oder: Mozartkugeln, Lipizzaner, Kapitalismus?
Bei all den alpinen Ski-Erfolgen, „Dancing Stars“, dem Mozart-Kitsch und den sauber dressierten Lipizzanern könnte man fast meinen, in Österreich wäre die Welt noch in Ordnung. Doch wir leben in einem kapitalistischen Land, das im Zentrum der Europäischen Union liegt und auch bei uns regieren knallharte Kapitalinteressen.
Was Banken, Konzerne und die „Krone“ gemeinsam haben
Viele Branchen der österreichischen Wirtschaft sind in hohem Grade monopolisiert. Wie viel Macht in wie wenigen Händen liegt, können Zahlen wohl am geeignetsten veranschaulichen.
Die vier größten Banken in Österreich (Erste, Raiffeisen, Bank Austria-Creditanstalt, BAWAG-PSK) beherrschen über 60 Prozent des Markts, in manchen Geschäftsbereichen sogar 90 Prozent, Tendenz steigend. Die drei größten Versicherungsgesellschaften des Landes (Uniqa, Wiener Städtische, Generali) verfügen zusammen über einen Marktanteil von beinahe 70 Prozent. Die drei größten Energieunternehmen (EVN, Wien Energie, Verbund), die auch noch untereinander verflochten sind, erreichen einen Marktanteil um 75 Prozent. Die OMV erreicht Marktanteile von 80 Prozent, bei der Förderung von Öl bzw. Gas sind es gar 90.
Die zwei größten Tankstellenbetreiber (OMV und BP) kommen auf deutlich über 50 Prozent. Die drei größten österreichischen Baukonzerne (STRABAG, Porr, Alpine) kommen gemeinsam auf einen Marktanteil von annähernd 60 Prozent. Die drei größten Lebensmittelhandelsketten in Österreich (REWE, Spar, Hofer) kommen auf einen Marktanteil von 85 Prozent. Der größte Agrarkonzern Österreichs (Raiffeisen) erreicht bei der Übernahme landwirtschaftlicher Produkte mitunter Marktanteile von über 90 Prozent. Und: Das größte täglich erscheinende Printmedium des Landes, die Kronen Zeitung, hält einen weltweit einzigartigen Marktanteil von rund 40 Prozent.
Was bedeutet nun diese Monopolisierung der österreichischen Wirtschaft? Durch diese Machtkonzentration können die Eliten dieses Land immer mehr nach ihren Interessen formen. Das führt dazu, dass sich die Lebenssituation für einen Großteil der österreichischen Bevölkerung zusehends verschlechtert und die Zukunftsperspektiven der Jugend immer düsterer werden.
Den Reichtum denen, die ihn erarbeiten!
Österreich ist eben keineswegs eine „Insel der Seligen“. Im Gegenteil: in kaum einem europäischen Land sind der gesellschaftliche Reichtum und das Einkommen derart ungleich verteilt und/oder besteuert wie bei uns. 54 Prozent des gesamten Geldvermögens ist im Besitz der reichsten zehn Prozent der Haushalte. Während die reichsten zehn Prozent über 61 Prozent des Immobilienvermögens verfügen, besitzen die ärmsten 40 Prozent überhaupt keine Immobilien. 70.000 Millionären stehen über eine Million Armutsgefährdete und akut Arme gegenüber.
„Wos woa mei Leistung?“, fragte sich Walter Meischberger 2011, als er gegenüber der wegen Korruption ermittelnden Staatsanwaltschaft Provisionszahlungen begründen sollte.
Und in einem Land, wo das reichste ein Prozent an privatem Gesamtvermögen (Immobilien, Geldvermögen und weiteres Sachvermögen) mehr besitzt als 90(!) Prozent der restlichen Bevölkerung, drängt sich die Frage auf, worin denn nun die Leistung dieses einen Prozents besteht. Hat denn dieses eine Prozent tatsächlich 90-mal mehr gearbeitet, war 90-mal fleißiger, war 90-mal geschickter und 90-mal klüger als die unteren 90 Prozent, wie es uns das Kapital und seine Regierung stets weismachen wollen? Das Gerede von Aufstiegschancen und dergleichen wird immer wieder von den nackten Tatsachen eingeholt. Denn es bleibt dabei: Einige wenige profitieren von der Arbeit vieler.
Insel der Seligen – für die Geldsäcke
Demokratisch ist für uns eine Gesellschaft, in der sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen. Eine Gesellschaft, in der für die Mehrheit Löhne sinken, Sozialleistungen gekürzt werden und die Armut steigt, ist demnach keine demokratische Gesellschaft. Der österreichische Kapitalismus ist die Herrschaft der Banken und Konzerne. Die österreichische Regierung – und mit ihr in trautem Einklang ausnahmslos alle Parlamentsparteien – lassen nichts unversucht, um die Eliten wohlbehütet durch die Krise zu schaukeln. Zu diesem Zweck werden ihnen Unsummen in den Rachen geworfen, etwa in Form eines 100 Milliarden Euro schweren „Bankenrettungspaketes“. Zu diesem Zweck wird tunlichst davon abgesehen, die soziale Frage zu stellen. Und zu diesem Zweck versucht man, die Kosten der Krise durch schlechte Lohnabschlüsse, „Flexibilisierungen“, Kaputt„sparen“ des Gesundheitssystems, oder Einführungen von neuen Massensteuern auf die arbeitende Klasse und die Jugend abzuwälzen.
Im großen Theaterstück namens „Nationalrat“ spielen alle dort vertretenen Parteien ihre eigene Rolle. Thomas Bernhard veranschaulichte die Tragödie der österreichischen Politik einst folgendermaßen: „Das ist ja vollkommen gleichgültig, was das für eine Regierung ist, es ist ja eine wie die andere, es sind ja immer dieselben Leute, es sind ja immer dieselben Geschäfte, die diese Leute machen, es sind immer dieselben Interessen, das sind ja immer diese ganz und gar verkommenden Leute, die mit jedem Tag das Land mehr zugrunde richten.“ Während die SPÖ die arbeitenden Menschen verlogen auf faule Kompromisse vertröstet, betreibt die ÖVP beinharten Lobbyismus für Konzerne und Agrarriesen. Die FPÖ spielt sich als Vertretung des „kleinen Mannes“ auf, spielt durch ihre rassistische Hetze aber die Leidtragenden dieses Systems gegeneinander aus und bietet zudem zahlreichen Alt- und Neonazis eine politische Heimat. Die Grünen wiederum bedienen ein abgehobenes, intellektuelles Klientel, besetzen populistisch linke Themen, während ihre Realpolitik genauso die Banken und Konzerne unterstützt. Daher haben sie mit den Interessen der arbeitenden Klasse und der Jugend nichts gemein. Egal wie sich diese SchauspielerInnen auch immer nennen mögen, ihre Dienstgeber sind die Reichen und Mächtigen. Die Zeche für diese Politik hingegen müssen wir alle, in Form von Belastungspaketen etc., zahlen.
In der Entsolidarisierung und dem Aufhetzen einzelner Bevölkerungsteile zeigt man großes Talent. Seien es die „faulen ÖBBler“, die „privilegierten Lehrer“, die „Ausländer“ überhaupt oder die „Pleitegriechen“: nichts wird unversucht gelassen, um die wahren Ursachen und die wahren Verursacher verbergen.
Es wird versucht, die Krise als Produkt von „gierigen Spekulanten“ oder als unvorhersehbare Naturgewalt darzustellen, die uns und den österreichischen PolitikerInnen das Leben schwer macht. Damit soll verschleiert werden, dass der Hund im System selbst begraben liegt.
Sozialpartnerschaftliches Elend
Die sogenannte Sozialpartnerschaft ist eine der zentralen und gesellschaftsbestimmenden Besonderheiten, die Österreich nach 1945 geprägt haben und ist in dieser Ausprägung sonst nirgendwo zu finden. Arbeitskampf, Streiks und soziale Auseinandersetzungen wurden spätestens nach dem Oktoberstreik 1950 von der Straße auf den sogenannten Grünen Tisch verlegt. Dort sitzen sich abgehobene Gewerkschaftsbürokraten und Großkapitalisten gegenüber und führen alljährlich einen Tanz namens Kollektivvertragsverhandlungen auf, bei dem die Arbeitenden am Ende durch die Finger schauen.
Der ehemalige Finanzminister, Großunternehmer und Vorzeige-Sozialdemokrat Hannes Androsch meinte einst: „Wenn Sie den österreichischen Kapitalismus abschaffen wollen, müssen Sie ihn erst einführen.“ Tatsächlich ist es aber so, dass ein Teil der Führungsriege von SPÖ und Gewerkschaften äußerst eng in das kapitalistische System eingebunden ist und darin eine tragende Rolle übernimmt. Scheinheilig wird uns die Versöhnung von Wölfen und Schafen gepredigt, und während Unternehmen auch – und gerade – in der kapitalistischen Krise Rekordgewinne einfahren, stagnieren die Löhne. Wenn man die massive Teuerung – alleine seit 2005 kostet der wöchentliche Einkauf um 21 Prozent mehr – einberechnet, kann man sogar einen Lohnverlust feststellen. Und all dies während die Produktivität beständig steigt.
Die sozialdemokratisch dominierte Gewerkschaftsführung will aber diese Entwicklung nicht sehen bzw. reagiert völlig hilflos darauf. Darum gilt es in den Gewerkschaften starken Druck von unten aufzubauen.
Der österreichische Imperialismus
Österreich ist schon alleine aufgrund seiner militärischen Möglichkeiten keine imperialistische Hauptmacht. Dennoch spielt Österreich – trotz seiner vergleichsweise geringen Größe – eine wesentliche Rolle bei der „Erschließung“ von neuen Märkten und Ressourcen. Vor allem die österreichischen Banken – das ist nach den massiven Investitionen in vergangen Jahren in Süd- und Osteuropa klar – hatten größtes Interesse am Ende des Sozialismus, an der Zerbombung Jugoslawiens und an einer Eingliederung dieser Länder in die Europäische Union.
In Slowenien, Bulgarien und Kroatien nimmt Österreich mit Anteilen von bis zu 30 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen die führende Rolle ein. In Rumänien und in der Slowakei ist das österreichische Monopolkapital der zweitgrößte Investor, in Ungarn und Tschechien der drittgrößte.
Ohne den eigenen EU-Beitritt und ohne den EU-Anschluss der ost- und südosteuropäischen Staaten hätte die Expansion in diese Regionen kaum so erfolgreich verlaufen können. In diesen Ländern kontrolliert das österreichische Kapital bedeutende Teile des Banken- und Versicherungssektors, der Telekommunikation, der Öl-, Gas- und Treibstoffbranche, der Bau- und Baustoffwirtschaft sowie des Einzelhandels. Und so kommt es, dass die Erste Bank mit 50.000 Angestellten und 15 Millionen KundInnen in acht Ländern mittlerweile der größte Finanzdienstleister Mitteleuropas ist. Raiffeisen International betreut mit ebenfalls rund 50.000 Angestellten 12 Millionen KundInnen in 16 Staaten. Die Auswirkungen für die dortige Bevölkerung sind Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, Massenentlassungen, etc. Österreich ist also nicht nur teilweise von Großmächten wie Deutschland abhängig, sondern spielt mithilfe der EU selbst eine regionale imperialistische Rolle.
Es ist eine Illusion zu glauben, dass Ziel der EU wäre eine „europäische Integration“ und man könne die Union der Konzerne und Generäle in eine Sozialunion verwandeln. Ebenso wenig lässt sich die Wirtschaftskammer in eine Gewerkschaft umwandeln. Die EU ist und bleibt ein Zweckbündnis imperialistischer Staaten. Das ist auch der Grund, warum wir als KommunistInnen für den Austritt Österreichs aus der Europäischen Union eintreten, um so den ersten Schritt zu setzen, dieses Herrschaftsinstrument der Banken und Konzerne zu überwinden.
Erst der Ausbruch aus der EU schafft Raum für eine internationalistische Politik, wo sich Staaten auf Augenhöhe begegnen, statt in demütigende neokoloniale Abhängigkeit zu geraten, wie das derzeit innerhalb der EU mit Ländern wie Griechenland, Irland oder Portugal passiert; ganz zu schweigen von der europäischen Peripherie, wo das Bekenntnis zur „offenen Marktwirtschaft“ mit Marschflugkörpern wie beispielsweise 2011 in Libyen herbei gebombt wird.
Um die Verhältnisse in Österreich verändern zu können und schließlich zum Tanzen zu bringen, gilt es an die ersten Krisenproteste, an die Erfahrungen der Schulstreiks, an die unibrennt-Bewegung, den Widerstand der steirischen „Plattform 25“ sowie den MetallerInnenstreik 2011 anzuknüpfen. In ihnen sehen wir die ersten zarten Keime einer starken Bewegung für ein solidarisches, ein sozialistisches Österreich.