Die Wahlkampfmaschine des US-amerikanischen Einparteiensystems kommt langsam auf Touren. Die beiden rechten Flügel der US-Staatspartei beginnen sich in Stellung zu bringen für die hunderte Millionen Dollar vernichtende Show, an deren Ende der mächtigste Mann der Welt gekürt wird. Die Rollen, die bei diesem Schauspiel von den handelnden Personen eingenommen werden, sind so alt wie Wildwestklischees, so vorhersehbar wie Filme aus Hollywood, jener Traumfabrik in dem Land, das für immer weitere Teile seiner Bevölkerung ein Alptraum ist.
Das reale Elend des american dream
Die Erste-Welt-Fassade des Dritte-Welt-Landes USA beginnt mit immer verheerenderen Verelendungstendenzen zu bröckeln. Massenarbeitslosigkeit, drastische Zunahme von Obdachlosen, Unversicherten und Menschen auf Lebensmittelmarken, Zusammenbruch des öffentlichen Bildungssystems, Stromengpässe, Verfall öffentlicher Infrastruktur, sogar – man glaubt es kaum – Unterernährung.
Hinter der bestens choreographierten good-cop-bad-cop-Scharade der zwei Marionettenparteien des US-Monopolkapitals ist dies die hässliche Wahrheit. Welche Partei gerade den good cop und welche den bad cop mimt, ist den Herrschenden in den USA ebenso egal wie in anderen Ländern des „freien Westens“. Solange von den Massen am american dream als Jedermannsphilosophie durch Klassenkampf nicht gerüttelt und der wahre Feind im Zweifelsfall nicht im eigenen, sondern im fremden Lande verortet werden kann, spielt es keine große Rolle, ob die Herrschenden auf Zuckerbrot oder Peitsche setzen. Ein cop ist ein cop, er hat die Aufgabe die herrschende Ordnung aufrecht zu erhalten.
Repression nach innen – Kriegsdrang nach außen
Der von der Präsidentschaft Obamas von Millionen Subalternen – und manchen mehr von Einfalt als von Einsicht durchdrungenen Linksliberalen – erhoffte Wandel in den Vereinigten Staaten ist nicht nur ausgeblieben, die gesellschaftlichen Widersprüche haben sich weiter in selbst für die USA bis dato ungeahntem Ausmaße verschärft, die Repression nach innen und der Kriegsdrang nach außen haben weiter zugenommen. Das Weiße Haus ist längst Onkel Tom’s Hütte geworden, der Friedensnobelpreisträger ein Warlord, der seinen Amtsvorgänger in gewissen Bereichen sogar zu übertreffen vermochte.
Der US-Krieg in Afghanistan wurde intensiviert und auf Teile Pakistans ausgedehnt, wo sich Obama mit Bomben und Granaten am liebsten als wedding crasher und als hitman für im Ruhestand befindliche ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter erweist. Aus dem Irak sind die US-Kampfeinheiten zwar ab-, oder besser, in die unzähligen Militärbasen der US-Armee in umliegenden Vasallenländern umgezogen, es befinden sich aber nach wie vor zigtausende US-Söldner in diesem Land, dessen staatliche Integrität enden wollend und das vom Frieden weit entfernt ist. Den Aufruhr der arabischen Straße gegen westliche Fremdherrschaft in Gestalt von Kompradorenbourgeoisien und für ein besseres Leben wusste die US-Regierung – den Arabischen Frühling mit Hilfe der Golfdiktaturen in sein genaues Gegenteil kehrend und sich einmal mehr propagandistisch als Wahrer von Menschenrechten medial in Szene setzend – geschickt auszunutzen, um sich im Nahen und Mittleren Osten strategisch noch besser positionieren zu können. Am Krieg gegen die letzten unbotmäßigen Regime in der Region wird fleißig gearbeitet und dabei setzen die US-Strategen einstweilen auf alte Bekannte als Bauern auf ihrem Schachbrett. Diese gibt man vor in der einen Region zu bekämpfen oder bekämpft sie wirklich, während sie für andere Regionen ausgestattet mit westlichen High-Tech-Waffen und von die Leichen ihrer Glaubensbrüder schändenden und den Koran verbrennenden Rassisten (gegebenenfalls unterstützt von westlicher Luftwaffe) als Fußsoldaten Allahs im Dienste des abendländischen Neokolonialismus herhalten müssen, damit auch ja keinem US-Soldaten irgendetwas Schlimmeres passiert als ein Auftritt von Mariah Carey in einem Militärcamp.
Zaghafter Widerstand
An der Heimatfront gibt es nach der ersten Zeit der Resignation angesichts der Politik der Obama-Administration im Äußeren und Inneren sowie ob der Verschärfung der gesellschaftlichen Widersprüche im Zuge der Krise wieder etwas breiteren Widerstand. Dieser Widerstand reicht von der Occupy-Bewegung über die langsam wieder erstarkende Antikriegsbewegung bis hin zu den Gewerkschaftsverbänden, die sich zwar erneut über Zulauf freuen können, aber sich gleichzeitig in vielen republikanisch dominierten Bundesstaaten gegen massive Angriffe in Form von Antigewerkschaftsgesetzen zur Wehr setzen müssen. Dieser Widerstand ist leider noch zu schwach, um dem Machtkartell aus Demokraten und Republikanern im Rahmen der Präsidentschaftswahlen erfolgreich entgegentreten zu können.
Bei diesen Wahlen wird Obama nicht mehr den Hoffnungsträger mimen können, denn das glaubt ihm niemand mehr, sondern er wird das kleinere Übel verkörpern. Die Republikaner haben ihr eigenes kleines Theaterstück am Laufen, in welchem sich religiöse Fanatiker, anti-etatistische Hinterwäldler und Ultraliberale sowie Deklassierte, deren den bailouts zu verdankender antikapitalistischer Reflex demagogisch in rechte Bahnen gelenkt wurde, sich mit dem traditionellen Partei-Establishment, das in Wesen und Erscheinung kaum von dem der Demokraten zu unterscheiden ist, um ihren Kandidaten streiten. Die Schwäche seiner Herausforderer wird die Stärke Obamas sein. Dies wissen auch die republikanischen Strategen und so ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Obamas Gegner Romney heißen wird, Spross einer Politikerfamilie, Ex-Gouverneur, Finanzjongleur und im Vergleich mit seinen Mitbewerbern wohl der am besten verkaufbare Gegenkandidat.
Im Präsidentschaftswahlkampf wird die Zuspitzung auf Schein- und Nebenfragen, die umso vehementer von den Meinungsmachern auf beiden Seiten vorangetrieben wird, je notwendiger es ist, die sozialen Fragen zu kaschieren, und der prinzipielle Entertainmentfaktor der Präsidentenwahlen wie immer von den realen sozioökonomischen Problemen des Landes abzulenken vermögen.
Die Wahl zwischen Regen und Traufe
Die Menschen in den USA werden wieder einmal die Wahl zwischen Regen und Traufe haben und ihre Entscheidung an der Urne wird – wie es sich für westliche Demokratie nun einmal gehört – rein gar nichts an den gesellschaftlichen Verhältnissen ändern. Vor einer Wiederwahl Obamas sollte man um das amerikanische Volk und die Welt gleich besorgt sein wie vor der Wahl eines Republikaners.
Der Umstand aber, dass verschiedenen Widerstandsfelder außerhalb der US-Einheitspartei zusammenwachsen und die soziale Frage in ihren Mittelpunkt stellen, gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Werktätigen erkennen, dass der Feind im eigenen Lande steht. So ist es durchaus eine neue Qualität in der US-Gesellschaft, dass die Gewerkschaften mit schon an Klassenkampf erinnernden Tönen die Occupy-Bewegung unterstützten. Ebenso war es bis vor kurzer Zeit noch undenkbar, dass in den USA öffentlich über die ungleiche Verteilung des Vermögens, die – wie eine jüngst erschienene US-Studie erwiesen hat – divergierender ist als im Alten Rom, diskutiert wird.