig und unselbständig Beschäftigten beträgt heute ca. 1:8 (gegenüber 1:5 1975). Mit Werkverträgen und neuer Selbständigkeit sind zudem Beschäftigungsverhältnisse geschaffen worden, die ein gezieltes Umgehen von arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen durch scheinbare Selbständigkeit der Betroffenen ermöglicht. Gleichzeitig sind im gegenwärtigen imperialistischen Stadium des Kapitalismus auch eigentlich Selbständige in den meisten Fällen dem Diktat der Großkonzerne unterworfen. Selbst Betriebe mittlerer Größe werden zu deren Zuliefer- oder Absatzfilialen degradiert, womit auch ihre Selbständigkeit weitestgehend verschwindet.
Im Allgemeinen kann eine Intensivierung der Arbeit festgestellt werden. Denn während auf der einen Seite (nämlich bei den Vollzeitbeschäftigen) immer länger gearbeitet wird, kommt es auf der anderen Seite (bei prekären Beschäftigungsverhältnissen wie Zeit- und Leiharbeit, geringfügiger Beschäftigung und Teilzeitarbeit sowie sogenannter Kurzarbeit) zu kürzeren Arbeitszeiten, welche aber in der Regel von ungesunden Arbeitsbedingungen wie Schichtarbeit, Wochenendarbeit oder Nachtarbeit und miserabler Entlohnung begleitet wird. Durch diese Entwicklung wird die Spaltung der Arbeiterklasse weiter vorangetrieben. Auf dem „Schlachtfeld“ Arbeitsmarkt stehen sich somit mehrere Gruppen gegenüber, die vom Kapital brutal gegeneinander ausgespielt werden: Vollzeitbeschäftigte, prekär Beschäftigte und Arbeitslose.
Eine weitere Ursachen des Drucks auf Lohnabhängige zu immer schlechteren Bedingungen zu arbeiten, ist die mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt verstärkt auftretende sogenannte „Globalisierung“, die verstärkte internationale Arbeitsteilung, die benutzt wird, um die ArbeiterInnen mit gezielter Propaganda zu verunsichern und gefügig zu machen. Standorte mit relativ gut qualifizierten Arbeitskräften, mit niedrigen Lohnstandards, beschränkt bis kaum vorhandenem Arbeits- und Sozialrecht sowie kostenminimierenden Umweltschutzbestimmungen werden auf der Jagd nach Profit zunehmend attraktiver. Aber erst internationale Abkommen über Freihandel und freien Kapitalverkehr z.B. im Rahmen der EU oder der WTO (Welthandelsorganisation) ermöglichen den Konzernen ihre Produktionsstandorte so zu verlagern, dass sie nicht nur Profit sondern Maximalprofit erzielen.
Für kämpferische, demokratische, internationalistische Gewerkschaften!
Es zeigt sich also, dass den Lohnabhängigen hierzulande – wie international – in nächster Zeit weitere massive Verschlechterungen bevorstehen, die nur durch das gemeinsame und entschlossene Vorgehen der Betroffenen abgewendet bzw. wieder zurückgenommen werden können. Wer in diesen Auseinandersetzungen alleine dasteht, wird nichts bewegen können. Nur durch eine Rückbesinnung auf den Solidaritätsgedanken, der die Erkämpfung aller arbeits- und sozialrechtlicher Errungenschaften ermöglicht hat, nur durch die Überwindung der Spaltung der Arbeiterklasse in Österreich, aber auch international, kann dem aggressiven Vorstoß des Kapitals Einhalt geboten werden. Ein Sammelpunkt für Widerstand gegen die Gewalttaten der Herrschenden müssen kämpferische Gewerkschaften sein. Ihre Aufgabe ist es, nicht nur den ArbeiterInnen und den in Ausbildung stehenden Lehrlingen, SchülerInnen und StudentInnen Beratung und Unterstützung in täglichen Auseinandersetzungen zukommen zu lassen. Die Gewerkschaft muss dem weltweit agierenden Kapital international koordinierte Arbeitskämpfe entgegensetzen, denn während es das Kapital bestens versteht, sich international zu vernetzen, ist das den Gewerkschaften bis dato noch nicht gelungen. Vergessen werden darf dabei nicht, dass die ständig angeführte Ohnmacht vor dem globalisierten Kapitalismus auch ein Produkt der Politik ist: durch Standort- und Beschäftigungswettbewerb können die großen Konzerne Länder gegeneinander ausspielen und die Menschheit erpressen. Produktionsstandorte können aber nicht ständig und auch nicht nach Belieben verlagert werden, da Kosten entstehen und geeignete Infrastruktur und Arbeitskräfte vorhanden sein müssen. Die internationale Solidarität der Arbeiterklasse muss den Erpressungsversuchen und dem Lohndumping der Konzerne weltweit den Kampf um Standards für Lohnhöhe, Arbeits- und Sozialrecht sowie Umweltschutz entgegenstellen.
Öffentliches Eigentum stellt ebenfalls einen zentralen Widerstandspunkt gegen die Offensive des Kapitals dar. Es ermöglicht nicht nur der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse abseits von Profitgier, sondern entzieht dem Kapital auch Bereiche, in denen es ArbeiterInnen und ganze Staaten gegeneinander ausspielen kann. Gewerkschaften müssen auch für eine Umverteilung des Reichtums, Existenzsicherheit für die gesamte Menschheit sowie in letzter Konsequenz für die Abschaffung des kapitalistischen Gesellschaftssystems und des vorherrschenden Lohnsystems kämpfen. Ansonsten bleibt gewerkschaftlicher Kampf Stückwerk, Errungenschaften und Solidarität müssten täglich aufs Neue erkämpft und verteidigt werden.
Jedoch haben es klassenkämpferische Positionen im sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftswesen in Österreich nicht gerade leicht. Im Sumpf der Sozialpartnerschaft von ihren Mitgliedern entfremdet, tauschen Gewerkschaftsgranden seit Bestehen der Zweiten Republik die Interessen der ArbeiterInnen gegen ein bisschen Mitgestaltungsspielraum und Macht ein. Die Sozialpartnerschaft war seit jeher ein Projekt der Entpolitisierung der österreichischen Arbeiterklasse und der Zerschlagung ihrer kämpferischen Strukturen bei gleichzeitiger Umverteilung des Reichtums hin zu den wirtschaftlichen Eliten und den Mächtigen. Selbst nachdem sie spätestens mit der ÖVP/FPÖ-Regierung radikal aufgekündigt wurde, halten die Gewerkschaftsbosse am ideologischen Grundsatz der Sozialpartnerschaft fest. Sie lassen sich von der Wirtschaft in einer Anpassungsspirale von Standort- und Beschäftigungssicherung fangen, indem sie arbeits- und sozialrechtliche Verschlechterungen mittragen. Mittel- und langfristig können die Gewerkschaften dabei nur verlieren, ganz zu schweigen von den Lohnabhägigen.
Für uns KommunistInnen ergibt sich daraus der zwingende Grund, revolutionäre Positionen in der Gewerkschaft zu erkämpfen und tagtägliche Gewerkschaftsarbeit zu leisten. Auch wenn von
den Gewerkschaftsbossen mit allen Mitteln versucht wird, revolutionäre Positionen aus den Gewerkschaften fernzuhalten und sie stattdessen auf einen faulen Frieden mit dem Kapital setzen und so die Versöhnung von Wölfen und Schafen predigen. Die zurzeit sinnvollste Möglichkeit konsequente Gewerkschaftsarbeit zu leisten liegt im Betrieb und in der Kandidatur um Jugendvertrauens- und Betriebsratsmandate. Von dort aus kann am ehesten Widerstand entwickelt und linke Positionen können in Gewerkschaften hineingetragen werden. Teils beachtenswerte Erfolge von Basiskandidaturen, Gewerkschaftlichem Linksblock oder der Liste Komintern zeigen, dass es Platz für gewerkschaftlichen Widerstand gibt. Solange jedoch die Führung des ÖGB nicht auf eine konsequente, kämpferische Gewerkschaftspolitik umsteigt und nicht mehr den Handlanger der Unternehmen spielt, sind den Handlungsmöglichkeiten einzelner GewerkschafterInnen Grenzen gesetzt. Deshalb ist es unerlässlich auch innerhalb des ÖGB für Veränderung zu kämpfen!
Widerstand braucht Organisation, Strategie und Perspektive! Um der Offensive des Kapitals die Stirn zu bieten und das Ruder wieder herumzureißen, ergeben sich zahlreiche Aufgaben, die nicht alle von einer Gewerkschaft gelöst werden können. Vor allem die Komplexität des Kampfes der Arbeiterbewegung und dessen internationale Dimension machen eine Organisation mit langfristiger Strategie und revolutionärer Perspektive unumgänglich. Die KJÖ versteht sich als eine solche Organisation und bringt daher auch ihre Erfahrungen und Perspektiven in gewerkschaftliche Zusammenhänge ein. Heute heißt das für uns vor allem massiven Druck von links innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften zu organisieren. Der ÖGB muss in eine strategisch und politisch unabhängige, klassenkämpferische und internationalistische Interessensorganisation verwandelt werden.