Oft hört man, dass die Regierung „etwas arbeiten“ solle. Was sich nett anhört, kann aber durchaus als offene Drohung interpretiert werden. In der üblichen Dramatik sind jetzt Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP offenbar zu einem Ende gegangen. Der Ausgang ist wenig überraschend und immer wenn die Regierung dann tatsächlich „arbeitet“, wird eifrig an  Angriffen auf breite Teile der Bevölkerung gewerkt. Der von den üblichen Verdächtigen in halbreligiösem Wahn gepriesene „Plan A“ des Bundeskanzlers und Heilands Kern hat sich unterm Strich als Umsetzung langjähriger Forderungen des Kapitals entpuppt. In dem gut 30-seitigen Programm sind nun allerhand Schweinereien und ebenso viele schöne Worte und leere Phrasen enthalten. Vorweg gegriffen drängt sich die Frage auf: „Wuin de uns veroaschen?“ Doch schauen wir uns das doch mal im Detail an.

Senkung der Lohnnebenkosten

Ein Klassiker in Forderungsprogrammen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung ist die Senkung der Lohnnebenkosten. Jene Abgaben also, die Leistungen des Gesundheitssystems, Pensionen, Arbeitslosengeld, Unfallversicherung, etc. finanzieren. Weiters werden aus diesen Abgaben Urlaubs- und Weihnachtsgeld finanziert. Nachdem die Lohnnebenkosten bereits um eine Milliarde gesenkt wurden, steht somit der nächste Schlag ins Gesicht der österreichischen Bevölkerung vor der Tür.

„Arbeitsplätze fördern“ und Kündigungsschutz aufweichen

Es ist geplant 20.000 Arbeitsplätze für Arbeitslose über 50 zu fördern. Unternehmen bekommen also Geld vom Staat, wenn sie einstellen. Im gleichen Atemzug kommt es zu einer Auflockerung des Kündigungsschutzes von Beschäftigen derselben Altersgruppe. Was das heißt, ist einfach aufzulösen: ältere (und damit auch aufgrund von längeren Beschäftigungszeiten und entsprechenden Lohnstufen für den Chef teurere) Beschäftigte können leichter gekündigt werden. Dafür kriegen dann Unternehmen noch zusätzlich Kohle, wenn sie Menschen über 50 neu einstellen. Solche Neueinstellungen passieren dann aber natürlich in den niedrigst möglichen Lohngruppen. Das Resultat sind also Kündigungen auf der einen und Neueinstellungen zu schlechteren Bedingungen auf der anderen Seite.

Arbeitszeitflexibilisierung

Der nächste Dauerbrenner im neoliberalen Wahn ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Flexibel hört sich ja toll an. „Mah, wie schön! Flexibilität statt Stillstand!“ könnte man jauchzen. Hier sollen die sogenannten Sozialpartner bis Sommer ein Paket zur Arbeitszeitflexibilisierung schnüren. Hinter dieser netten Floskel steht aber vor allem eines: die weitere Verschlechterung von Beschäftigungsbedingen in Österreich, längeres Arbeiten um weniger Geld, der Wegfall von üblichen Zulagen und die Optimierung der Ausbeutung durch das Kapital.

Damit verbunden ist die Reduzierung von Meldepflichten für die Unternehmer nach dem Arbeitszeitgesetz und dem Arbeitsruhegesetz. Es ist absolut üblich, dass Regelungen zum Schutz von Beschäftigten gerade im Bereich der Arbeitszeit verletzt werden. Entsprechende Ruhezeiten zwischen Diensten, maximale Arbeitszeiten sowie maximale Überstunden existieren in vielen Betrieben sowieso nur auf dem Papier. Damit die armen Chefs da nicht mehr so viel Stress haben, sollen sie jetzt einfach weniger melden müssen. Aber immerhin, auch da erkennt man die sozialdemokratische Handschritt klar: ab jetzt dürfen sich Beschäftigte nämlich an eine Ombutsstelle im Sozialministerium wenden. Voll nett!

 

Mindestlohn

Es soll einen Stufenplan für einen Mindestlohn in der Höhe von 1.500 Euro geben. Davon würden in der Tat Menschen profitieren. Völlig unklar ist, wie dieser Stufenplan aussehen wird. Problematisch ist hierbei die Verschiebung von Fragen des Mindestlohns weg von einer unmittelbaren Auseinandersetzung im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen, wo zumindest potentiell die Möglichkeit eine Kampfes besteht, hin zu einer Bittstellerposition in Richtung Regierung und in Folge eine völlige Abhängigkeit von dieser. Daneben ist es so, dass hier offenbar ausschließlich Vollzeitbeschäftigung gemeint ist. Bei dem enormen Anstieg aller Arten von prekärer Beschäftigung, wird ein riesiger Teil der Arbeitenden (in einem entscheidenden Ausmaß Frauen) hierbei nicht berücksichtigt. Mehrere Teilzeitjobs oder geringfügige Beschäftigung sind für viele Menschen zu ihrer gewohnten und beschissenen Arbeits- und Lebenssituation geworden. Wenn dagegen etwas unternommen werden sollte, muss am Stunden- und nicht am Monatslohn angezogen werden. Außerdem steht zu befürchten, dass Unternehmen Stundenreduktionen auf Teilzeitausmaß erzwingen, um diese kommende Regelung zu umgehen.

 

Wohnbauförderung ohne Leerstandsabgabe

Das zentrale Problem im Bereich des Wohnens sieht die Regierung in einem „Missverständnis zwischen Angebot und Nachfrage“ begraben. Nun gut, man könnte zwar meinen, dass diese Sache mit Angebot und Nachfrage eigentlich keinen Sinn macht und sowieso nur auf Basis von Profitstreben produziert wird, aber wir wollen da jetzt auch nicht zu streng mit der Regierung sein. Es gab also ein Missverständnis. Kommt in den besten Familien vor. Dieses Missverständis zwischen den beiden best friends hat dann beispielsweise zu einem Anstieg privater Nettomieten in Wien von über 20% innerhalb von vier Jahren geführt. Wir hoffen zwar inständig, dass die Missverständnisse ausgeräumt werden können, sind aber skeptisch. Jedenfalls will die Regierung private Kohle und zusätzliches Bauland für sozialen bzw. geförderten Wohnbau lukrieren. Zu welchem Umfang das passieren soll, ist offen. Private Grundstücke sind aber freilich ausgenommen und eine Abgabe für leerstehende Privathäuser (oder gar Enteignungen, Gott bewahre!) stehen natürlich nicht am Programm. Ein wirksames Programm gegen die immer stärker steigenden Wohnkosten und Obdachlosigkeit sieht anders aus!

 

Unzumutbare Zumutbarkeiten

Arbeitslose sollen mit finanziellen Förderungen zur Annahme von bis jetzt unzumutbar weit entfernten Arbeitsplätzen „überredet“ werden. Damit sie es sich dabei aber nicht zu gemütlich machen, wird in einem Nebensatz noch ergänzt, dass die wöchentliche Mindestverfügbarkeit für Arbeitslose von 16 auf 20 Stunden erhöht werden soll. Unterm Strich gibt’s also Taschengeld für ewig lange Wegzeiten zu einem aufgezwungenen Job – na das wird die Rekordarbeitslosigkeit empfindlich senken!

 

Start-Up-Blödsinn

Ein sehr geflügeltes Wort der letzten Jahre sind Start-Up-Unternehmen, also Firmen, die sich neu gründen. Das Ganze ist von einer hippen, urbanen Aura umnebelt, die trendige Jungunternehmer serviert, die „Irgendwas mit Medien“ machen, Hauptsache modern und urban. Tatsächlich handelt es sich dabei in einem bedeutenden Ausmaß um Resultate von Ausgliederungen großer Betriebe, um Scheinselbstständigkeit. Einzel- oder Kleinstunternehmen erfüllen Aufgaben, die zuvor in Abteilungen der Unternehmen angesiedelt waren, und sind in vielen Fällen im Wesentlichen von einem Auftraggeber abhängig. Das Risiko liegt bei ihnen, Absicherungen gibt’s keine und die Großunternehmen ersparen sich nervige Details wie Mindestlöhne, sichere Beschäftigungsverhältnisse, Ärger mit Urlaub oder Krankenstand, usw. Das alles wird im neuen Arbeitsprogramm der Regierung mithilfe von wordings aus der Werbebranche schön und ausführlich aufbereitet. Worum’s tatsächlich geht, wird verschwiegen. Aber es hört sich zumindest schön an!

 

Verarschung von Lehrlingen

Als zentrale Errungenschaft (erneut leuchtet die sozialdemokratische Handschrift hell auf!) wird uns die Übernahme aller Vorbereitungskurse für Lehrabschlussprüfungen präsentiert. Um die Unternehmer – sind ja bekanntlich scheue Rehe! – nicht zu verschrecken, wird das öffentlich bezahlt. Klar bedeutet dies eine punktuelle Verbesserung. Dass dies aber als Unterkapitel mit „Lehrlingspaket“ betitelt wird, kann nur als Zynismus bezeichnet werden. Tausende Lehrlinge finden in Österreich keine Ausbildung, gerade in den letzten zwanzig Jahren sind aufgrund von Privatisierungen tausende Lehrstellen permanent vernichtet worden. Immer weniger Betriebe bilden überhaupt noch Lehrlinge aus. Und wenn doch geht’s dann oftmals miserabel bezahlt darum, lehrfremde Tätigkeiten auszuführen, sich jeden Scheiß gefallen zu lassen und ja nicht den Mund aufzumachen. Lehrjahre seien keine Herrenjahre, sagt man uns ja schließlich. Nach der Lehre – also wenn es dann endlich mal mehr Lohn geben würde – in den Betrieb übernommen zu werden, ist für immer weniger Lehrlinge überhaupt eine Perspektive. Von all dem keine Rede im Arbeitsprogramm. Haben wir aber auch nicht erwartete, sind das doch die zentralen Fragen für Lehrlinge.

 

Munter auf in den Überwachungsstaat

Offenbar war Innenminister Sobotka brav, denn einen Monat nach Weihnachten ist sein Wunschzettel was Überwachung und Angriffe auf Privatsphäre angeht, rundum erfüllt worden. Die Rolle der Christkindeln haben dabei Kern und Mitterlehner eingenommen: Wertkartenhandys sollen eine Pflicht zur Registrierung bekommen, die Videoüberwachung im öffentlichen Raum soll rigoros ausgebaut werden, Auto-Kennzeichen sollen automatisch erfasst werden und die Vorratsdatenspeicherung wird umgesetzt. Telekommunikationsdaten müssen somit 12 Monate gespeichert werden. Die Überwachung im Internet wird weiter verschärft und der Lauschangriff wird im Auto nun rechtlich problemlos möglich sein. Potentiell Betroffene der Bespitzelung sind alle hier lebenden Menschen, denn das Märchen, dass wer nichts zu verbergen, nichts zu befürchten hat, glaubt ohnehin niemand mehr. Der Ausbau der Überwachung soll nicht zuletzt zur Einschüchterung kritischer Kräfte (je nachdem wer als solche eingeschätzt wird) dienen. Dass dies alles zusammen mit Fragen von Asyl und „Integration“ in einem Kapitel zusammen gefasst wird, spricht Bände über den immer weniger versteckten Rassismus der Bundesregierung.

 

Weitere Aufhebung des Ayslrechts und Zwangsmaßnahmen

Nachdem zuvor Innenminister Sobotka seine Wünsche erfüllt bekam, ist nun Außenminister Kurz an der Reihe. Künftig sollen Integrationsverträge und Werteerklärungen mit entsprechenden verpflichtenden Kursen erzwingbar sein. Wenn bestimmte Punkte nicht erfüllt oder bestimmte Pflichtkurse nicht erfolgreich absolviert werden, wird eifrig sanktioniert. Neben vielen weiteren Verschärfungen im Asylrecht (welches spätestens mit der Obergrenze de facto abgeschafft wurde), steht noch ein sogenanntes Integrationsjahr am Programm. Was in dem Papier unter dem netten Wörtchen „Arbeitsmarktintegration“ rumschwirrt, ist in Wahrheit Zwangsarbeit. Von gewerkschaftlicher oder betriebsrätlicher Organisierung und dem damit verbundenen Eintreten für seine Rechte, kann da keine Rede sein. Das ist auch offenbar nicht erwünscht. Menschen, die sich nicht zu den schlechtesten Bedingungen kaum oder gar nicht entlohnt ausbeuten lassen und bei dieser massiven Verletzung sämtlicher arbeitsrechtlichen Standards mitmachen, soll ihre Aufenthaltsgenehmigung entzogen werden. All dies soll offenbar nicht nur zur Etablierung eines Niedrigstlohnsektors dienen, sondern gleichzeitig wird damit die „freiwillige Rückkehr“ in „sichere Drittstaaten“ wie das Kriegsgebiet Afghanistan forciert werden.

 

Die Festung EU-Europa weiter zimmern

Die Bundesregierung will sich dafür einsetzen, das „europäische Asylsystem robust auszugestalten“. Was darunter zu verstehen ist, ist auch klar: Die Regierung bekennt sich in diesem Programm vorbehaltlos zum EU-Grenzregime und fordert unverhohlen dessen Ausweitung. Die EU-Außengrenzen sollen noch weiter hochgezogen werden – „FRONTEX stärken“ heißt es. Weiters stehen eine große Ausweitung von Grenzkontrollen im Rahmen weiterer Kooperationen zwischen Militär und Polizei am Programm.

 

Fazit

Der Platz hier ist nicht ausreichend für eine gänzliche Analyse aller enthaltenen Punkte. Dafür enthält das Papier einerseits zu viel Blabla und andererseits geht es in erster Linie darum, die wichtigsten Punkte aufzuzählen. Unterm Strich lässt sich aber festhalten:

Wer geglaubt hat, dass etwas Positives dabei raus kommt, wenn die Regierung „arbeitet“, glaubt wohl auch ans Christkind. Über weite Strecken ist dieses Arbeitsprogramm nichts anderes als die Bekenntnis zur rücksichtslosen Umsetzung von Kapitalinteressen und beinhaltet derart viele offene Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte der hier lebenden Menschen, dass es wie ein feuchter Traum der Industriellenvereinigung wirkt. Spätestens(!) jetzt gehören sämtliche Illusionen in den Managerkanzler abgelegt und es kann für uns nur heißen, dass wir diesen angesammelten Schweinereien entschlossenen Widerstand auf allen Ebenen entgegen setzen.

Es geht um den Aufbau von kämpferischen Strukturen in Schulen, Betrieben, Unis und Wohnvierteln. Kein höheres Wesen wird uns erlösen. Wir müssen uns so lange organisieren, wachsen und stärker werden, bis nicht nur dieses Arbeitsprogramm und seine Regierung auf den Misthaufen der Geschichte befördert wurden, sondern mit ihnen das gesamte System der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung. Dies mag ein langer und beschwerlicher Weg sein, eine gangbare Alternative dazu ist aber schlichtweg nicht vorhanden.

Der Sozialismus ist keine Utopie von Weltverbesserern. Er ist eine geschichtliche Notwendigkeit und er ist machbar. Auch wenn er vielen heute und morgen nicht möglich erscheint, so ist er doch heute und morgen dringend notwendig. Es braucht also einen qualitativen Bruch im System. Es braucht die sozialistische Revolution. Dann könnte die jetzige Regierung tatsächlich mal arbeiten.

 

Von David Lang, KJÖ Bundesvorsitzender