Deshalb können die Verteidiger des Kapitalismus nicht daran interessiert sein, konsequente und universelle Wissenschaftlichkeit vorbehaltlos zu verbreiten und zu popularisieren; ist es doch für ihre Profitinteressen erforderlich, wesentliche Fakten und Zusammenhänge zu verhüllen und zu verleugnen.
Walter Hollitscher: Was heißt Fortschritt?, in: Für und Wider die Menschlichkeit, 1977.
Bildung und Klassencharakter im Kapitalismus
Die weltweite Macht der kapitalistischen Konzerne und Monopole übt auch bestimmenden Einfluss auf unser Ausbildungssystem aus, werden hier doch die Arbeitskräfte von morgen herangezogen. Es wird klar deutlich, dass unsere Schulen dazu dienen, die kapitalistische Propaganda der Herrschenden in die Köpfe der Jugendlichen zu tragen. Der Traum, dass sich der Bereich der Bildung eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Privatwirtschaft erhalten konnte, ist schon lange zu Ende. Spätesten seit Ende der 90er Jahre ist es ein offenes Geheimnis: unser Bildungssystem soll nach und nach vollständig privatisiert und privatkapitalistischen Interessen untergeordnet werden.
Dieses System zielt darauf ab, die in unserer Gesellschaft bestehende soziale Trennung auch im Zugang zu Bildung aufrecht zu erhalten und qualitativ hochwertige und umfassende Bildung zu einem Privileg einer geringen Oberschicht zu machen. Nur ihre Kinder sollen sich dieses Privileg aneignen können und so zur neuen Elite, die künftig unser Staats- und Wirtschaftsleben lenken soll, herangebildet werden.
Die Verwandlung von Bildung in eine Ware führt jedoch nicht nur zu Elitenbildung, sondern bewirkt außerdem, dass demokratische Mitspracherechte in Schulen, Universitäten und Berufsschulen kaum vorhanden sind, sowie, dass sich Lehrinhalte vermehrt nach ihrer unmittelbaren Verwertbarkeit für die UnternehmerInnen richten und demgegenüber Allgemeinbildung und emanzipatorische Inhalte in den Hintergrund treten.
Wir als KommunistInnen haben eine andere Herangehensweise zu Bildung: Für uns soll sie nicht nur eine umfassende Vorbereitung auf möglichst viele Bereiche der Produktion und Arbeitswelt darstellen, sondern auch eine Vorbereitung für das Leben und die Gesellschaft bieten sowie einer umfassenden Entwicklung der Persönlichkeit dienen. Nur eine fundierte Bildung und Ausbildung, die die Zusammenhänge und Funktionsmechanismen unseres alltäglichen Lebens und unserer Gesellschaft durchleuchtet, ermöglicht es uns, diese Gesellschaft auch nach unseren Vorstellungen und Bedürfnissen zu verändern. Die Situation an den öffentlichen Schulen wird derzeit immer dramatischer. In überfüllten Klassenräumen wird hier gerade so viel Bildung vermittelt, wie später von den KapitalistInnen benötigt wird, um daraus Profit zu schlagen. Dies stellt natürlich nicht im Entferntesten eine umfassende Ausbildung dar und ist auch keine Garantie für einen späteren Arbeitsplatz. Nicht nur, dass die öffentlichen Schulen finanziell immer stärker ausgehungert, während immer mehr private Eliteschulen errichtet werden, tritt der Auslesecharakter von „Reform“ zu „Reform“ stärker zutage.
Als KommunistInnen treten wir für kostenlose und gleiche Bildung für alle ein, das Wesen der Privatschulen steht dem feindlich gegenüber. Vor allem werden vom Staat konfessionelle Privatschulen gefördert, wir stehen jedoch für einen freien Bildungszugang, unabhängig von Religionszugehörigkeit. Die Schulen müssen ein Ort sein, der frei von religiöser Symbolik ist, in dem jedoch jede/r SchülerInn Zugang zu unkonfessionellem Ethikunterricht hat.
Was die öffentliche Schulausbildung im Konkreten betrifft, so müssen hier zunächst die an den Schulen praktizierten Formen der Wissensvermittlung hinterfragt werden. Die heute immer noch
gängigen Lehrmethoden, wie Frontalunterricht in überfüllten Klassenräumen, mangelnde Mitsprachemöglichkeiten der SchülerInnen sowie Leistungsdruck durch ständige Tests und Prüfungen nach einem überholten und absurden Benotungssystem führen nicht nur dazu, dass der Schulalltag von den meisten Auszubildenden als höchst unangenehm empfunden wird, sondern sind auch hochgradig ineffektiv. Der Polytechnische Lehrgang nimmt hier besonders die Rolle einer absolut nutzlosen Institution ein, weder bereitet er SchülerInnen auf die spätere Karriere vor, noch bietet er Anreize, sich weiterzubilden.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass die öffentlichen Schulen seit längerer Zeit nicht mehr kostenlos sind. Selbstbehalte bei Schulbüchern, Fahrtkosten sowie die Kosten für Nachhilfestunden, die immer mehr Jugendliche in Anspruch nehmen müssen, belasten vor allem sozial schwächere Familien und erhöhen den sozialen Druck auf viele Jugendliche, nach der Pflichtschulzeit arbeiten
zu gehen. Die öffentlichen Schulen können allerdings auch kaum einen geregelten Schulbetrieb mit entsprechenden Lehrmaterialien aufrechterhalten, ohne die SchülerInnen als Geldquelle anzuzapfen.
Damit wird öffentlich, dass auch die soziale Lage von SchülerInnen entscheidend ist, wie der weitere Schulweg abläuft. Demgegenüber treten wir für die Nutzung fortschrittlicher und moderner Lehrmethoden ein, wie beispielsweise Gruppenarbeit und projektbezogenes Lernen, sowie für die Abschaffung des momentanen Beurteilungssystems. Klar ist dabei, dass für solche Unterrichtsformen auch die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, wie z.B. deutlich weniger SchülerInnen pro LehrerIn, sowie eine Aufwertung und Intensivierung der pädagogischern Fähigkeiten und Kenntnisse der LehrerInnen. Zudem muss der Konkurrenzdruck unter den SchülerInnen beseitigt werden, sowie gleichzeitig die noch immer bestehende Mann-Frau-Selektion, sowohl beim Lehrpersonal als auch bei der Behandlung und Benotung der SchülerInnen aufgebrochen werden.
Unter diesen Bedingungen kann die Schule auch ihre soziale Funktion wahrnehmen, das heißt z.B. sinnvolle Freizeitaktivitäten anbieten, eine Anlaufstelle für Jugendliche bei Problemen darstellen sowie solidarische Umgangsformen vermitteln. Die laufende Schulpolitik geht jedoch in die entgegengesetzte Richtung. So werden autoritäre Elemente des Unterrichts vorangetrieben, z.B. durch Schulordnungen die alles andere als demokratisch zustande kommen.
Eine Form der Bildungsprivatisierung, die die Schulen betrifft, ist das „Schulsponsoring“, das den Unternehmen eine direkte Einflussmöglichkeit auf das Schulleben und die Lehrinhalte bietet. Hier wird bewusst die Schule als Werberaum genutzt, um die SchülerInnen zu jeder Tageszeit mit sinnfreien Konsumaufrufen zu bombardieren. Oftmals werden sogar SchülerInnen diskriminiert, die keine Produkte beim Schul“sponsor“ kaufen.
Eine viel diskutierte Frage in diesem Zusammenhang ist die „Schulautonomie“. Auch wenn dezentrale Entscheidungskompetenz an sich nichts Schlechtes ist, so bewirken die Maßnahmen in Richtung Schulautonomie unter heutigen Bedingungen keineswegs ein Mehr an Mitspracherecht von SchülerInnen, sondern viel eher eine vermehrte Einflussnahme von Unternehmen auf die Schulen, da angesichts der massiven Einsparungen die Schulen dazu genötigt werden, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen. In SchülerInnenbewegungen, europaweiten Bündnissen, in der gewerkschaftlichen und gesetzlichen Interessenvertretung und in anderen Bereichen setzt sich die KJÖ für ein frei zugängliches und demokratisches Bildungssystem ein. Nur durch ein Bildungssystem, das für alle zugänglich ist und in dem die Auszubildenden wesentlich an der Gestaltung des Unterrichts und der Lehrinhalte mitwirken, kann ein bedeutender Schritt in eine bessere Zukunft gesetzt werden.
Lehrlingsausbildung und Berufsschule – Lehrlingsausbildung ist moderne Sklaverei
Eine besondere Stellung im Bildungssystem nimmt die Lehr- oder so genannte „duale“ Ausbildung, die parallele Ausbildung in Berufsschule und Betrieb, ein. Nirgendwo im Bildungsbereich treten der Charakter des kapitalistischen Staates und der Konzerne so offen auf. Der weitaus größere Teil der mangelhaften Ausbildung findet in den kapitalistischen Betrieben selbst statt und ist somit unmittelbar nach Kapitallogik organisiert. Was zählt, ist nicht der Ausbildungsnutzen für den Lehrling, sondern der Profit für das Unternehmen. Nach der Zerschlagung der verstaatlichten Industrie in Österreich und dem folgenden Verlust von gut 50.000 Lehrstellen – mit der Konsequenz, dass immer mehr Lehrlinge ohne Ausbildungsplatz sind – kam es zu einer weiteren Verschärfung der Situation.
So führte die gesteigerte Jugendarbeitslosigkeit zu einer Erhöhung des Drucks auf die Lehrlinge, ihren Ausbildungsplatz auch unter schlimmsten Bedingungen zu behalten. Die Krise des dualen Ausbildungssystems wurde durch das Lehrlingsgesetz aus dem Jahr 2000 weiter verschärft, mit dessen Auswirkungen den meisten Lehrstellensuchenden die Chance auf eine sinnvolle Ausbildung genommen wird und die Lehrlinge zu möglichst billigen Hilfskräften der Betriebe, zu „modernen Sklaven“, degradiert werden.
Auch die Vorschläge der neuen Regierung, beispielsweise bezüglich der Aufweichung des Lehrlingskündigungsschutzes, verheißen nichts gutes für die Ausbildungs- und Arbeitssituation der Lehrlinge. Gerade angesichts der heute immer häufigeren, meist erzwungenen Wechsel des Arbeitsplatzes und der Arbeitsanforderungen, ist besonders bei der Lehre die Ausbildung in „Flächenberufen“ notwendiger denn je, das heißt eine fundierte Fachausbildung in Bezug auf ein breiteres Berufsbild oder benachbarte Berufe. Ansätze in diese Richtung werden jedoch viel zu wenig entwickelt und verallgemeinert.
In weiterer Folge sind auch die Weiterbildungsmöglichkeiten nach absolvierter Lehre sehr begrenzt. Für viele Jugendliche sind sie schon wegen des zeitlichen Aufwands problematisch, die finanziellen Kosten machen sie für einen weiten Teil der Jugendlichen unzugänglich. Gerade bei der Lehrlingsausbildung werden nach wie vor tradierte Geschlechterrollen fortgeschrieben. Während junge Frauen vermehrt in Lehrberufen wie Friseurin, Verkäuferin, Sekretärin beschäftigt werden, fallen technische Lehrberufe in erster Linie den männlichen Lehrlingen zu. Für uns ist die duale Ausbildung nicht die einzig mögliche Organisationsform des polytechnischen Gedankens, der parallelen Vermittlung von beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie von allgemeinem Wissen. Wir treten ein für eine polytechnische Gesamtschule, die frei zugänglich und nach demokratischen und sozialen Gesichtspunkten gestaltet ist. Dies ist auch die erste Grundvoraussetzung für die Aufhebung traditioneller Rollenbilder und für die langfristige Befreiung der Frau.
Unser Ziel: polytechnische Gesamtschule
Der polytechnische Grundgedanke ist die Idee der Verbindung von Allgemeinbildung und Berufsausbildung bzw. die Aufhebung des Widerspruchs zwischen diesen. Die duale Ausbildung ist dabei nur eine Organisationsform, daneben gibt es auch noch die Form der polytechnischen Gesamtschule: eine einheitliche, theoretisch-geistige und praktisch-technische Ausbildung aller Jugendlichen gemeinsam und mittels einer modularen Oberstufe, mit der Möglichkeit der Differenzierung und Spezialisierung. Damit wäre die Überwindung der bisherigen Hierarchisierung und Segmentierung im Bildungsbereich möglich, d.h. der Teilung in AHS, BHS, Lehre, etc. Außerdem könnte damit die derzeit extrem geschlechtsspezifische Berufswahl von Mädchen und Burschen leichter aufgehoben werden.
Schließlich geht es um die vollständige und gleichberechtigte Integration der Berufsausbildung in das öffentliche Bildungssystem, um die Durchsetzung eines öffentlichen Berufsausbildungswesens und damit um die Befreiung der Berufsausbildung aus der unmittelbaren Dominanz der Betriebe und somit der Kapitallogik. Generell müsste also das gesamte österreichische Schulsystem und Ausbildungssystem, damit es wirklich allgemeinbildend und emanzipatorisch ist, umgekrempelt werden.
Hochschulbildung im Rahmen des Bolognaprozesses
Studiengebühren, Zugangsbeschränkungen und Wartelisten sind in Österreich schon zum studentischen Alltag geworden. Das Universitätsgesetz von 2002 (UG02) bildete nicht nur die Grundlage für massive Verschlechterungen der Hochschulwahlordnung, sondern legte auch den Grundstein für die undemokratische Implementierung des sogenannten „Bolognaprozesses“ in das österreichische Hochschulsystem. Unter dem Deckmantel europaweit vereinheitlichter Bildungsstandards versteckt sich nichts anderes als ein Mittel zur Durchsetzung von Kapitalinteressen im Bildungssektor.
Der Bolognaprozess ist ein Instrument der europäischen Kapitalisten, mit dem Ziel Bildung und die Vermittlung derselben zu regulieren und ihren Profitinteressen unterzuordnen. Bildung wird nicht mehr als für alle Menschen zugängliches Recht, sondern als vom Markt abhängige Ware angesehen. Die Beschränkung des Zuganges zu höherer Bildung für Jugendliche aus der ArbeiterInnenklasse dient der Reproduktion der Eliten, und somit unmittelbar dem Kapital.
Die Maßnahmen der Regierungen, welche in Folge des Bolognaprozesses getroffen wurden und werden, haben einen profitorientierten Hintergrund. Der Zugang zu höherer Bildung soll einigen ausgewählten Eliten vorbehalten bleiben, die Privatisierung des Bildungssektors wird angestrebt. Gleichzeitig dient die Dreigliedrigkeit der Hochschuldbildung in Bachelor, Master und PHD dazu, der breiten Masse der Studierenden nur unzureichende und eben kostengünstige Bildung zu gewähren, welche für das Kapital unmittelbar verwertbar ist. Höhere Qualifikationen kosten mehr,
sind demzufolge also nur für ohnehin begüterte Menschen leistbar. Bildung bekommt also nicht nur den Charakter einer Ware, sondern auch einen entsprechenden Preis.
Die von Bologna- Befürwortern vielgerühmte erhöhte Mobilität zeigt sich als Scheinheiligkeit, ist diese – etwa in Form von Auslandssemestern – von den ökonomischen Gegebenheiten der Studierenden abhängig.
Widerstand gegen die herrschende Bildungsdoktrin
Notwendig ist der organisierte Kampf aller SchülerInnen und StudentInnen, das gemeinsame Auftreten im Bund mit der Arbeiterschaft. Als KommunistInnen sehen wir es deshalb als zentral an, sich aktiv in universitären und außeruniversitären, in nationalen und internationalen Bündnissen gegen Bildungs- und Sozialabbau zu beteiligen, sich gegen alle Bemühungen, erkämpfte demokratische Rechte auszuhöhlen, zu stellen. Zentral ist hierbei die politische Arbeit der KJÖ in und an den Schulen, den Schülervertretungen und Schülerbewegungen.