Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein. Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeiter in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen.
Clara Zetkin: Für die Befreiung der Frau, 1889.
Die Situation ist untragbar!
Fakt ist: Frauen arbeiten ab September eines Arbeitsjahres in Österreich umsonst, setzt man ihren Lohn in Relation mit dem der Männer. Fakt ist auch: „frauenspezifische“ Berufe werden niedriger bewertet und bezahlt und fast zwei Drittel der Mädchen sind in den drei klassisch weiblichen Lehrberufen (Friseurin, Verkäuferin, Sekretärin) zu finden. Weit mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet unter nicht existenzsichernden Bedingungen (geringfügig, schwarz). Darüber hinaus beweist die Sozialforschung, dass Frauen in Österreich eine eigene Risikogruppe in Bezug auf Armut und Arbeitslosigkeit bilden. All diese erschreckenden Tatsachen zeigen einen minderen Status der Frau in der Gesellschaft, auch wenn uns bürgerliche PolitikerInnen oft das Gegenteil weismachen wollen. Die ökonomische Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist offenbar eine von den Herrschenden dieses Landes akzeptierte Tatsache und Quotenregelungen oder geschlechtergerechte Sprache können und werden an diesen Fakten nichts ändern.
Die Frauen und Mädchen der arbeitenden Klasse kämpfen an mehreren Fronten. Einerseits sind sie gezwungen als Lohnabhängige ihre Arbeitskraft zu verkaufen, andererseits erfahren sie geschlechtsspezifische Benachteiligung, die sich in unterschiedlichen Formen ausdrückt: geringerem Lohn, Abschiebung in bestimmte Berufssektoren, sexuelle Ausbeutung und Fremdbestimmung sowie Geschlechterrollen, die den Frauen einen stets minderwertigen Status gegenüber den Männern zuordnen. Die Doppelbelastung der Frauen der arbeitenden Klasse – bestehend aus Unterdrückung und Ausbeutung – ist eine entscheidende Voraussetzung für die ökonomische, politische und ideologische Funktionalität des Kapitalismus.
Historische Betrachtung
Die Unterdrückung der Frau existierte bereits in allen dem Kapitalismus vorangegangenen, auf Ausbeutung basierenden Gesellschaftsformationen. Historisch fällt sie mit der Entwicklung der ersten Klassengesellschaft zusammen. Die geschlechtsspezifische Unterdrückung hat ihren Ursprung im Entstehen von Eigentumsverhältnissen, die auf der privaten Aneignung von Reichtum und Arbeit beruhen. Patriarchale und ungleiche ökonomische Strukturen waren von Anfang an ineinander verschränkt: Die Familienform der Monogamie gründete auf ökonomischen Bedingungen – der Ablösung des Gemeineigentums durch das Privateigentum und der Einführung der häuslichen Produktionsgemeinschaft als Wirtschaftsform. Mit einer marxistischen Herangehensweise erkennen wir, dass Frauenunterdrückung als historisch gewachsenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern in ihrer je konkreten gesellschaftlichen Ausformung und Eingebundenheit in bestimmte ökonomische Verhältnisse zu analysieren ist.
Frauenbefreiung und Kapitalismus
Obwohl Kapitalismus und Frauenunterdrückung untrennbar miteinander verbunden sind, trägt das kapitalistische Gesellschaftssystem das Potenzial für die ökonomische Gleichstellung der Frauen in sich. Indem es durch die Einbeziehung der Frau in den Produktionsprozess potentiell ihre ökonomische Abhängigkeit untergräbt, entzieht es der geschlechtsspezifischen Unterdrückung die Basis.
Dennoch entwickelt der Kapitalismus objektive Tendenzen, die dem entgegen wirken und Frauenunterdrückung im Produktions- und Reproduktionsbereich festigen: Das Kapital nützt vorherrschende frauendiskriminierende Ideologien, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten wie die mindere Entlohnung von Frauen zu rechtfertigen und zusätzlichen Lohndruck zu erzeugen.
Der Sexismus – er dient dem Kapital zur Unterdrückung der Frau zur Wahrung seiner ökonomischen Interessen – überspringt die Klassengrenzen und prägt vor allem die gesellschaftliche Wahrnehmung von Geschlecht. Die geschlechtsspezifische Unterdrückung trifft also auch die Frauen der ausbeutenden, der kapitalistischen Klasse. Von biologistischen Theorien pseudowissenschaftlich gerechtfertigt, werden geschlechtsspezifische Rollenverteilungen schon in früher Kindheit durch Erziehung, Sozialisierung und Medien gefestigt. Nicht ohne Grund, wird es in kapitalistischen Gesellschaften als mustergültig angesehen, dass Frauen – oft zusätzlich zur Lohnarbeit – Reproduktionsarbeit (Hausarbeit) verrichten müssen, ohne dafür entlohnt zu werden. Das betrifft ebenso die Kindererziehung und häusliche Altenpflege, die für Frauen weitere berufliche Barrieren darstellen. Die ökonomische Unabhängigkeit der Frau ist die Grundlage ihrer sozialen Emanzipation. Darum muss für eine fortschrittliche Frauen bewegung, deren Ziel es ist Frauen endlich gleichwertig im Produktionsprozess zu verankern, eine zentrale Forderung die Vergesellschaftung der Kinderbetreuung und Hausarbeit sein.
Bewusstseinsbildung
Männer und Frauen haben ein über Generationen hinweg tradiertes Bild der Frau als minderwertige Kreatur verinnerlicht. Sexismus als Herrschaftsinstrument zu Gunsten des Kapitals durchdringt alle gesellschaftlichen Ebenen. Solange die Medien die Frau durch permanente sexualisierte Darstellung des weibliches Körpers auf ein Sexualobjekt reduzieren und traditionelle – männlich dominierte Rollenbilder – im Überbau verankert sind, wird die bestehende Rolle der Frau in der Gesellschaft weiterhin nachhaltig abgesichert. Deshalb müssen Erziehung und Medien frei von Stereotypen und Geschlechterrollenzuschreibungen sein, die den Buben und Männern suggerieren, Unterdrückung von Frauen sei gesellschaftskonform, und den Mädchen und Frauen, sie gehörten dorthin wo das Kapital sie braucht. Das gesellschaftliche Bewusstsein darf nicht mehr von den kapitalistischen freien Medien vergiftet werden, welche die Rechte der Frauen mit Füßen treten. Junge Mädchen sollen – um sich in diesem kapitalistischen System Recht zu verschaffen – zu selbstbewussten, protestfähigen und kämpferischen Frauen erzogen werden und sich selbst dazu erziehen. Zu Frauen, die sich zwar ihrer Unterdrückung und Ausbeutung bewusst sind, aber genauso ihrer Kraft und ihrer Pflicht sich mit allen Mitteln dagegen zur Wehr zu setzen. Wir lassen uns weder beschwichtigen noch viktimisieren! Unsere Devise lautet: Widerstand!
Geschlechterfrage – Klassenfrage
Als Kommunistinnen und Kommunisten lehnen wir die Reduktion der Geschlechterfrage auf ein moralisches Problem ab, da es von gesamtgesellschaftlicher Relevanz ist. Indem wir die Frauenunterdrückung als Bestandteil der sozialen Frage insgesamt erkennen, überwinden wir die Einseitigkeiten eines rein geschlechtsspezifischen Zugangs, der die Ursachen der Frauenunterdrückung im Geschlechterkampf fixiert und die herrschenden sozialen und historischen Bedingungen außer Acht lässt.
Bewusstseins- und Verhaltensänderungen allein können die – mit der kapitalistischen Produktionsweise verknüpften – Geschlechterverhältnisse nicht umwälzen, dazu bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Transformation. Dennoch heißt für uns emanzipatorische Politik, täglich für den Abbau der Geschlechterhierarchie zu kämpfen und für eine Verbesserung der Situation der Frauen unter den herrschenden Bedingungen einzutreten. Geschlechtergerechte Sprache in Wort und Schrift gehören zu unserem Selbstverständnis. Im Sinne der Einheit von Theorie und Praxis verurteilen wir Sexismus und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung in der Gesellschaft und im Verband. Nach dem Prinzip von Kritik und Selbstkritik ist jedes Verbandsmitglied dazu angehalten, die eigene Rolle als Frau bzw. Mann und das Verhalten gegenüber anderen Personen zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern.
Einzige Bedingung für die endgültige Emanzipation der Frau ist die Überwindung jeglicher Klassengesellschaft, um so die Grundlage für die Befreiung von Unterdrückung und Ausbeutung zu schaffen. Deshalb können die Rechte der Frauen auch nur in Verbindung mit dem Kampf gegen eine kapitalistische und für eine sozialistische Gesellschaft erkämpft werden.
Ohne diese Tatsache jemals aus den Augen zu verlieren, müssen wir unserer Aufgabe als Kommunistinnen und Kommunisten gerecht werden, auch in den bestehenden Verhältnissen nicht müde zu werden für die Gleichberechtigung der Frau zu kämpfen. Unser Kampf beginnt jetzt und hier und endet erst in einer klassenlosen Gesellschaft in der jeder und jedem, egal ob Mann, Frau oder Kind die gleichen Rechte und die gleiche Würde als Menschen zuteil werden.
„Die Revolution ist der einzige Weg zu Befreiung der Frau.“ (Clara Zetkin)