Im antiken Griechenland wurden innerhellenische Kriege einige Jahrhunderte lang in regelmäßigen Abständen für mehrere Wochen unterbrochen. Grund war ein riesiges Event, bei dem sich die verfeindeten Stadtstaaten in sportlichen Wettkämpfen messen konnten, ohne notwendigerweise Blut zu vergießen. Während dieses Großereignisses – den Olympischen Spielen – durfte bis auf die Schutzmacht aus dem berühmt-berüchtigten Königreich Sparta (bzw. Lakedaimon) keine Armee das Territorium des Austragungsortes Delphi betreten.

Bei den Spielen in Delphi ging es dennoch ganz offen um die Zurschaustellung militärischer Stärke. Die Athleten waren ausschließlich männlich und zumeist Soldaten. Fixe Disziplinen waren daher nicht von ungefähr Streitwagenrennen, Speerwurf und Ringen. Deshalb dürfte es auch niemanden überraschen, dass Adolf Hitler in der Nazisymbolik so viele Referenzen zur Antike aufstellte (man google etwa nach NSDAP-Standarte). Noch weniger verwundert es, wie versessen der Braunauer darauf war, die Olympischen Spiele 1936 im „Reich“ abhalten zu lassen. Worauf Deutschland kruderweise immer noch Bezug nimmt, zumindest durch den Namen „Olympiastadion“ für eine Spielstätte in Berlin. Wenn man die Faschisten weg denkt, ist das natürlich immer noch glanzvoller als der kommerzielle Umtauf-Fluch, welcher viele deutsche und österreichische Stadien in den letzten Jahren ereilt hat. Beispiele hierfür sind die „Commerzbank-Arena“ der Frankfurter Eintracht, die „Generali Arena“ der Austria Wien und die „UPC Arena“ von Sturm Graz. An dieser Stelle soll es aber nicht um den Kommerz gehen, der den Spitzensport durchsetzt und an sich schon viele Seiten der Kritik verdient.

 

Black Panther

Die oben genannten Beispiele von den Hellenen bis Hitler zeigen auf, dass Sport schon immer auch politisch war. Westliche Politiker, Konzerne und moderne Massenmedien sind die maßgeblichen finanziellen und propagandistischen Unterstützer sportlicher Massenveranstaltungen – seien diese noch so künstlich aufgebläht. Und als solche politisieren sie genannte Massenveranstaltungen, wie es ihnen passt. Kritik und Politik abseits des bürgerlich-kapitalistischen Mainstreams sind unerwünscht. Dies verdeutlicht etwa das Beispiel der afroamerikansichen Sprinter Tommie Smith und John Carlos. Smith und Carlos gewannen 1968 den 200-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen in Mexico-Stadt mit Gold beziehungsweise Bronze. Die anschließende Siegerehrung nutzten sie, um mit erhobener, schwarzbehandschuhter Faust und gesenktem Kopf gegen die rassische Diskriminierung in ihrem Heimatland zu protestieren. Der Gruß, Symbol der linksradikalen Black Panther-Partei innerhalb der US-Bürgerrechtsbewegung, stieß auf heftigen Protest und führte zum Ausschluss der beiden Männer aus der US-amerikanischen Delegation. Smith, der bei dem Rennen übrigens einen neuen Weltrekord aufstellte, wurde unehrenhaft

heimgeschickt, genau wie Carlos. Die beiden wurden jedoch zu Ikonen, wennngleich ihr Verhalten bis heute in vielen konservativen Mainstream-Medien auf Kritik stößt. Dieselben Medien stießen sich aber nicht an Free-Tibet-Aktionen während der Olympischen Spiele 2008 in China, sie applaudierten sogar. Doch damit nicht genug der jahrealten Heuchelei.

 

Reiche Knackis

Momentan regt sich die Öffentlichkeit über die politische Situation in der Ukraine auf – wir reden jetzt nicht von gequälten Hunden, die gibt es hierzulande auch. Oder Tierfabriken. Der Hauptvorwurf lautet, der regierende Präsident Wiktor Janukowitsch habe seine populärste Gegnerin, Ex-Regierungschefin Julija Timoschenko, willkürlich ins Gefängnis gesteckt, um sie mundtot zu machen. So weit, so gut.

Jede berechtigte Kritik an Timoschenko – wie sie Janukowitsch und die Staatsanwaltschaft anführen – wird jedoch ausgeschlagen, ja bisweilen ignoriert. Die 51-jährige erlangte zwischen 1991 und der so genannten „Orangenen Revolution“ ungeahnten Reichtum durch das Geschäft mit russischem und ukrainischem Öl. Timoschenko beteiligte sich aktiv am Ausverkauf des Landes – auch an die neu gegründete Russische Föderation, von deren Knute sie es ja angeblich befreien will. Die Multimillionärin gibt sich – ähnlich wie russische Artgenossen und Klassenbrüder –  als Unschuldslamm, ja Retterin der Demokratie, Kämpferin gegen Korruption.

Ihre geflochtenen Frisuren erinnern unfreiwillig komisch an die Prinzessin Leia aus dem Weltraummärchen „Krieg der Sterne“. Auch Leia gibt sich in den Filmen als Kämpferin gegen Unterdrückung. Da sie eine wichtige Rolle innerhalb der Rebellenallianz  spielt, ruft ihr Verhalten regelmäßig das Galaktische Imperium auf den Plan. Auch auf Erden ruft Julija „Leia“ Timoschenko regelmäßig ein Imperium auf den Plan. Oder sagen wir lieber: den US-amerikanischen, britischen und deutschen Imperialismus. Im Gegensatz zum galaktischen Imperium halten diese Mächtigen und ihr politischer wie massenmedialer Rattenschwanz allerdings brav zu der Rebellin.  Die dunkle Seite der Macht, die Achse des Bösen, sind die Marionette Janukowitsch und die Puppenspieler im Kreml. In diesem Sinne regen sie sich auch pünktlich zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft über die politischen Verhältnisse in der Ukraine auf. Auch österreichische PolitikerInnen und Medien blasen seit Wochen ins selbe Horn. Ein zynischer Hohn, wenn man die jüngste Geschichte des Landes betrachtet.

 

Österreich und der Sport

Wo war etwa der Aufschrei der ‚zivilisierten Welt‘ aufgrund der vielen Abschiebeopfer Österreichs (Stichwort: Omofuma) und Opfer von antiziganistischen Pogromen in Tschechien, als die Volleyball-EM letztes Jahr in diesen Ländern stattfand? War anscheinend nicht so wichtig, denn Volleyball ist nicht allzu populär. In unseren Breitengraden soll die eigentliche Aufmerksamkeit eher auf die überdimensionierten Werbetafeln am Spielfeldrand als die sportlichen Bewerbe gelenkt werden.  Die tatsächlichen Sieger sitzen ohnehin in den Vorständen von Adidas, Humanic, McDonald’s ,Nike und Co.

Und wo war der Protest gegen Deutschnationale im Parlament während der Maccabi-Spiele, eines traditionellen jüdischen Sportwettbewerbs, vergangenes Jahr? Warum empörten sich die Massenmedien nicht gegen die neofaschistische Demagogie, welche in diesem Land salonfähig ist?
Und warum empfindet es eigentlich niemand als seltsam, dass die deutsche Nationalelf während der EM ausgerechnet in Danzig/Gdansk ihr Hauptquartier bezieht? Hätte sie nicht gleich nach Podgórze, das ehemalige jüdische Ghetto in Krakau, gehen können?

Sicher, man kann die Zustände in der Ukraine kritisieren, aber genau so die kommende EM genießen. Doch die oben angeschnittenen jüngsten Beispiele aus der Geschichte Österreichs zeigen: bevor man über den Tellerrand schaut und auf die Probleme der anderen verweist, muss man die eigene brackige, ungenießbare Suppe auslöffeln. Das ist unsere verdammte Pflicht. Denn es ist nicht im Interesse der Mächtigen bei Raiffeisen, Voest und am Ballhausplatz, dass sich etwas an der Situation ändert. Sie haben die Mahlzeit verdorben, vergiftet. Wir müssen uns dagegen wehren, denn niemand sonst wird es für uns tun.