Gewerkschaft als Kampfinstrument

Gerhard Mack, KOMintern Sekretär

Die These, dass wir uns in der Periode einer Langzeitoffensive des Kapitals wie einer sozial-reaktionären Umbruchsphase des Kapitalismus befinden, dürfte kaum ein Aufreger sein. Aber wie lässt sich dies pointiert fassen? Und welche gewerkschaftlichen Anforderungen entwachsen daraus?

Während die Generation unserer Großeltern bzw. teils Eltern nach 1945 an der wirtschaftlichen Entwicklung zumindest noch, wenn auch begrenzt, teilzuhaben vermochte[1], und im Rückblick auf ihre Jugend einen stetigen Wohlstandszuwachs verbuchen konnte, hat sich diese Entwicklung seit Ende des 20. Jh. ins Gegenteil verkehrt. Während Profite und Reichtum regelrecht durch die Decke schossen, sacken die Löhne und Gehälter seit 1978 (gemessen am BIP) mehr und mehr ab. Mittlerweile brechen sie auf breiter Front auch real ein.

Begleitend klettert die Arbeitslosigkeit im Land stetig nach oben und erklimmt jedes Jahr ein neues Rekordhoch. Das aber bedeutet nicht allein, dass jeder Zehnte keinen Job hat: gerade noch so über die Runden kommt und in entwürdigenden Abhängigkeiten steht. Sondern schlägt auch mit seinen Begleiterscheinungen mit voller Wucht nieder: Lohndruck und Lohndumping, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Aushöhlung erkämpfter Rechte und sich durchsetzende „McJobs“, von denen niemand leben kann.

Ob diese Prozesse weiter durchschlagen, wird sich letztlich am Widerstand, allem voran gewerkschaftlichen, entscheiden, den wir entgegensetzen. Aber dafür bedarf es zugleich eines Kurswechsels der Gewerkschaften, ihre Verwandlung in ein Kampfinstrument. Denn ohne des konsequenten Kampfes in Mobilisierung und Einbeziehung der Arbeitenden werden sich die Kräfteverhältnisse nicht verschieben lassen. Auf „sozialpartnerschaftlichen“[2]ausgetretenen Pfaden und Samtpfoten, in denen die Resolution und Presseerklärung als „höchste Kampfform“ gilt, lässt sich dem Wüten des Kapitals und seiner politischen Figuren nun mal nicht Einhalt gebieten. Dahingehend ist es denn auch unabdingbar den ÖGB aus seiner sozialdemokratischen Umklammerung und „sozialpartnerschaftlichen“ Orientierung wie institutionellen Einbindung ins herrschende System herauszulösen – hin zu einer kämpferischen Interessensvertretung der Arbeitenden. Einzig eine solche, den Arbeits- und Lebensinteressen verpflichtete, Wandlung der Gewerkschaften ermöglicht es heute noch, die Interessen der Massen zu behaupten. Eine derartige Wiederherstellung der Klassenfunktion der Gewerkschaft ist zweifelsohne eine mühselige, aber zugleich unabdingbare Aufgabe, die ebenso kämpferischer Betriebsräte, der Entwicklung einer neuen Konfliktbereitschaft in den Betrieben, wie des breiten gewerkschaftlichen Engagements und klassenbewussten innergewerkschaftlichen Ringens bedarf. Denn ohne – gar gegen – die Gewerkschaft lässt sich nicht nur dem entfesselten Klassenkampf von Oben nicht begegnen, sondern sind in Österreich kaum größere gesellschaftliche Kämpfe zu gewinnen.

Der hier angezogenen Perspektive ist gleichzeitig ein deutlich unterschiedenes, revolutionäres Klassen- und Menschenbild eingeschrieben, das gegen das eingefahrene „stellvertretende“ Agieren für die Arbeitenden unsere Selbstermächtigung stark macht – und den Werktätigen in ihrer Selbsttätigkeit und ihren Erfahrungen in Arbeits- und Klassenkämpfen die Einsicht in ihre geschichtliche Kraft bewusst werden lässt. Ein Bild das dem Ideal der „sozialpartnerschaftlichen“ Gewerkschaftsspitze nach „besonnenen ArbeitnehmerInnen“ – die nicht durch Kritik, kämpferischere Einstellungen oder gar eigenem Engagement lästig werden und vor dem Fernsehschirm noch zufrieden das hinnehmen, was als „das denkbar beste Ergebnis“ des „Ringens am grünen Tisch“ ausgegeben wird –geradezu gegensätzlich entgegengesetzt ist. Uns allerdings den nötigen Kompass in die Hand gibt.

 


[1] Natürlich im begrenzten Rahmen der bestehenden Eigentums-, Profit- und Machtverhältnisse.

[2] Siehe auch „Widerstand statt Sozialpartnerschaft“