Kürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich, bei den Pensionen und öffentlich Bediensteten: Die österreichische Bundesregierung führt im Auftrag der Banken und Konzerne einen Raubzug gegen die soziale Grundversorgung und die Zukunftschancen der Jugend durch. Warum das sogenannte „Sparpaket“ weniger mit Budgetdisziplin als mit Klassenkampf von oben zu tun hat.
Zelebriert wurde die Präsentation des „größten Sparpakets der 2. Republik“ wieder einmal als Akt eines sozialpartnerschaftlichen Konsenses. Hatten insbesondere Gewerkschaft und Arbeiterkammer in den Monaten vor der Präsentation des Pakets noch Bedingungen und „No-Gos“ formuliert, wurde plötzlich kleinlaut bekannt gegeben, dass die Last „ausgewogen verteilt“ sei. In diesem Punkt stimmten plötzlich Wirtschaftskammer, SPÖ, ÖVP und auch ein Großteil der Medienlandschaft überein. Das ist freilich genauso ein Unsinn wie die „kritischen“ Meldungen, die Regierung agiere zu wenig ambitioniert und phantasielos.
Tatsächlich entpuppt sich derzeit ein Großteil des „Beitrags der Vermögenden“ als Mogelpackung. Dafür treffen die Kürzungen jene am meisten, die es auch am stärksten spüren: BezieherInnen kleiner Einkommen, Arbeitslose, Jugendliche. Die Nicht-Erhöhung von Pensionen führen zum Sinken des Lebensstandards von Millionen Menschen. Dass 1,4 Milliarden im Gesundheitsbereich gekürzt werden sollen, wird nicht durch reine Verwaltungsmaßnahmen erreichbar sein, sondern sich durch eine weitere Verschlechterung des Angebots bemerkbar machen.
Weg konsequent fortgesetzt
Mit dem Belastungspaket der Regierung wurde freilich kein neuer Weg eingeschlagen, sondern jenes neoliberale Rezept angewandt, das bereits die Politik von Schwarz-Blau bestimmt hat. „Zum Wohle des Standortes“ haben Löhne und Steuern gering zu sein und der Staat nicht allzuviel für Bildung und Soziales auszugeben. So wurden bereits in den letzten Jahren Barrieren im Bildungssystem errichtet, der Kündigungsschutz für Lehrlinge aufgehoben, und Zurückhaltung bei den Lohnabschlüssen gepredigt, während öffentliches Gut privatisiert und neue Steuerlücken für Großbetriebe geschaffen wurden.
Das letzte Mal, dass es gewisse Verbesserungen für Erwerbstätige und Jugendliche gab, war im Herbst 2008, als vier Tage vor den Nationalratswahlen die Studiengebühren teilweise aufgehoben, die Hacklerregelung fortgesetzt und die Erhöhung der Familienbeihilfe beschlossen wurde. Insgesamt ein Paket von 5 Milliarden Euro – nun, wo es bis zur nächsten Wahl noch über ein Jahr dauert, holt sich die Regierung 27 Milliarden!
Der Anstieg der Verschuldungsquote – das ist der Anteil der Staatsschulden in Prozent der Gesamtwirtschaftsleitung –von 60,7 Prozent im Jahr 2007 auf 72,2 Prozent im Jahr 2011 ist keineswegs Folge drastisch gestiegener Sozialleistungen. Vielmehr waren diese es, die ein Abbrechen der der Konjunktur und damit hohe Arbeitslosigkeit zu Beginn der Krise verhindert haben.
Rezept für Arbeitslosigkeit
Mehrere Maßnahmen des Belastungspaketes wirken sich direkt auf die Jobaussichten für Jugendliche aus. Das betrifft nicht nur den Aufnahmestopp in Teilen des öffentlichen Dienstes, sondern vor allem auch das rigorose Vorgehen bei Frühpensionierungen. So sollen sich künftig noch mehr Menschen um die wenigen freien Stellen streiten – dabei kommen bereits jetzt auf 264.000 Arbeitslose und knapp 70.000 Menschen in Schulung nur etwa 65.000 Jobangebote.
Mehr Personen, die sich um immer weniger Jobs streiten, bedeuten nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch sinkende Löhne. Dass die Menschen immer länger arbeiten müssen, wird nicht dazu führen, dass sie es auch können – bereits jetzt erfolgt ein großer Teil der Pensionierungen aus der Arbeitslosigkeit heraus – sondern dass 60-Jährige eben vom AMS „betreut“ werden.
Auslaufmodell Sozialstaat?
Was tatsächlich die Ziele jener sind, die Gesundheits- und Sozialsysteme angreifen, wird durch ein Zitat Mario Draghis, dem Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich. Im „Wallstreet Journal“ ließ er verkünden: „das Sozialstaatsmodell hat ausgedient“. Dessen Beseitigung solle dazu führen, den „Wohlstand der Eurozone“ zu sichern – was ziemlich klar macht, WESSEN Wohlstand gemeint ist, wenn dieser durch Kürzungen bei der breiten Masse erzielt werden soll.
Was für die Wortführer des Kapitals ebenfalls zum alten Eisen gehört, ist offensichtlich die Demokratie. So war es Teil der „Krisenrezepte“ in Italien und Griechenland, die alten Regierungschefs durch neue, nicht demokratisch legitimierte Personen zu ersetzen. Verhandlungen über die Budgetgestaltung finden in den schwer verschuldeten Staaten nicht mehr im Parlament statt, sondern unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission. Das Ergebnis: gespart werden muss bei Löhnen, Pensionen und Sozialleistungen.
Fiskalpakt: Mehr als ein seltsames Wort
Die Aushebelung demokratischer Mitbestimmung und Kontrolle ist auch Herzstück des seit März unterzeichneten, sogenannten „Europäischen Fiskalpakts“. In diesem ist geregelt, dass das strukturelle Defizit eines Landes höchstens 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen darf, bei Verstößen muss ein „automatischer Mechanismus“ zur Tilgung der Schulden in Kraft treten. Sollte die EU-Kommission auch damit nicht zufrieden sein, kann es neben Strafzahlungen zur regelrechten Entmündigung des betreffenden Staates kommen. Dann wären größere Reformen wie Arbeitszeitverkürzung, Verstaatlichungen und Steuerreformen nur mehr mit Zustimmung der Kommission denkbar, die ihrerseits „Vorschläge“ zur Konsolidierung des Budgets vorlegt. Wie diese aussehen, hat sich in Griechenland gezeigt: Senkung des Mindestlohnes auf 590 Euro, Kündigung von 150.000 Staatsbediensteten, Kürzungen von 3,6 Milliarden Euro im Gesundheitssektor.
Das stellt freilich eine massive EU-Vertragsänderung dar – dass Kanzler Faymann im Wahlkampf 2008 versprochen hatte, bei solchen Änderungen künftig eine Volksabstimmung durchzuführen, dürfe ihm allerdings entfallen sein.
„Soziale Heimatpartei“ zeigt ihre Fratze
Die spärlichen Reaktionen der angeblichen „Sozialen Heimatpartei“ FPÖ haben wieder einmal gezeigt, wessen Interessen die Blauen vertreten. So prangert die freiheitliche Gewerkschaftsfraktion „AUF“ Einsparungen bei Exekutive und Bundesheer (!) als das größte Problem des Pakets an. Ganz still zeigen sich die rechten Recken, wenn es um Vorschläge zur Finanzierung des (noch vorhandenen) Sozialsystems geht: Bankenabgabe, Versteuerung von Immobiliengewinnen und hohen Erbschaften sind für die asozialen Krawallmacher „Enteignung“ und „Raubrittertum“.
Dabei werden anderswo weitere Schweinereien freilich schon ausgeheckt: ArbeiterInnen sollen beim ersten Krankenstandstag einfach nicht bezahlt werden, verlangt die Wirtschaftskammer. Die Grünen wiederum machen Druck, dass die EU noch mehr Kompetenzen gegenüben den einzelnen Staaten bekommt. Und zur Kanalisierung des Unmuts über die Bundesregierung tüfteln Stronach & Co. an einer neuen Partei, die notfalls die jetzigen Bücklinge des Kapitals durch geeignetere KandidatInnen ersetzen kann.
…schlagen wir zurück!
Dass die SPÖ verlautbart, sich mehr Vermögenssteuern „gewünscht“ zu haben, sollte man nicht allzu ernst nehmen. Einer Partei, die offiziell verkündet, das Belastungspaket gebe den Menschen „Vertrauen und Sicherheit“, ist einfach nicht mehr zu helfen. Die krude Logik „sozialer Kahlschlag schützt vor sozialem Kahlschlag“ mögen Laura Rudas, Werner Faymann und Co. verbreiten, unsere Aufgabe als KommunistInnen ist es nun, Widerstand gegen die Angriffe des Kapitals auf unsere Zukunft zu organisieren. Druck für Schenkungs-, Erbschafts- und Finanztransaktionssteuern zu machen, kann dabei einen Anfang darstellen.
Langfristig kann es freilich keine Lösung sein, Staatseinnahmen durch mehr oder weniger starke Besteuerung hoher Vermögen zu erzielen, ohne die Grundlagen der maßlosen Bereicherung einiger weniger zu hinterfragen. „Gerechtigkeit“ kann nicht dadurch entstehen, dass ein Teil dessen, was durch Hungerlöhne und überhöhte Produktpreise ergaunert wurde, ins Staatsbudget fließt und von dort als Almosen an jene ausgezahlt wird, die im kapitalistischen Produktionsprozess unter die Räder kommen.
Die menschenfeindlichen Auswirkungen dieses Systems beginnen bereits bei einem Zustand, in dem einige Vermögende über die Arbeit der großen Masse bestimmen. Hier muss angesetzt werden, wenn eine lebenswerte Zukunft für uns alle geschaffen werden soll. Die EU ist dabei nicht die Ebene, auf der der Kampf zu führen ist, sondern der Gegner, der zu schlagen ist. So düster die Zeiten auch sind, die Bereitschaft zu Protest- und Kampfmaßnahmen ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Das Agieren der selbstgefälligen Dauergrinser in der Bundesregierung hat nicht nur klar gemacht, wessen Interessen sie vertreten, sondern auch, dass es eben keinen Kompromiss zwischen den Vorstellungen von Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer und Währungsfonds und den unsrigen geben kann.