Während über die Frage einer antimonopolistischen Strategie in der kommunistischen Bewegung weitgehende Einigkeit herrscht, wird über eine (vermeintliche?) antimonopolistische Demokratie als historische Etappe mitunter heftig debattiert: Ist sie eine, vielleicht sogar notwendige, Übergangsetappe zwischen Kapitalismus und Sozialismus, ein lediglich kurzfristiges „Gleichgewicht der Kräfte“ oder gar nur ein Hirngespinst? Ist die Orientierung auf sie ein Einfallstor für den Revisionismus oder der revolutionäre Weg unserer Tage?

Anfang, Ende, Zwischendings?

Auffällig ist, wie unterschiedlich der Begriff dabei verwendet wird. Mal ist die antimonopolistische Demokratie eine eigenständige historische Etappe zwischen Kapitalismus und Sozialismus, mal die erste Stufe des Sozialismus, mal die letzte des Kapitalismus. Die Schwierigkeit der Zuordnung resultiert daraus, dass beansprucht wird und beansprucht werden muss, dass man in äußerst widerspruchsvollen Zeiträumen qualitativ Sprünge bestimmt, die den Übergang in ein neues Gesellschaftssystem – oder eben in eine neue Etappe eines Gesellschaftssystems – markieren. Die Wichtigkeit dieser Zuordnung resultiert daraus, dass von ihr auch abhängt, wie man Sozialismus und Kapitalismus überhaupt definiert[1]. Es handelt sich also keineswegs nur um eine rein scholastische Frage, sondern es geht um grundlegende Fragen der kommunistischen Strategie.

Kein Zwischendings!

Am fragwürdigsten ist freilich die Position, die antimonopolistische Demokratie wäre eine eigenständige historische Etappe zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Die KJÖ und 18 weitere europäische kommunistische Jugendorganisationen verneinen diese These explizit, wenn sie in ihrer gemeinsamen Erklärung „Unsere Zukunft ist die neue Welt, der Kommunismus!“ schreiben: „Zwischen der kapitalistischen und der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsformation gibt es keine andere Formation, keine andere Gesellschaftsordnung“[2]. Das würde auch grundlegend gegen die marxistische Staatstheorie verstoßen, die davon ausgeht, dass es immer eine Klasse gibt, die die Macht im Staat hat. Im Kapitalismus hat die Kapitalistenklasse die Macht, im Sozialismus die Arbeiterklasse. Gibt es im entwickelten Kapitalismus neben diesen beiden Klassen noch eine dritte, die imstande sein könnte, die Macht an sich zu reißen? Welche Klasse könnte in der antimonopolistischen Demokratie die Macht haben? Etwa das Kleinbürgertum? Der Begriff mag vielleicht in manchem Ohre etwas kleinbürgerlich klingen, doch geht es hier nicht um Klänge, sondern um das Wesen der Sache. Höchstwahrscheinlich wäre das Kleinbürgertum Teil der sozialen Basis einer antimonopolistischen Demokratie. Jedoch könnte es keinesfalls die Macht im Staat erobern, denn das ökonomische System des Kleinbürgertums ist die freie Konkurrenz, zu der weder Großkapital noch Arbeiterklasse zurückzukehren gewillt sein können. Alleine kann sie es aber nicht erkämpfen, da es, zumindest in den entwickelten kapitalistischen Ländern, schon viel zu sehr zwischen Großkapital und Arbeiterklasse zermürbt worden und für diesen Zweck viel zu schwach ist. Das Kleinbürgertum ist, gemeinsam mit anderen Mittelschichten, „reaktionär, sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen“[3].

Kleinbürgertum und Antimonopolismus

Doch dieses Zitat aus dem Manifest von Marx und Engels geht noch weiter: „Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf ihren Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen“[4]. Das Kleinbürgertum nimmt aber nicht von alleine den proletarischen Standpunkt ein, es wüsste aus heiterem Himmel auch gar nicht, welche die Interessen des Proletariats überhaupt sind. Sie kann den proletarischen Standpunkt nur annehmen, wenn und inwiefern es eine starke, also bewusste Arbeiterklasse gibt, die das Kleinbürgertum (und andere Mittelschichten) auf ihre Seite zu ziehen vermag; und sie kann auch nur dann und insofern fortschrittlich sein. Das Schließen von Klassenbündnissen sieht die Arbeiterklasse ohnehin als stete Aufgabe an, da es den Kampf für den Sozialismus erleichtert, wenn nicht überhaupt erst ermöglicht. Antimonopolistische Losungen sind ein geeignetes Mittel, die schwankenden Mittelschichten auf die Seite der Arbeiterklasse zu ziehen, da sie in ihnen sowohl ihre gegenwärtigen (aber eben vom Wesen her reaktionären!) als auch ihre zukünftigen proletarischen Klasseninteressen wiederfinden. Aus letztem Halbsatz folgt, dass diese Losungen nur dann von Wert sind, wenn schon in ihrer Propagierung immer klar hervorgeht, dass der Sozialismus das Ziel der Arbeiterklasse ist, denn ansonsten trägt man nichts zur Erhöhung des proletarischen Klassenbewusstseins bei, sondern, im Gegenteil, verwischt die Klassenpositionen.

Welche Klasse herrscht?

Damit wurde die antimonopolistische Strategie als eine bündnispolitische Strategie der Arbeiterklasse bestätigt. Was bedeutet das aber für die antimonopolistische Demokratie? Nun, wir werden auf eingangs Angekündigtes zurückgeworfen und müssten den Begriff von Sozialismus bzw. Kapitalismus erläutern. Wenn Sozialismus kurz gesagt der Staat ist, in dem die Arbeiterklasse herrscht, und der Kapitalismus jener, in dem die Kapitalisten herrschen, dann muss eben auch in Frage gestellt werden, wer den nun eigentlich in einer antimonopolistischen Demokratie herrscht? Wir stellen die beiden Hauptklassen zur Auswahl und differenzieren zwischen Großkapital und Kleinbürgertum. Ersteres fällt natürlich gleich weg, denn das Großkapital ist es ja gerade, das durch eine antimonopolistische Demokratie entmachtet werden soll. Das Kleinbürgertum fällt auch weg, wie oben bereits argumentiert wurde. Bleibt also die Arbeiterklasse. Ist die antimonopolistische Demokratie demnach eine erste Phase im Aufbau des Sozialismus? Natürlich erfolgt der Aufbau des Sozialismus schrittweise, aber was genau soll diese erste Phase auszeichnen und warum ist dieser Begriff dafür passend? Die VerfechterInnen der antimonopolistischen Demokratie bleiben schuldig, dies zu erläutern.

Kräftegleichgewicht der Klassen?

Es bleibt noch eine Möglichkeit, nämlich dass es bei der antimonopolistischen Demokratie um eine historische Phase geht, in der gar keine Klasse (zumindest nahezu) uneingeschränkt herrscht, in der es also auch gar keinen funktionierenden Staat gibt (oder anders gesagt: in der es zwei, gegeneinander ringende, Staaten gibt). Dies wären Phasen eines annähernden Kräftegleichgewichts zwischen den Klassen, wie als klassisches Beispiel die Zeit der „Doppelherrschaft“ im Russland von 1917 zu nennen ist. In ihnen liefern sich die Klassen die erbittertsten Kämpfe, die Klassenwidersprüche werden so offensichtlich wie sonst nie und der Klassenkampf wird so scharf geführt wie sonst nie. Ein stabiles Kräftegleichgewicht, etwa im Rahmen einer „Sozialpartnerschaft“, kann es nicht geben, weil der antagonistische Klassenwiderspruch und der Klassenkampf Fakten sind. Also wenn Kräftegleichgewicht, dann nur kurzfristig, denn in solchen Phasen mobilisieren die Klassen sämtliche zur Verfügung stehenden Kräfte, und schon bald darauf wird eine von ihnen den Kampf bzw. diese Schlacht für sich entschieden haben. So ziehen auch Blach, Grüß und Kurth in einem ihrer Diskussionsbeiträge zum Thema den Schluss: „Aus unserer Sicht ist die Vorstellung einer antimonopolistischen Demokratie – verstanden als Stadium der „Doppelherrschaft” – allenfalls denkbar als kurzer „Übergangsmoment in der Entwicklung der Revolution”, in dem sich bereits im Keim ein neuer, revolutionärer Staatsapparat herausgebildet haben muss“[5]. Sollte es tatsächlich hierauf hinauslaufen, bleibt fraglich, warum diese Phasen ausgerechnet den Begriff der „antimonopolistische Demokratie“ verdient haben sollten.

Schlussbemerkung

Es besteht hier kein Anspruch auf Entscheidung der Frage, sondern es geht lediglich um eine kritische Erläuterung der Problemstellung. So könnte es sein, dass sich die hier aufgeworfenen Fragen befriedigend beantworten lassen; oder dass Präzisierungen der Begriffe Kapitalismus und Sozialismus, weitere Differenzierungen von Klasseninteressen oder gar Überlegungen über ein Staatsgebilde, deren Wesen sich nicht auf die Herrschaft einer Klasse reduzieren lässt, andere Ergebnisse liefern.

 

 

[1]Systematisch gesehen ist dieses Abhängigkeitsverhältnis genau umgekehrt. Da es hier aber um die Positionen zur antimonopolistischen Demokratie geht, ist das Pferd von hinten aufzuzäumen.

[2]https://kommunistischejugend.at/?p=922

[3] Marx/Engels: Das kommunistische Manifest.

[4] Ebenda.

[5] https://theoriepraxis.wordpress.com/2011/08/10/antimonopolistische-strategie-und-die-idee-der-antimonoplitischen-demokratie/