Wir dokumentieren die Eröffnungsrede des 17. Bundeskongresses durch unseren Bundesvorsitzenden David Lang
Liebe Genossinnen und Genossen!
Es ist mir eine große Freude euch zum 17. Bundeskongress der Kommunistischen Jugend Österreichs und des Kommunistischen StudentInnenverbands begrüßen zu dürfen. Besonders herzlich darf ich unsere internationalen Gäste und jene von uns eng verbundenen Organisationen in Österreich begrüßen.
Liebe Gäste! Die Anwesenheit von euch allen sehen wir als Würdigung unserer Arbeit als kommunistische Jugendverbände, wir bedanken uns für das vielfältige Zusammenwirken für unser gemeinsames Ziel und wir freuen uns auf viele weitere gemeinsame Aktionen und Kämpfe, in denen wir Seite an Seite stehen werden.
Vor zwei Jahren haben wir unseren Bundeskongress in Graz abgehalten. Dort wurde unsere Kampagne „Generation Widerstand“ diskutiert und beschlossen. Vielleicht wäre man verleitet zu fragen: „Und? Was hat’s gebracht?“ Und tatsächlich sind die fundamentalen Erkenntnisse über die Verfasstheit, der Welt, in der wir leben, und dem Land, in dem wir leben, wenig verändert. Wir haben damals nachwievor völlig zutreffend festgestellt:
Unsere Generation wird die erste der Nachkriegszeit sein, die hinter den Lebensstandard ihrer Eltern-Generation zurückfallen wird. Diese düstere Zukunftsaussicht ist längst zur Tatsache und für hunderttausende junge Menschen in Österreich zur beklemmenden Alltagserfahrung geworden. Die große Mehrheit der SchülerInnen, Lehrlinge, jungen ArbeiterInnen, Studierenden sowie der erwerbslosen Jugendlichen ist in Österreich unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus mit finanziellen Sorgen, Stress, Versagensängsten, sozialer Kälte, fehlenden Zukunftsperspektiven und steigendem Leistungsdruck konfrontiert. Normal-Arbeitsverhältnisse weichen unter dem Zauberwort „Flexibilisierung“ nicht-existenzsichernden Arbeitsbedingungen. Wir sind die „Generation Praktikum“, die sich schlecht oder gar nicht bezahlt von Job zu Job hantelt und dabei auf immer mehr soziale Rechte verzichten muss.
An dieser Situation hat sich – auch wenn ich heute gerne anderes berichten würde – nicht viel verbessert. Im Gegenteil: Unsere vom Imperialismus verwüstete Welt bietet 2016 noch mehr ein Bild, dass geradezu nach Veränderung schreit, die Bedingungen unter denen junge Menschen in Österreich leben, haben sich kein Stück weit verbessert und das Kapital sitzt nachwievor fest in jenem Sattel, der auf dem Rücken der ArbeiterInnenklasse, der armen Bevölkerungsschichten und der unterdrückten Völker weltweit rastet. All jene sind es, die die tonnenschwere Gewalt des Kapitals tagein, tagaus erfahren müssen. Doch damit die Welt nicht bleibt, wie sie ist, haben wir uns zusammengeschlossen.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Dieser Kongress findet in bewegten Zeiten statt: Europaweit erleben wir tiefe soziale Einschnitte infolge der globalen Krise des Kapitalismus. Weltweit zerstören imperialistische Kriege und neokoloniale Ausbeutung die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen, denen nichts bleibt, außer die Flucht aus ihren Heimatländern. Die Reaktionen auf diese Fluchtbewegungen haben unsere Gesellschaft tief gespalten, wir haben eine breite Welle der Solidarität ebenso erlebt wie rassistische Mobilisierungen. Die herrschenden Eliten nützen dies, um ihre Angriffe auf die Rechte der ArbeiterInnenklasse, der Jugend und der armen Bevölkerungsschichten auszuweiten und im Zusammenspiel mit der extremen Rechten MigrantInnen zu Sündenböcken abzustempeln.
Wir wollen bei diesem Kongress Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit finden und Strategien diskutieren, wie wir die sozialen Kämpfe der Jugend und der ArbeiterInnenklasse, die Schaffung einer neuen Friedensbewegung und die Solidarität mit den Opfern imperialistischer Kriege zusammenführen können. Es ist unsere Aufgabe als junge Kommunistinnen und Kommunisten uns auf allen Ebenen entschlossen zu organisieren. Sei es gegen Kriegstreiber in Militärstäben, EU- und NATO-Gremien, sei es gegen die Sozialabbauer in Bundesregierung und Parlament, sei es gegen rechte Hetzer, die stets nach oben buckeln und nach unten treten, oder gegen Massenarbeitslosigkeit und unerträgliche Zustände an Arbeitsplatz und Schule.
All dem und noch vielem mehr wollen wir mit unserem Bundeskongress entgegen treten, unsere Analysen schärfen, uns für kommenden Kämpfe fit machen, unsere Strukturen weiter konsequent aufbauen, unsere Ziele, unsere Taktik und Strategie noch greifbarer und konkreter machen und damit unser stetiges Ringen um eine Gesellschaft frei von Ausbeutung vorantreiben. Uns ist bewusst, dass hier noch ein steiniger Weg vor uns liegt, wir auch auf struktureller Ebene zahlreiche Verbesserungen durchführen müssen und jederzeit unsere Arbeit kritisch auf Inhalte, Erfolge und Fehler reflektieren müssen. Dazu soll der 17. Bundeskongress einen wichtigen Schritt darstellen.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Die Verheerungen, mit denen der Imperialismus speziell die Länder Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens überzogen hat, haben in den letzten Jahren zu einer noch weiteren Destabilisierung, der Vernichtung zivilisatorischer Errungenschaften und halbwegs abgesicherter Lebensbedingungen geführt. Damit verbunden wurden Abermillionen Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Neben dem Erlangen von Rohstoffen, Zugang zu Handelswegen und dem lukrativen Geschäft mit dem Wiederaufbau von zuvor durch NATO-Bomben Zerstörtem, liegen imperialistische Interessen im globalen Machtkampf auch in der umfassenden Neuordnung ganzer Weltregionen. Dabei reicht das Instrumentarium der Durchsetzung dieser Interessen von sogenannten wirtschaftlichen „Strukturanpassungen“, Handelssanktionen und an Kredite gebundenen Zwang zu Privatisierungen über mediale Kampagnen, geheimdienstliche Aktivitäten und direkte militärische Interventionen bis hin zur Politik des „regime change“, wobei Staaten durch finanzielle und logistische Unterstützung sowie militärische Bewaffnung sogenannter „Aufständischer“ destabilisiert werden. Diese Politik produzierte nicht nur eine Reihe sogenannter „failed states“, sondern trug auch maßgeblich zur Erstarkung fundamentalistischer Kräfte wie dem „Islamischen Staat“ in Syrien oder zum Wiederaufstieg faschistischer Kräfte wie in der Ukraine bei.
Weltweit betrachtet ist die Gefahr eines globalen Krieges so groß wie seit langem nicht mehr. Über 100 Jahre nach Ausbruch der Menschheitstragödie des Ersten Weltkrieges kämpfen die imperialistischen Blöcke mit zunehmender Härte um Macht und Einfluss auf der Welt. Wie in einem Strategiespiel, in dem jeder gegen jeden kämpft, sind hier zeitweise Bündnisse zwischen den einzelnen Playern gegen mächtigere oder zur gemeinsamen Zerschlagung kleinerer Mitspieler möglich. Letzten Endes geht es aber darum, selbst die Vorherrschaft zu erlangen. Auch wenn es im Moment so scheint, als überwiege das gemeinsame Interesse der Metropolen gegenüber den peripheren Ländern, was z.B. im „Krieg gegen den Terror“ wie auch im geplanten Freihandelsabkommen TTIP zum Ausdruck kommt, werden die Risse in den Bündnissen der imperialistischen Staaten immer deutlicher erkennbar.
Nach 1945 trat der Imperialismus in eine Phase geringerer zwischenimperialistischer Auseinandersetzungen ein. Die hochentwickelten kapitalistischen Länder gaben unter Führung der USA ihre bisherigen Kämpfe gegeneinander auf. Auch damals waren die USA, was sie heute unverändert sind: eine imperialistische Macht, die aber nicht gegen andere kapitalistische Länder kämpfte, sondern gemeinsam mit vor allem den NATO-Staaten gegen die Sowjetunion und deren Verbündete. Mit dem Wegfall des Kalten Krieges, wurden die Karten im Ringen um die besten Ausbeutungsbedingungen wieder neu gemischt.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Wie gesagt ist eine Zuspitzung zwischenimperialistischer Widersprüche klar feststellbar. So kann es vorkommen, dass die Eliten hierzulande große Töne gegen den US-Imperialismus von sich geben, wohinter jedoch keineswegs humanitäre Anschauungen oder gar Antiimperialismus stehen. So verurteilten die deutschen und österreichischen Jugoslawien-Kriegstreiber den Krieg der USA, Großbritanniens, Italiens und anderer Mächte gegen den Irak, hatten sie doch lukrative Erdölverträge. Hier zeigt sich, dass sich die imperialistischen Mächte bei ihren Expansionsplänen gegenseitig im Weg stehen bzw. die einen sehr komfortabel mit dem aktuellen Despoten leben können, während andere Kapitalfraktionen wiederum Interesse an einem sogenannten „regime change“ haben.
Im Verhältnis der imperialistischen Mächte gibt es Abstufungen. Beispielsweise verhält sich Russland, das im Gegensatz zu oftmals falschen Analysen natürlich ein kapitalistisches und imperialistisches Land ist, gegenwärtig zurückhaltender als die NATO als solche und die USA im Speziellen. Wenngleich es zeitweilige Interessensgleichheiten mit antiimperialistischen und fortschrittlichen Staaten geben mag, setzten sich in und außerhalb Russlands dennoch die Interessen der nationalen Bourgeoisie durch. Es handelt sich dabei um Imperialismus in Defensivposition, was sich auch daran zeigt, dass im Rahmen der Auseinandersetzungen um und in der Ukraine hier ein eher deeskalativer Kurs verfolgt wird. Und genau hier zeigen sich auch die unterschiedlichen Interessen verschiedener Kapitalfraktionen. Wenn Österreich versucht, eine mehr oder weniger vermittelnde Rolle einzunehmen, liegt dies in erster Linie daran, dass gewichtige österreichische Banken, Versicherungskonzerne und Unternehmen vor Ort tätig sind, die wichtige Handelsbeziehungen mit Russland unterhalten. Beim Angriffskrieg auf Jugoslawien war die Situation eine andere: Auch im Interesse österreichischer Banken und Konzerne wurde Krieg geführt und nun spielt Österreich in diesem Raum über wirtschaftliche Einflussnahme oder den Defacto-Besatzungszustand in Bosnien-Herzegowina eine regionalimperialistische Rolle. Dies gilt es klar zu benennen, die Profiteure von millionenfachem Leid aufzuzuzeigen und nachhaltig zu bekämpfen.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Vieles wird in aktuellen gesellschaftlichen Debatten vermengt. Die ökonomischen Bedingungen, der von den Herrschenden in ihrem endlosen Zynismus als „Flüchtlingskrise“ bezeichneten, großen Fluchtbewegungen, gilt es schonungslos offenzulegen. Die Verantwortung tragen jene, die in den Staaten der Fliehenden Zustände herstellen oder dabei helfen Zustände herzustellen, die so unerträglich sind, dass sich Menschen dazu gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen. Die Staaten im kapitalistischen Zentrum Europas haben Nordafrika mit Billigfleisch und Waffen bombardiert, als Antwort erhalten sie die durch ökonomischen Druck erwerbslosen und durch Krieg und Terror in ihrem Leben bedrohten Menschen gewissermaßen zurück. Es sind die kapitalistische Wirtschafts- und die imperialistische Herrschaftsordnung, die zuerst Elend und Leid und in weiterer Folge Fluchtursachen produziert. Dies liegt an dem unersättlichen Wahn – um in der Marxschen Formel zu sprechen – aus G immer G‘ machen zu müssen, also die Profite stetig zu steigern, aus Geld mehr Geld machen zu müssen. Dazu muss eine Nutzbarmachung passieren: der Kapitalismus kennt in seinem Wesen Pflanzen nur als Nutzpflanzen, Tiere nur als Nutztiere und Menschen nur als Nutzmenschen. Die gegenüber Pflanzen überhaupt nicht, bei Tieren nur ganz schwache und bei Menschen nur in Zeiten, wo der Kapitalismus floriert, etwas stärkere Einschränkung dieses Nützlichkeitsprinzips, dem alles unterworfen wird, sollte den Blick auf dieses Wesen nicht trüben – in zugespitzten Kriegs- und Krisenzeiten schockiert er sonst den Sehenden.
Die ökonomische Kriegsführung ist aber nichts, dass ausschließlich von Ländern der kapitalistischen Zentren gegenüber Ländern der sogenannten Dritten Welt geschehen würde. In Europa fungiert hierbei die Europäischen Union als zentrales Herrschaftsinstrumentarium des Kapitals. Als ein Beispiel soll das Agieren des Kapitals in der jüngeren Vergangenheit in Griechenland dienen. Hier wurde vorexerziert, wie in einer schier beispiellosen Offensive der großen Kapitalbesitzer und ihres politischen Personals der letzte Rest hart erkämpfter sozialer und demokratischer Rechte in ganz Europa geschliffen werden soll.
Die Geschichte hat jene, die in größter Euphorie im Halbjahrestakt einen neuen „linken“ Messias feiern, wieder einmal eines Besseren belehrt. Das Programm der griechischen SYRIZA, dem Eigennamen nach die „Koalition der radikalen Linken“, war und ist kein „linkes“ oder gar „radikales“ Programm. Es war bestenfalls sozialdemokratisch. Eine sehr klassische Spielart von Arzt-am-Krankenbett-des-Kapitalismus-spielen. Aber ach, was waren da die europäischen Eliten kurze Zeit in Schockstarre. Wie ein Kind, das in Unwissenheit etwas Gefährliches angestellt hat, wurde eine ganze Nation von den europäischen Eliten zurecht gewiesen und gedemütigt. Nun, mittlerweile hat die griechische Regierung in einem atemberaubenden Tempo den Weg der historischen Sozialdemokratie beschritten und setzt mittlerweile ohne Gewissensbisse brutale Angriffe auf die Bevölkerung um. Das soll für uns kein Grund zur Freude sein, weil wir es ja ohnehin gewusst besser hatten, als jene, die brav für das kapitalistische Schoßhündchen in spe applaudiert haben. Dazu ist die Lage zu ernst. Es soll uns aber erneut Anlass sein, zu bekräftigen, dass sämtliche Illusionen in die EU unverzüglich über Bord zu werfen sind.
Was aktuell passiert und was passiert ist, stellt keinen Betriebsunfall der EU dar, sondern die Vollstreckung all dessen, was in den sie konstituierenden Verträgen – von Maastricht bis Lissabon – festgeschrieben wurde. Wie soll es auch anders sein? Die EU ist ein Bündnis von 28 kapitalistischen Staaten, aus deren Addition schlichtweg nichts Fortschrittlicheres entstehen kann als ein kapitalistisches Zweckbündnis; hierarchisch und nach den Erfordernissen der kapitalistischen Profitmaximierung organisiert – und zwar so, dass die Starken die Schwachen fressen, innerhalb der einzelnen Staaten wie auch auf übergeordneter Ebene. Die EU dient den Eliten im Gegenteil sogar noch zu einem verschärften Raub sozialer und demokratischer Rechte, da sie viele Gesetzesinitiativen der Bevölkerung so weit entrückt hat, dass diese ihr einfach rüber gestülpt werden, während sich nationale Regierungen am Widerstand von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen oder demokratischen Initiativen von unten die Zähne ausbeißen könnten. Damit wurden in den letzten Jahren Macht- und Herrschaftsverhältnisse ohne Wissen der Bevölkerung auf Generationen einzementiert, wie etwa der Fiskalpakt, der Staaten, Ländern und Kommunen Strafzahlungen androht, wenn sie die Haushaltsvorgaben aus Brüssel nicht einhalten – beispielsweise weil sie Geld in die Hand nehmen um Arbeitsplätze oder Wohnraum zu schaffen! Mit dem Voranschreiten von TTIP und ähnlich gearteten Freihandelsverträgen würde all dies einer erneuten Verschärfung zugeführt werden.
Und wer meint, dass die Europäische Union ein Bollwerk gegen das Erstarken des Nationalismus wäre, muss ernsthaft die Gegenfrage beantworten, ob denn nicht gerade die EU mit ihrer Politik des Sozial- und Demokratieabbaus den Boden für das Aufkommen rechtspopulistischer, rechtsextremer und neofaschistischer Kräfte in ganz Europa aufbereitet. Und ob wir jenen Herrschaften, die das tausendfache Sterben an den Außengrenzen der EU bestenfalls schulterzuckend zur Kenntnis nehmen, wirklich glauben, dass sie ein Bollwerk gegen den Nationalismus bilden? Unsere Losung kann nur der Austritt Österreichs aus und die Zerschlagung der EU sein.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Ich habe schon viel zum globalen Imperialismus gesagt. Und Zuspitzungen passieren nicht nur auf einer weltweiten, sondern auch auf einer kontinentalen und nationalen Ebene. Es kommt in beinahe ganze Europa zu einem deutlichen Erstarken rechtspopulistischer, rechtsextremer, verdeckter und offen faschistischer Kräfte. Ohne Gegenmaßnahmen steuern wir auf nicht weniger als eine humanitäre Eiszeit entgegen. Und mit der FPÖ steht eine Partei bereit, die im vergangenen Jahr bereits mehrfach bewiesen hat, dass sie es versteht, das vergiftete Klima in WählerInnenstimmen umzumünzen. Strache als Bundeskanzler, das ist nicht länger eine alarmistische Drohkulisse, sondern – man muss es in dieser Deutlichkeit aussprechen – das wahrscheinlichste Szenario.
Das Klima der wachsenden Unsicherheit ist gegenwärtig Wasser auf den Mühlen der Rechten.
Die Unsicherheit über die eigene soziale Situation, die Angst vor dem Morgen, kriecht tief in alle Poren unserer Gesellschaft: Behalte ich meinen Arbeitsplatz, finde ich nach der Ausbildung einen Job, bekomme ich eine Pension? Derart grundlegende Fragen gehen Millionen Menschen in diesem Land seit vielen Jahren durch den Kopf. Die tiefgreifende weltweite Krise des kapitalistischen Systems erschüttert die Lebensbedingungen breitester sozialer Schichten auch hierzulande – und bleibt freilich nicht ohne Folgen auf das Denken und Fühlen der Menschen.
In Europa wird es zu einem weiteren Abbau sozialer Standards kommen, unter dem Vorwand, die Attraktivität für arme MigrantInnen beseitigen zu müssen und unter der Ausnutzung rassistischer Ressentiments, die vielfach vorhanden sind. Ähnlich verhält es sich mit demokratischen Rechten: Zwecks „Gefahrenabwehr“ wird das Asylrecht eingeschränkt, der Polizeistaat ausgebaut, werden demokratische Rechte beschnitten, wird der Datenschutz ausgehöhlt. Die Debatten um und die Beschlüsse von Kürzungen von Sozialleistungen wie der ohnehin nicht Existenz sichernden Mindestsicherung, weisen den Weg, den die Herrschenden beschreiten wollen. Dies geschieht in vielen Fällen gänzlich ohne die Beteiligung rechtsextremer Parteien. In Österreich kann mittlerweile getrost festgehalten werden, dass unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler bestimmte Forderungen einer FPÖ ohnehin umgesetzt werden.
Ergänzung dazu liefert die soziale Demagogie der Rechten. Nicht der Chef, der Banker, ein Vertreter der herrschenden Klasse oder das kapitalistische System seien schuld an schlechten Arbeitsbedingungen, Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit, sondern der Fremde, der „Asylant“, der „Sozialschmarotzer“. Es geht um die Spaltung der ArbeiterInnenklasse und es wird dafür gesorgt, dass sich Proteste nicht gegen die Herrschenden richten.
Es kann passieren, dass man sich angesichts der schieren Überlegenheit des Kapitals auf so vielen Ebenen hilflos fühlt und oft ist es schlichtweg unerträglich, wie viele Menschen, auch noch die dümmsten Lügen, die niederträchtigsten Irreführungen und die stumpfsinnigste Hetz nachplappern und für bare Münze halten. Es ist erschreckend, wie entmenschlicht bestimmte Debatten geführt werden und welche perfiden Dämonisierungen Anwendung finden. Das fängt beim rassistischen Facebook-Kommentar an, geht über erlogene Diebstähle von „Fremden“ weiter, führt zur Gründung von sogenannten „Bürgerwehren“ und mündet in pogromartigen Stimmungen vor Asylheimen und auf Bürgerversammlungen. Einen besonderen Grad an Widerwärtigkeit hat die Debatte nach den kolportierten Ereignissen von Köln erfahren, wo sich Opfer von sexualisierter Gewalt nun plötzlich vor den rassistischen Karren gespannt sehen und all jene, die Frauenrechte ansonsten meiden wie der Teufel das Weihwasser, in Frauenhäusern den Untergang der Familie sehen und für die „Po-Grapschen“ zum normalen Umgang gehört, Gewalt an Frauen als Bestätigung für ihre menschenverachtende Agenda auserkoren haben. Wir müssen Klarheit bewahren und weit verbreiteten bürgerlich-moralischen Kategorien und Unterteilungen in Gut- und Schlechtmenschen eine klare Absage erteilen und hierauf mit Klassenkampf, Analyse, Aktion und Organisierung antworten. Werden wir nicht müde, die einfachen Wahrheiten über die Bedingungen, unter denen die Menschen leben müssen, so prägnant auf den Punkt zu bringen, wie dies in der Proletenpassion, jenem Monumentalwerk über die Geschichte der Geknechteten, von den Schmetterlingen formuliert wurde: „Wer möglichst viele Möglichkeiten hat, dessen Freiheit ist es. Hat der Arbeiter möglichst viele Möglichkeiten, ist es die Freiheit des Arbeiters. Hat das Kapital möglichst viele Möglichkeiten, ist es die Freiheit des Kapitalisten. Schau um dich, wer möglichst viele Möglichkeiten hat, und du weißt, wessen Freiheit das ist.“
Liebe Genossinnen und Genossen!
Eng verwoben mit dem scheinbar alles überdeckenden rassistischen Diskurs ist in einer boshaften Vermischung die Diskussion über religiös verbrämten Terror. Der voranschreitenden gesetzlichen und politischen Repression im EU-Krisenregime wurde mit den Anschlägen in Paris ein großer Gefallen getan und die rechten Hetzer bedienen sich ein-em verlogenen Gelaber von Betroffenheit, um ihre politische Agenda noch weiter in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Der Blick in die USA zeigt, dass der „war on terror“ nach außen zu Krieg und Verwüstung, nach innen zu polizeistaatlicher Repression und Rassismus führt. Dies sind die Entwicklungen, die in Europa zu erwarten sind und sie passen sehr gut in die Krisen“lösungs“strategien von IWF, EZB und EU-Kommission.
Dabei sind alle von den vermeintlich Mächtigen vergossenen Krokodilstränen als das zu bezeichnen, was sie sind: nichts als Heuchelei! Fortschrittliche Bewegungen in diesen Regionen wurden und werden im besten Fall mit Argwohn betrachtet oder ausgeblendet, im schlechtesten Fall direkt oder indirekt bombardiert.
Machen wir klar: FPÖ, Front National, AfD, Identitäre, PEGIDA und IS-Strukturen sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Sie verbindet bei einem genaueren Blick mehr, als sie trennt. Sie beantworten die soziale Frage autoritär und gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung. Die krisenbedingte Zuspitzung von sozialen Widersprüchen wirkt als Wasser auf ihren Mühlen. In ihren gesellschaftlichen Vorstellungen sollen die Menschen eine ganz bestimmte Rolle erfüllen: sei dies eine rassistische, religiöse, sexistische und/oder nationalistische. Es sind Weltbilder, die auf der Ungleichheit von Menschen beruhen. Sie geben einfache Antworten und Verschleiern die tatsächlich Verantwortlichen in Regierungen, Parlamentssitzen und Konzernvorständen, den gesellschaftsbestimmenden Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit und das daraus produzierte Ausbeutungsverhältnis. Sie wirken somit systemstabilisierend.
Die nun von den Eliten beschworene Front zur Verteidigung „europäischer Werte“ ist eine große mediale Show, die zur Legitimation weiterer Angriffe auf soziale und demokratische Rechte herangezogen werden wird. Denn wer Demokratieabbau, Rassismus, Krieg und Sozialabbau sät, erntet eben zweierlei Irrationales: FPÖ und Co. einerseits und Jihadismus andererseits.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Um den Vormarsch der Rechten zu stoppen, braucht es eine starke, organisierte Gegenmacht, die die Spaltung der arbeitenden Menschen beseitigt und das Prinzip des „Nach oben buckeln, nach unten treten“ umkehrt. Wir brauchen eine kommunistische Bewegung, die sich der alltäglichen Probleme der Jugend, der ArbeiterInnenklasse und der armen Bevölkerungsschichten annimmt und mit ihnen Widerstand gegen die alltäglichen Zumutungen in der Arbeit, Schule oder Uni aufbaut. Die Solidarität organisiert und gemeinsame Interessen aufzeigt. Eine Bewegung, die Klassenkampf und antirassistische Aufklärungsarbeit verbindet und widerständisches Bewusstsein verankert. Wie dies am geeignetsten passieren kann, wird uns noch viel Kopfarbeit und unterschiedliche Organisierungsversuche kosten.
Kurt Gossweiler schrieb über den Charakter des antifaschistischen Kampfes, dass dieser »quer durch Klassen und Schichten« gehen müsse. »Verschiedenartigste politische Richtungen« müssten durch das gemeinsame Ziel eingebunden werden. Gossweiler knüpft dabei an die Erkenntnisse der Kommunistischen Internationale an. Die hatte spätestens 1935 auf ihrem VII. Weltkongress Lehren für ihre Bündnispolitik gezogen. »Die Massen muss man so nehmen, wie sie sind, und nicht so, wie wir sie uns wünschen. Ihre Zweifel und Schwankungen werden sie einzig und allein im Laufe des Kampfes überwinden.« So Georgi Dimitroff, der das Hauptreferat auf dem Kongress hielt. Auch für heute sind diese Orientierungen hilfreich. Denn darin steckt eine Absage, Antifaschismus ausschließlich als eine jugendliche, subkulturelle Szene zu verstehen. Effektive Gegenwehr und der Aufbau von widerständischen Strukturen kann nur mit dem Anspruch der Breitenwirksamkeit funktionieren – das freilich immer ohne kommunistischen Charakter zurückzustecken.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Wir dürfen nie vergessen, warum wir als Kommunistinnen und Kommunisten organisiert sind. Wir sind nicht deshalb organisiert, weil wir von oben herab auf Menschen hinabblicken wollen, denen bestimmte Einsichten bis jetzt verwehrt geblieben sind. Wir sind nicht organisiert, um uns im Hinterzimmer gegenseitig vorzurechnen wie richtig unsere Erkenntnisse sind. Wir sind nicht organisiert, um besserwisserisch mit erhobenem Zeigefinger in der Ecke zu stehen. Wir sind aus dem ganz banalen Grund organisiert, weil es notwendig ist. Es ist die Einsicht in die Notwendigkeit, dem System der Menschenfeinde unerbitterlich die Stirn zu bieten. Wir sind organisiert um für und gemeinsam mit der breiten Mehrheit derer, die nicht zu den Ausbeutern und Mördern gehören, gemeinsam zu kämpfen. Dafür braucht es einen langen Atem, Ausdauer, konsequentes und durchdachtes Handeln in unserem Tun. Angesichts der im Grunde genommen desaströsen Lage, in der sich die kommunistische und ArbeiterInnenbewegung in vielen Bereichen findet, muss Vieles, das verraten und verkauft wurde, wiederaufgebaut werden. Wir sind es, die die Mühen der Ebene zu durchschreiten haben werden. Denn die allerrevolutionärste Erklärung nutzt uns nichts, wenn einen Stock drüber die Nachbarfamilie delogiert wird. Und die allerradikalste Pose kannst du dir auf gut Österreichisch auf den Bauch picken, wenn die Arbeiterin und der Schüler, der Lehrling und die Arbeitslose kein Wort von dem versteht, was du denn da zu sagen versuchst. Es geht für uns nicht um Selbstdarstellung, sondern um die Frage danach, wer denn die Macht im Staat hat und zu wessen Wohl die Gesellschaft, in der wir leben, geschaffen ist.
Nehmen wir uns die Worte von Antonio Gramsci zu Herzen, als dieser im Rahmen der Rätebildung in und um Turin zum 1. Mai 1919 die Losung ausgab und ein Jahr später 200.000 ArbeiterInnen in einen zehntägigen Generalstreik traten: „Bildet euch, denn wir brauchen all eure Klugheit. Bewegt euch, denn wir brauchen eure ganze Begeisterung. Organisiert euch, denn wir brauchen eure ganze Kraft.“
Und genau darauf müssen unsere Augen stets gerichtet sein, daran müssen wir unsere Arbeit messen und dabei dürfen wir uns nicht in kleinlichem Zwist und Hader verlieren. Wir wissen dabei auch, dass unsere Arbeit jeder und jedem von uns viel Kraft kostet, deswegen müssen wir besonderen Wert auf solidarischen und respektvollen Umgang legen, uns gegenseitig achten und auch Acht aufeinander geben. Nur so können wir Kraft aus unserem Kollektiv schöpfen, sehen, wie sinnvoll und nützlich unsere Arbeit ist und stolz darauf sein, dass wir als Kommunistinnen und Kommunisten immer in der ersten Reihe stehen, wenn es um die Interessen der Jugend und der Arbeiterklasse geht und dabei nie den Kompass des Marxismus-Leninismus aus der Hand legen.
Es liegt an uns eine Alternative zur Vereinzelungs-, Isolations- und Ellenbogenpropaganda des Kapitals in Theorie und Praxis zu entwickeln und vorzuleben. Es braucht eine Gegenerzählung der kollektiven Handlungsweisen, der Solidarität und des gemeinsamen Kampfes, den es sich zu kämpfen lohnt. Nur wenn wir so die Herzen und Hirne der Menschen erreichen, die Ausgebeuteten, Diskriminierten, Marginalisierten und Entrechteten in unsere Kämpfe einbinden, können diese wachsen und schließlich erfolgreich sein. Zuerst auf kleiner Ebene und dann beim Kampf ums Ganze. Denn sehr viel Wahrheit liegt in der einfachen Feststellung von Brecht, wenn er im „Lob des Revolutionärs“ schreibt, dass der Revolutionär, die Revolutionärin den Kampf organsiert: um den Lohngroschen, um das Teewasser / Und um die Macht im Staat.“
Liebe Genossinnen und Genossen!
Ich habe eingangs gesagt, dass das Kapital nachwievor fest in jenem Sattel, der auf dem Rücken der ArbeiterInnenklasse, der armen Bevölkerungsschichten und der unterdrückten Völker weltweit rastet, sitzt. All jene sind es, die die tonnenschwere Gewalt des Kapitals tagein, tagaus erfahren müssen. Ja, wir und mit uns gemeinsam müssen Milliarden Menschen diese Last erfahren. Wir müssen sie erfahren, aber das heißt noch lange nicht, dass wir sie auch ertragen müssen! Das heißt noch lange nicht, dass wir diese Last nicht abwerfen können!
In diesem Ringen stehen auf der einen Seite stehen die kapitalistischen Räuber und imperialistischen Mörder, auf der anderen Seite stehen wir. Wir stehen dabei nicht alleine: Mit uns stehen weltweit unzählige Menschen, die gegen Konzernmacht, Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen – für Frieden, Demokratie und Sozialismus. Für uns steht fest, dass eine grundlegende Sicherung des Friedens mit den imperialistischen Mächten und Wirtschaftsverhältnissen nicht zu machen ist. Nur wenn die Macht des internationalen Großkapitals erst zurückgedrängt und letztendlich gebrochen wird, kann die Kriegsgefahr nachhaltig gebannt werden. Letzten Endes kann erst der Sozialismus einen weltweiten und andauernden Frieden gewährleisten.
Erst eine sozialistische Gesellschaft kann das Recht auf Arbeit und ein soziales und demokratisches Bildungssystem garantieren und damit sicherstellen, dass alle Menschen von Anfang an in die Gesellschaft eingebunden sind, ihnen eine breite Allgemeinbildung und vor allem praktisches wie theoretisches Wissen in ihren Interessensfeldern geboten wird.
Dabei ist der Sozialismus keine Utopie von Weltverbesserern. Er ist eine geschichtliche Notwendigkeit und er ist machbar. Auch wenn er vielen heute und morgen nicht möglich erscheint, so er ist doch heute und morgen dringend notwendig: Für eine lebenswerte Zukunft jenseits kapitalistischer Ausbeutung, imperialistischen Kriegen, Ausgrenzung, Armut, Umweltzerstörung, Rassismus, Sexismus und Unterdrückung!
Abschließend will ich mit Jura Soyfers Lied vom einfachen Menschen sprechen:
Menschen sind wir einst vielleicht gewesen
Oder werden’s eines Tages sein,
Wenn wir gründlich von all dem genesen,
Aber sind wir heute Menschen? Nein!
Wir sind der Name auf dem Reisepaß,
Wir sind das stumme Bild im Spiegelglas,
Wir sind das Echo eines Phrasenschwalls
Und Widerhall des toten Widerhalls.
Wir sind das schlecht entworf’ne Skizzenbild
Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt.
Ein armer Vorklang nur zum großen Lied.
Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit!
Also lasst uns die Welt des neuen Menschen erbauen! Lasst uns die verfluchten Fesseln abwerfen!
Rotfront! Freiheit! Hoch die internationale Solidarität!