Wir dokumentieren die Eröffnungsrede von Robert Krotzer, ehem. KJÖ-Vorsitzender am 16. Bundeskongress
Vor zwei Jahren, auf dem 15. Bundeskongress, habe ich auf die gewaltige Schieflast bei der Verteilung des Vermögens in Österreich hingewiesen und die unvorstellbare Zahl von 350 Milliarden Euro genannt, die das reichste Prozent der österreichischen Bevölkerung besitzt. 350 Milliarden – diese Zahl ist so fernab von unseren Vorstellungen, dass man sie nochmals wiederholen muss.
Ich würde heute gerne berichten, dass das Vermögen der Reichsten in unserem Land im Interesse der Arbeiterklasse, der Jugend und der armen Bevölkerungsschichten gesunken ist. Ich würde gerne berichten, dass um dieses Geld Schulen und Krankenhäuser gebaut wurden, leistbare Wohnungen und Jugendzentren errichtet wurden, Universitäten und öffentliche Parks saniert wurden. Ich würde gerne sagen, dass die Löhne und Gehälter in den letzten beiden Jahren endlich einmal wieder ordentlich gestiegen sind. Ich würde gerne sagen, dass mit dem Geld die 450.000 Menschen ohne Arbeit unterstützt wurden und neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, dass dafür gesorgt wurde, dass nicht 234.000 österreichischen Kinder in Armut aufwachsen müssen und dass auch die Wohnungen der über 300.000 ÖsterreicherInnen geheizt wurden, die im Winter aus Geldmangel kalt bleiben. Ich würde gerne sagen, dass um dieses Geld die Lehrlingsentschädigungen angehoben wurden, die Familienbeihilfe erhöht und die zahlreichen Selbstbehalte im Bildungsbereich abgeschafft wurden.
Ich würde auch gerne sagen, dass mit dem Geld der Umstand beseitigt wurde, dass jeden Tag 37.000 Menschen – alle 5 Sekunden ein Kind – in unserer Welt verhungern, obwohl es mehr als genug zu essen gebe. Dass mit dem Geld den Menschen geholfen wurde, die auf der Flucht in ein vermeintlich besseres Leben zu tausenden an den Außengrenzen der EU sterben. Dass mit dem Geld der Wiederaufbau jener Länder finanziert wurde, die vom Imperialismus mit Krieg und Bürgerkrieg überzogen wurden.
Ich würde all das gerne sagen. Die Wahrheit schaut freilich ganz anders aus. Die Wahrheit ist nämlich, dass das reichste oberste Prozent der Österreicher nach aktuellsten Zahlen heute 469 Milliarden Euro besitzt. 469 Milliarden – und damit um 119 Milliarden mehr als noch vor zwei Jahren! Dagegen werden selbst die 19 Milliarden Euro, die uns das größte Finanzverbrechen der Zweiten Republik – die Hypo Alpe Adria – noch kosten wird, zu einem Portokassenbetrag. 469 Milliarden Euro, liebe Genossinen und Genossen, merkt euch diese Zahl – und erinnert euch immer wieder daran, wenn im Betrieb oder in der Schule, auf der Uni, in eurer Gemeinde oder in den Medien die Rede davon ist, dass wir sparen müssten, kein Geld vorhanden wäre und wir den Gürtel enger schnallen müssten. 469 Milliarden Euro!
Wir haben uns in der Kommunistischen Jugend Österreichs und im Kommunistischen StudentInnenverband zusammengeschlossen, um all den genannten und vielen, vielen weiteren himmelschreienden Ungerechtigkeiten nicht wehrlos gegenüber zu stehen. Wir haben zusammengefunden und uns organisiert, weil wir nur gemeinsam etwas erreichen können. Und um unsere gemeinsame Politik, unser gemeinsames Zusammenwirken, unser gemeinsames Kämpfen für die nächsten zwei Jahre festzulegen, haben wir uns hier und heute zu unserem Bundeskongress eingefunden.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Es ist mir eine große Freude und Ehre, den 16. Bundeskongress von KJÖ und KSV eröffnen zu dürfen und ich darf euch alle ganz herzlich begrüßen! Unseren Bundeskongress begehen wir an einem ganz besonderen Tag, dem Internationalen Frauentag. Der 8. März ist heute ebenso wie vor 113 Jahren, als er von der sozialistischen ArbeiterInnenbewegung ins Leben gerufen wurde, ein bedeutendes Symbol, um auf die anhaltende Benachteiligung von Frauen in vielen Lebensbereichen hinzuweisen. Aus diesem Grund waren wir heute bereits auf der Straße und haben demonstriert – dagegen, das Frauen noch immer ein Drittel weniger Lohn für dieselbe Arbeit wie ihre männlichen Kollegen verdienen, gegen die ungleiche Verteilung der Reproduktionsarbeit, die noch immer großteils auf den Schultern der Frauen lastet, gegen Gewalt an Frauen, gegen die Verschärfung der sozialen Lage der Frauen durch die kapitalistische Krise und gegen sexistische Rollenbilder und Klischees sowie herabwürdigende Darstellungen von Frauen, die uns täglich und stündlich in Medien und Werbung begegnen. Wir haben für die Befreiung und völlige Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen demonstriert. Dieses Ziel ist bei uns eingebettet in eine revolutionäre Strategie, Als hätte es für die Verbindung von Kapitalismus und Frauenunterdrückung noch ein Beispiel gebraucht, ist mir gestern beim Fertigstellen meiner Rede noch eine Meldung auf den Bildschirm geflattert: Dem EU-Parlament ist anlässlich des Weltfrauentags offenbar nichts anderes eingefallen, als via Twitter vorzurechnen, dass Gewalt an Frauen jährlich 228 Milliarden Euro kostet. Das körperliche und seelische Leid von Millionen Frauen weltweit in eine schlichte Kostenrechnung zu packen, scheint das letzte und einzige Argument im Kapitalismus zu sein und ist wohl der Gipfel an Frauen- und Menschenverachtung. Für uns steht fest, dass wir den Kapitalismus auf den Misthaufen der Geschichte werfen müssen, wenn wir die Benachteiligung und Unterdrückung der Frau erreichen wollen. Wir halten es mit der Begründerin des internationalen Frauentags, der Vorkämpferin der proletarischen Frauenbewegung und großen Kommunistin, Clara Zetkin: „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!“
Dieser Tage bewegt uns aber auch ein weiteres Thema. Keine tausend Kilometer von Österreich entfernt hat in den vergangenen Wochen ein von EU und USA eingefädelter und von dortigen neoliberalen und faschistischen Kräften vollzogener „Regime change“ in der Ukraine stattgefunden, dem nun ein militärisches Säbelrasseln und mediales Kriegsspielen folgt. Im Jahr 2014, 100 Jahre nach Ausbruch der Menschheitstragödie des Ersten Weltkrieges, kämpfen die imperialistischen Blöcke mit zunehmender Härte um Macht und Einfluss auf der Welt, die sie sich aufteilen wollen, wie im Brettspiel „Risiko“. Der Unterschied besteht allerdings in dem doch nicht irrelevanten Unterschied, dass es hier nicht um Kegel am Spielfeld geht, sondern um das Schicksal, Wohl und Leben von Millionen Menschen!
Jene Menschen, die in der Ukraine aus ehrlicher Empörung über das korrupte Regime Janukowitsch und in der Hoffnung auf soziale Veränderung auf die Straße gegangen sind, sind schon heute die Verlierer in diesem Schachspiel der imperialistischen Mächte. Sie werden sehr schnell erleben müssen, was die tödliche Liebe der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank bedeutet, wenn der Raubzug in Form von Privatisierungen, Lohnverlust und Zerschlagung der letzten sozialstaatlichen Reste erst einmal begonnen hat.
Leider ist die Ukraine nur eine von vielen tragischen Seifenopfern, die nach dem Drehbuch des Imperialismus verfasst wurden. In den vergangenen Jahren haben wir eine ganze Reihe an Massenaufständen, Revolten und sogar Umstürzen in vielen Ländern dieser Erde erlebt. Mit ihnen hat ein Akteur die Weltbühne wieder betreten, den die Imperialisten, ihre Handlager und Lohnschreiber über 20 Jahre tot geredet haben: Die Menschen selbst, die armen und unterdrückten Bevölkerungsschichten haben in vielen Ländern ihre Köpfe und Fäuste erhoben gegen soziale Missstände, korrupte Machthaber und Ausbeutung. So erfreulich viele dieser Erhebungen waren, so wenig zufrieden können wir mit ihren Resultaten sein. Der Imperialismus, insbesondere jener der USA und der führenden EU-Mächte, versteht es gegenwärtig durch vielfältige Strategien der Einmischung, des Brandstiftens und der Destabilisierung, am Ende stets als Gewinner dazustehen, während die Arbeiterklasse, die armen Bevölkerungsschichten und die Jugend einmal mehr als Verlierer dastehen und höchstens wählen können, welche Diebe sie bestehlen. Wir müssen daraus lernen, dass die Revolte zwar keine Sackgasse ist, aber auch keine Einbahnstraße, an deren Ende uns automatisch Selbstbestimmung und Freiheit von Ausbeutung und Unterdrückung erwarten.
Und wir müssen daraus zweierlei Schlüsse ziehen:
Erstens führen uns all die Massenbewegungen, an deren Ende die Hoffnungen hunderttausender Menschen zerstört wurden, einmal mehr schmerzhaft die Schwäche der kommunistischen Bewegung und einer sozialrevolutionären Linken vor Augen. Die Wahl zwischen verschiedenen imperialistischen Blöcken, zwischen verschiedenen Räuberbanden kann keine Alternative sein. Wir brauchen starke Organisationen, die als Motor der Bewegungen agieren, ihnen ein Ziel geben und die im Interesse der Arbeiterklasse, der armen Bevölkerungsschichten und der Jugend die Macht- und die Eigentumsfrage ins Zentrum rücken, damit die Menschen und Völker selber über ihr Geschicke bestimmen können. Davon sind wir in Österreich leider noch sehr weit entfernt, aber wir verstehen es als unsere Aufgabe, Stück um Stück unseren Beitrag zu einer solchen Bewegung zu leisten.
Das bringt uns zum zweiten Schluss, den wir zu ziehen haben und der lässt sich mit Karl Liebknecht folgendermaßen formulieren: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ Wir dürfen uns nicht kopfscheu machen lassen, von dem Schwall an Propaganda über den vermeintlichen Segensreichtum, die vermeintlich wohlstandsvermehrende Wirkung und die vermeintliche Friedensliebe der Europäischen Union. Für uns steht fest, dass der Bauplan eines Gefängnisses eben so wenig taugt, einen Kinderspielplatz zu errichten, wie das Konstrukt der Europäischen Union zur Schaffung eine sozialen und demokratischen, ja gar eines sozialistischen Europas. Der imperialistische Charakter der EU, ihre Rolle als Europa der Banken und Konzerne, als Brandbeschleunigerin bei Sozialraub und Demokratieabbau, ihre militaristischen Ambitionen sind fest in den sie konstituierenden Verträgen von Maastricht und Lissabon festgeschrieben. Jeder Mensch, der für sozialen Fortschritt, Frieden, Demokratie und internationale Solidarität eintritt, ist gut beraten, sich darüber keine Illusionen zu machen. Für Risiken und Nebenwirkungen möge man insbesondere die Betroffenen des EU-Krisenregimes in Südeuropa befragen, in denen die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds in Komplizenschaft mit der nationalen Bourgeoisie ein Verarmungsprogramm gegen den Widerstand der Bevölkerung durchboxte, dass die sozialen Standards auf das Niveau von Entwicklungsländern durchsetzte. In Griechenland ist medizinische Versorgung für hunderttausende Menschen unleistbar geworden, während in den Schulen Unterernährung eingezogen ist. Unfassbar sind die Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit: 64 Prozent der jungen Menschen sind in Griechenland, 56 Prozent in Spanien arbeitslos! Und gleichzeitig reiben sich die Banken und Konzerne die Hände, deren Profite und Vermögen weiter gestiegen sind und für die die zynischerweise Rettungsschirme genannte Umverteilung von unten nach oben ein Bombengeschäft war und ist.
Im Jahr 2014 haben wir aber noch einen weiteren runden Jahrestag. Am 12. Februar jährte es sich zum 80. Mal, dass die österreichische Arbeiterklasse im Kampf gegen das immer weitere Fortschreiten des Austrofaschismus die Waffen erhob. Es war der erste bewaffnete Widerstand gegen den Faschismus in Europa. In den kalten Tagen des Februar 1934 wehrten sich die sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterinnen und Arbeiter gegen die immer weiteren Einschränkungen der Demokratie, gegen das Verbot ihrer Organisationen, gegen die sozialreaktionäre und arbeiterfeindliche Politik der faschistischen Regierung Dollfuß. Während die sozialdemokratische Parteiführung die Kämpfenden im Stich ließ, sorgten das Bundesheer, die Polizei und die faschistischen Heimwehren für die Friedhofsruhe, die die herrschende Klasse so schätzt: Mit Kanonen schossen sie auf Arbeitersiedlungen, die Anführer der Aufständischen wurden standrechtlich erschossen. Ohne die Schlagkraft der nun illegalisierten Arbeiterbewegung war der sogenannte „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland vier Jahre später ein leichtes Spiel. Tausende Kommunistinnen und Kommunisten, darunter besonders viele GenossInnen des Kommunistischen Jugendverbandes, fielen der Nazi-Herrschaft zum Opfer. Aber die kommunistische Bewegung blieb auch in den finsteren Jahren des braunen Terrors standhaft im Kampf für Frieden, Freiheit und Sozialismus. Das Andenken an alle RevolutionärInnen und die KämpferInnen gegen den Faschismus gehört zu unserem kommunistischen Selbstverständnis, sie sind Teil des Kampfes für eine gerechte Welt, in der die Menschen ihre Geschicke selbst bestimmen. Diesen Kampf führen wir heute fort.
Nach diesem etwas längerem internationalen und historischen Exkurs will ich auf die Situation der Jugend in Österreich zu sprechen kommen. Als Kommunistische Jugend Österreichs und als Kommunistischer StudentInnenverband dürfen wir nämlich nicht den üblichen Fehler der österreichischen Linken nachmachen, dass wir zu jedem Thema weltweit neunmalklug reden können, aber den jungen Menschen, mit denen wir tagtäglich in Schule, Betrieb, Uni und Freizeit zu tun haben, nichts anbieten zu können. Die Beschäftigung mit den Lebensumständen der Menschen in unserem Umfeld ist für uns der Motor für soziale Veränderung. Man kann gar nicht oft genug sagen, dass wir die Menschen dort abholen müssen, wo sie stehen.
In unserem Leitantrag für die Durchführung der Kampagne „Keine Kohle, keine Zeit, keine Zukunft? – Generation Widerstand“ heißt es daher richtig: Unsere Generation wird die erste der Nachkriegszeit sein, die hinter den Lebensstandard ihrer Eltern-Generation zurückfallen wird. Diese düstere Zukunftsaussicht ist längst zur Tatsache und für hunderttausende junge Menschen in Österreich zur beklemmenden Alltagserfahrung geworden. Die große Mehrheit der SchülerInnen, Lehrlinge, jungen ArbeiterInnen, Studierenden sowie der erwerbslosen Jugendlichen ist auch in Österreich unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus mit finanziellen Sorgen, Stress, Versagensängsten, sozialer Kälte, fehlenden Zukunftsperspektiven und steigendem Leistungsdruck konfrontiert. Normal-Arbeitsverhältnisse weichen unter dem Zauberwort „Flexibilisierung“ nicht-existenzsichernden Arbeitsbedingungen. Wir sind die „Generation Praktikum“, die sich schlecht oder gar nicht bezahlt von Job zu Job hantelt und dabei auf immer mehr soziale Rechte verzichten muss.
Von Zukunftsplanung können viele junge Menschen aufgrund unsicherer Perspektiven, Arbeitslosigkeit oder handfester Armut nur träumen. Hand in Hand mit dieser Unsicherheit gehen soziale Ausgrenzung und psychische Belastungen. Ganze 45 Prozent der österreichischen Studierenden leiden unter studienerschwerenden psychischen Problemen. In den Schulen leidet mittlerweile schon jede/r dritte SchülerIn unter psychosomatischen Begleiterscheinungen durch Stress.Unter jungen ArbeiterInnen und vor allem bei erwerbslosen Jugendlichen sind diese Zahlen ähnlich hoch.
Die sich zusehends verschlechternde soziale Lage unserer Generation ist freilich kein Zufall, sondern Resultat des neoliberalen Gesellschaftsumbaus und der verstärkten Offensive des Kapitals in der kapitalistischen Krise. Im Windschatten dieser Krise betreibt die österreichische Bundesregierung unter dem Kommando von Industriellenvereinigung und EU immer massiveren Sozialraub und Bildungsabbau. Die Unternehmen wiederum nützen die Krise, um Löhne und soziale Standards zu senken und gleichzeitig den Arbeitsdruck zu erhöhen. Der einsetzende wirtschaftliche Abschwung führt zu einer massiven Zunahme der Arbeitslosigkeit. Das alles erschüttert unsere Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven.
Gleichzeitig setzt die herrschende Klasse alles daran, ein aufkommendes Bewusstsein über diese Politik zu verhindern: Junge Menschen sollen – gemäß der neoliberalen Doktrin – ihrer soziale Lage vereinzelt und wehrlos gegenüber stehen. Und tatsächlich verstehen viele Jugendliche die sie drückenden Probleme als individuelle Sorge und nicht als gesellschaftlichen Missstand, den es durch gemeinsame Aktion zu beseitigen gilt. Damit die breite Mehrheit der Jugendlichen nicht länger glaubt, sie müssten mit ihrer prekären Situation alleine fertig werden, brauchen wir auch in Österreich eine breite Debatte unter der Jugend über ihre soziale Lage und ihre Lebensumstände.
Denn das sind die alltäglichen Sorgen der österreichischen Jugend, die ihnen unter den Nägeln brennen und oft auch in der Nacht den Schlaf rauben. Und genau hier müssen wir als KJÖ & KSV ansetzen, wir müssen eine Alternative aufzeigen, junge Menschen im Kampf für ihre Rechte unterstützen und ihnen eine Hoffnung geben. Deshalb erfordert die Kampagne von uns allen, dass wir noch wesentlich stärker – und nehmt euch das wirklich zu Herzen – als bisher in unserem persönlichen, beruflichen, schulischen und universitären Umfeld politisch zu wirken. Wir müssen die Missstände ansprechen, sie aufgreifen und mit unseren KollegInnen für deren Beseitigung eintreten. Wir KommunistInnen müssen uns den Ruf erarbeiten, dass wir diejenigen sind, die sich Problemen annehmen, die solidarisch sind, die nicht nur reden, sondern handeln – und genau so müssen wir unsere KollegInnen in der Schule, im Betrieb, an der Uni mitreißen. Dabei darf uns kein Problem zu gering sein und wir müssen unsere politische Arbeit in engster Verbindung mit den jungen Menschen in Schulen, Betrieben, Lehrwerkstätten, Universitäten, Fachhochschulen und Wohnvierteln gestalten. Mit Bertolt Brecht gesprochen müssen wir den Kampf „um den Lohngroschen, um das Teewasser – und um die Macht im Staat“ organisieren.
Unser Kompass und Werkzeug ist dabei der Marxismus, der es uns ermöglicht, die Welt zu erkennen. Die Lehren von Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Iljitsch Lenin und weiteren TheoretikerInnen des wissenschaftlichen Sozialismus zu verstehen, sie anzuwenden und sie schöpferisch unter unseren Gegebenheiten weiterzuentwickeln, ist eine zentrale Aufgabe der kommunistischen Jugendverbände. Erst diese klare Sicht auf die Welt ermöglicht uns, für soziale Veränderung zu kämpfen und eine revolutionäre Perspektive zu entwickeln, mit dem Ziel, Kapitalismus und Imperialismus zu besiegen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen.
Der Marxismus ist dabei auch eine wichtige Waffe, um die übermächtige bürgerliche Ideologie zurückzudrängen, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen, nicht den Weg des Opportunismus, Revisionismus und der Sozialdemokratisierung zu beschreiten, sich nicht auf Nebenschauplätze zu verzetteln, nicht in dogmatische Erstarrung zu verfallen auch nicht jede linke Modeerscheinung mitzumachen – sondern ganz klar im Hier und Jetzt, mit beiden Beinen auf den Boden stehend und festem Ziel den Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse und der Jugend zu organisieren.
Dabei geht es – ein wenig salopp ausgedrückt – nicht um Blumen für den Weltfrieden, nicht um Tauschkreise und Alternativwährungen und auch nicht um Selbstdarstellung in schwarzen Klamotten, sondern um die Frage wem das Eigentum gehört und wer die Macht im Staat hat – und wer den Kampf darum organisiert. Wir rücken diese Fragen ins Zentrum, nicht weil wir altmodisch oder unkreativ sind. Diese Fragen sind schlicht und einfach die zentralen Hebel, wenn es um eine revolutionäre Gesellschaftveränderung geht. Denn was nutzen besetzte Häuser für AussteigerInnen aus dem kleinbürgerlichen Mief, wenn ringsum ArbeiterInnenfamilien delogiert werden? Und was nutzt ein bedingungsloses Grundeinkommen, wenn die Banken und Konzerne weiterhin das Sagen haben und sich das Grundeinkommen bedingungslos durch höhere Mieten, Gesundheitsbeiträge und Lebensmittelpreise zurückholen? Der Kampf um den Lohngroschen und das Teewasser – um es nochmals mit Brecht zu formulieren – ist und bleibt für uns als kommunistische Jugendverbände die zentrale Aufgabe.
Denn wir haben uns als junge Kommunistinnen und Kommunisten nicht aus Selbstzweck organisiert, und auch nicht, weil wir nicht wissen, was wir mit unserer freien Zeit anfangen sollen. Wir haben uns organisiert, weil wir dazu beitragen wollen, dass Schülerinnen und Schüler, Lehrlinge, junge Arbeiterinnen und Arbeiter, Studierende und erwerbslose Jugendliche für ihre Interessen eintreten und sich gegen ihre Gegner zur Wehr setzen. Die Gegner der arbeitenden und lernenden Jugend sind vielfältig und stark: Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer, österreichische Bundesregierung und Europäische Union, sie sitzen in den Konzernetagen und Aufsichtsräten, sind Teil einer sogenannten parlamentarischen Opposition, die als rechtsextreme Scharlatane, grüne Pharisäer oder neoliberale Einpeitscher die Hofnarren im Parlament geben, sie sitzen in den Medienkonzerne und Militärstäben. Aber überall dort, wo wir dazu beitragen, dass arbeitende und lernende Jugendliche auch nur einen kleinen Erfolg gegen die kapitalistische Profitlogik, gegen Neofaschismus und Diskriminierung aufgrund der Herkunft, des Geschlecht oder der sexuellen Orientierung, gegen Kriegstreiberei und Umweltzerstörung erreichen, überall dort erfüllen wir unseren Sinn und Zweck als kommunistische Jugendverbände.
Und genau darauf müssen unsere Augen stets gerichtet sein, daran müssen wir unsere Arbeit messen und dabei dürfen wir uns nicht in kleinlichem Zwist und Hader verlieren. Wir wissen dabei auch, dass unsere Arbeit jeder und jedem von uns viel Kraft kostet, deswegen müssen wir besonderen Wert auf solidarischen und respektvollen Umgang legen, uns gegenseitig achten und auch Acht aufeinander geben. Nur so können wir Kraft aus unserem Kollektiv schöpfen, sehen, wie sinnvoll und nützlich unsere Arbeit ist und stolz darauf sein, dass wir als Kommunistinnen und Kommunisten immer in der ersten Reihe stehen, wenn es um die Interessen der Jugend und der Arbeiterklasse geht.
In der ersten Reihe für die Interessen der Arbeiterklasse und Jugend in Österreich und weltweit stehen wir aber nicht alleine, sondern mit uns zahlreiche Organisationen, mit denen uns die selben Ziele einen. Viele von ihnen sind heute durch Vertreterinnen und Vertreter auf unserem Bundeskongress anwesend daher möchte ich unsere Gäste ganz besonders begrüßen: Die steirischen Landtagsabgeordneten Claudia Klimt-Weithaler und Werner Murgg als SprecherInnen der KPÖ Steiermark. Neben der KPÖ Steiermark gehört zu unseren wichtigen Bündnispartnerinnen auch die Partei der Arbeit, die ich in Form ihres stellvertretenden Vorsitzenden, Tibor Zenker, begrüßen darf. Eine besondere Ehre ist es mir den Präsidenten des Weltbundes der Demokratischen Jugend, Genossen Dimitris Palmyris, bei uns willkommen heißen zu dürfen. Unser Charakter als internationalistischer Verband, auf den wir sehr stolz sind, zeigt sich auch an weiteren Gästen, die den Weg nach Graz gefunden haben: Seine Exzellenz Juan Carlos Marsan, Botschafter der Republik Kuba in Österreich. Genossin Pipitsa von der Kommunistischen Jugend Griechenlands, KNE. Genossin Diana von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend, SDAJ. Genossen Alberto vom spanischen Kollektiv junger Kommunisten, CJC. Genossin Helen und Genossen Nahom vom Verband der Jugend und Studierenden Eritreas, NUEYS. Begrüßen darf ich auch Michael Wögerer, Vorsitzender der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft! Leider für heute entschuldigen musste sich Harald Grünn, Bundesvorsitzender des KZ-Verbandes/Verband der AntifaschistInnen, was dennoch kein Grund sein darf, einmal mehr die Bedeutung der fruchtbaren Zusammenarbeit im gemeinsamen antifaschistischen Wirken zu betonen.
Liebe Gäste! Die Anwesenheit von euch allen sehen wir als Würdigung unserer Arbeit als kommunistische Jugendverbände, wir bedanken uns für das vielfältige Zusammenwirken für unser gemeinsames Ziel und wir freuen uns auf viele weitere gemeinsame Aktionen und Kämpfe, in denen wir Seite an Seite stehen. Hoch die internationale Solidarität!
Am Ende will ich noch ein paar persönliche Worte sagen: Für mich ist es heute nach sechs Jahren als Bundesvorsitzender der KJÖ das letzte Mal, dass ich einen Bundeskongress eröffnen darf und ich mache das ohne weinendem, sondern mit zwei lachenden Augen. Als ich vor etwa zehn Jahren, am Tiefpunkt der endgültigen Spaltung der kommunistischen Bewegung durch die revisionistische Führung der Bundes-KPÖ und am Höhepunkt der Krise der KJÖ, mit nur acht weiteren GenossInnen auf einem Bundeskongress in Salzburg gesessen bin, stand kurz nicht die Frage des Wie weiter, sondern des Ob überhaupt im Raum. Wir haben uns auch damals das Lebensmotto des antifaschistischen Widerstandskämpfers und langjährigen Freunds der KJÖ, Rudi Haunschmid, zu Herzen genommen: „Aufgeben tut man einen Brief.“
Wenn wir morgen eine neue Bundesleitung wählen, so werden auf dem Wahlvorschlag zwei Dutzend kommunistische Jugendfunktionärinnen und –funktionäre zur Wahl stehen, die als BetriebsrätInnen und GemeinderätInnen, Bezirksräte und UniversitätsmandatarInnen, GewerkschaftsaktivistInnen, SchülerInnenvertreter und ÖH-ReferentInnen für und mit hunderten und tausenden jungen Menschen revolutionäre Politik entwickeln. Und ich bin überzeugt, dass wir den erfolgreichen Kurs von KJÖ & KSV auch in den künftigen Monaten und Jahren fortsetzen können. Um ein letztes Mal mit Bertolt Brecht zu sprechen: „Ändern wir die Welt, sie braucht es!“
Und die Welt ist auch veränderbar – und zwar von uns! Die Geschichte der revolutionären ArbeiterInnenbewegung – von der Paris Kommune über die Oktoberrevolution, die sozialistischen Staaten, die kubanische Revolution bis hin zu den heutigen antiimperialistischen Befreiungsbewegungen – zeigt, dass die Mächtigen zu zittern beginnen, wenn sich die vermeintlich Schwachen zusammenschließen.
Daran anknüpfend, liegt – wie es in unserem Zukunftsprogramm heißt – unsere Hoffnung im Aufbau von Widerstandsstrukturen in Österreich, Europa und weltweit. Für uns gibt es keine Alternative zur aktiven, unermüdlichen, solidarischen, demokratischen Organisation der revolutionären Gegenmacht. Nur durch Widerstand von unten können die Angriffe des Kapitals auf soziale und demokratische Rechte abgewehrt werden und das System schließlich gestürzt werden. Unser Ziel ist und bleibt es, mit Karl Marx gesprochen, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“
In diesem Sinne, liebe Genossinnen und Genossen:
Für Frieden, Demokratie und Sozialismus!
Wir kämpfen gegen Faschismus, Kapitalismus und Krieg!
Rotfront und Freiheit!