Die Geschichte der sozialistischen Staaten ist auch eine Geschichte großer Errungenschaften für die Rechte und die Unabhängigkeit der Frau. Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass alte Denk- und Verhaltensweisen nicht so schnell verschwinden, wie man sich das wünschen würde.
Ob in der Sowjetunion, der DDR oder anderen sozialistischen Ländern: Mit der Überwindung der alten, kapitalistischen Ordnung sollte auch die Benachteiligung der Frauen der Vergangenheit angehören. Dahingehende Bemühungen beschränkten sich keineswegs nur auf entsprechende Agitation: Nach der Oktoberrevolution in Russland wurden Frauen zum ersten Mal in der Geschichte juristisch gleichgestellt. Dekrete über Zivilehe und Ehescheidung wurden erlassen und die Abtreibung legalisiert. Frauen wurde eine vom Mann unabhängige Lebensplanung ermöglicht. Durch Einrichtungen wie Kinderkrippen und Betriebskantinen konnten Frauen am Erwerbsleben teilnehmen.
Ähnlich verhielt es sich in der DDR. Der damals vergleichsweise hohe Anteil von Frauen in der Volkskammer, aber auch in der Forschung und anderen Bereichen der Gesellschaft zeigt die Erfolge auf diesem Gebiet. Auch die Ausübung von Sport – etwa Frauenfußball – wurde nicht mehr kritisch betrachtet, sondern aktiv gefördert. Dabei darf freilich nicht unerwähnt bleiben, dass vor allem in den Nachkriegsjahren die Frauenarbeit eine ökonomische Notwendigkeit darstellte. Im Gegensatz zu Westdeutschland und Österreich wurde die Frau in der DDR aber danach nicht wieder in die Reproduktionsarbeit gedrängt, sondern die Erwerbstätigkeit der Frau blieb ein Grundprinzip.
Schwierigkeiten und Fortschritte
Wie in jedem Entwicklungsprozess ergaben sich jedoch auch bei den sozialistischen Versuchen viele Probleme. Beispielsweise wuchs die Teilnahme der Frau an der
Produktionsarbeit schneller als die Bedingungen, die diese Teilnahme ermöglichten, wie z.B. Dienstleistungen, kommunale Einrichtungen für Kinder usw.). Die Folge war die Überbelastung der Frau. Darüber hinaus verfestigte sich in gewisser Weise die traditionelle Meinung über die soziale Rolle der Frau und die Minderwertigkeit der weiblichen Arbeit. Bei allen Fortschritten zeigte sich, dass alte Denkweisen noch lange nach der sozialistischen Revolution bestehen bleiben.
Frauen waren in den sozialistischen Staaten dennoch um einiges selbstbewusster und besser gestellt, als jene in den kapitalistischen Ländern. Sie wurden grundsätzlich als ein dem Mann ebenbürtiges Mitglied der Gesellschaft und nicht als wirtschaftliches Anhängsel des Mannes gesehen.
Durch die volle Integration der Frauen in den Arbeitsprozess konnte schnell mit alten Vorstellungen über angeblich geringere technische und unzureichende körperliche Fähigkeiten aufgeräumt werden. Mithilfe der fi xen Vertretung von Frauenorganisationen in den meisten der jeweiligen Kommunistischen Parteien und Parlamenten wurde die Mitsprache und Mitbestimmung von Frauen in allen gesellschaftlich relevanten Fragestellungen sichergestellt.
Doch auch wenn die gesetzlichen Bedingungen für die Gleichstellung geschaffen worden waren, veränderte sich dadurch nicht automatisch das Bewusstsein. Beispielsweise wurden die Frauenabteilungen in der Sowjetunion (Shenodtjel) 1929 aufgelöst, als diese immer stärker und selbstbewusster wurden und verstärkt Kritik an diskriminierendem Verhalten männlicher Genossen in der Partei übten.
Die vergesellschaftete Reproduktionsarbeit wurde nach wie vor mehrheitlich von Frauen verrichtet. Dies zeigt, dass die gesetzliche Vergesellschaftung nicht ausreicht, um die Frauen von ihren Rollen zu befreien. Im Gegenteil: es muss auch nach der sozialistischen Revolution ein vehementer Kampf gegen Sexismus und patriarchale Verhaltensweisen geführt werden, da diese weiterbestehen bleiben, wenn wir nicht gegen sie aktiv werden.
Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit
Im Sozialismus/Kommunismus gibt es zwei Möglichkeiten der Lösung des Problems der Reproduktionsarbeit: einerseits ist es ja das Ziel, dass die Menschen nur mehr so viel arbeiten müssen, wie wirklich für den Erhalt der Gesellschaft notwendig ist. Damit wäre für Hausarbeit sowieso genügend Zeit. Dazu kommt, dass der laufende technische Fortschritt ohnehin zu einer Reduktion und Vereinfachung der „Hausarbeit“ führt – umso stärker, wenn sich die Produktion im Sozialismus nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen richtet.
Die andere Möglichkeit ist die Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit. Das heißt, dass ein Teil der Hausarbeit beispielsweise von Putztrupps übernommen wird, die von Haus zu Haus ziehen. Ein wesentliches Feld wird jedoch vor allem auch die Kinderbetreuung darstellen. Ein flächendeckendes Angebot sorgt dafür, dass sich keine Frau zwischen Kind und Job entscheiden muss, wie es derzeit oft der Fall ist. Darüber hinaus verlieren Familien so ihren Charakter als „Versorgungsinstitution“; Beziehungen können tatsächlich frei gewählt werden. Für die Kinder selbst bedeuten solche kollektiven Betreuungseinrichtungen vor allem ein Höchstmaß an Chancengleichheit: Niemand wird mehr aufgrund seiner Herkunft von Bildung ausgeschlossen, jeder hat Zugang zu angemessener Förderung. Wichtig ist natürlich, dass die Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit nicht erst wieder allein Frauensache ist. Der Fortschritt der künftigen Gesellschaft wird auch daran zu messen sein, wie stark Männer in Kindergärten, Volksküchen usw. beteiligt sind. Wie auch immer dieses Problem in Zukunft gelöst wird: Im Hier und Jetzt können und müssen wir die Gedanken der Menschen verändern! Oft hört man die Aussage, dass Frauen die Hausarbeit im Blut liege. Dies ist natürlich Schwachsinn, Männer können das genauso gut oder schlecht wie Frauen. Sie müssen nur den Willen aufbringen, manche Tätigkeiten zu erlernen und sich von dem Gedanken befreien, Reproduktionsarbeit sei unnütz und minderwertig und ginge sie nichts an. Im Gegenteil: Sie ist sogar lebenswichtig.