Kampf der Homophobie!

Armin, Eisenstadt

Homophobie tötet. Jährlich bringen sich etliche Homosexuelle weltweit um, weil sie psychisch und physisch terrorisiert werden. I vielen Teilen der Welt ist homosexuelles Verhalten nach wie vor illegal und wird teilweise mit Strafen wie Steinigung belegt.

Immer noch raunt ein Chor bestehend aus FPÖ-PolitikerInnen, islamistischen Internetgelehrten und aggressiven Männern über die „Homolobby“ und übt politisch-sozialen Druck aus.  Um aber ihnen entgegenzutreten, müssen wir unsere homophobe Gesellschaft analysieren, um politische Forderungen abzuleiten. Denn es gilt nach wie vor: „Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis“ (Lenin).

K(l)eine, heile Welt

Immer mehr Menschen glauben, in unseren Breitengraden, sei Homophobie kein Thema mehr. Tatsächlich haben weltweit unterschiedlichste Personen und Gruppierungen sich für die Gleichstellung der Homosexuellen eingesetzt – „Love Wins“ hieß es vor ein paar Jahren in den USA, als mit der Öffnung der Ehe für Homosexuelle ein historischer Schritt Richtung Gleichbehandlung gesetzt worden ist. Die Öffnung der Ehe ist eine symbolische und rechtliche Aufwertung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die wir auch in Österreich fordern. Doch wir müssen endlich die Diskussion rund um Homophobie um Aspekte und die Ursachen die gerne vergessen werden erweitern und sie in den Kontext kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse stellen. Diskriminierung am Arbeitsplatz, Mobbing an Schulen und ein erhöhtes Risiko für psychische Krankheiten und Obdachlosigkeit unter Jugendlichen sind nur ein paar der Probleme, die weder in der verbürgerlichten Homosexuellenbewegung noch in der etablierten Politik thematisiert werden.

Dieser Zustand kann nicht überraschen, denn alle Menschen leiden unter den Bedingungen des Spardiktats der Bundesregierung und der EU, die das Gesundheitssystem kaputtsparen und (psycho)soziale Arbeit gekonnt ignorieren – Wodurch homosexuelle, geflüchtete und andere Jugendliche in prekären Lebensverhältnissen gehalten werden.

It gets better ?

Die Unterhaltungsindustrie spuckt beständig Serien mit einem Quotenhomosexuellen, die Medien die nächste „Coming Out“ Geschichte eines Promis aus. Die neuerdings ständige, kulturelle Repräsentation von homosexuellen Charakteren gibt uns das Gefühl endlich gesehen zu werden – und doch täuscht dieses Gefühl, denn die Realität mit der viele von uns klarkommen müssen, übersteigt die Beziehungsprobleme in den kitschigen TV-Produktionen. Denn das Leben im Kapitalismus ist kein romantisches Abenteuer. Armut und Gewalt sind nicht sexy. Wir sind nämlich nicht nur schwul oder lesbisch – wir sind Lehrlinge, Arbeitslose, Flüchtlinge, MigrantInnen und SchülerInnen, die nicht nur durch Lohnkürzungen, niedrige Lehrlingsgehälter und familiäre Abhängigkeits- und Gewaltverhältnissen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, wir müssen oft auch Angst haben, wegen unserem Sein doppelt und dreifach bestraft zu werden.

Was sagen uns die handzahmen LGBT[1]-Organisationen? Kopf hoch, in ein paar Jahren seid ihr alt genug, um in die große Stadt zu ziehen. „It Gets Better“[2] spielt mit dem neoliberalen Mythos des Tellerwäschers, der zum Millionär wird: Wenn du willst, kannst du alles werden. Im bald 10. Jahr der Wirtschaftskrise wirken solche Heilsversprechen zynisch, kaum einer kann ihnen Glauben schenken.

Kapitalismus und Patriachat

 Sexismus und Homophobie entspringen dem Patriarchat: Einem jahrtausendealten Herrschaftssystem, dass ein Zwillingsdasein mit dem Kapitalismus fristet. Das bedeutet konkret, dass im Kapitalismus Mann und Frau gewisse Lebensziele und Funktionen aufgezwungen werden. Frauen haben passiv und immer arbeitsam zu sein. Es ist undenkbar, dass Familien als kleinste Zelle der kapitalistischen Gesellschaft heutzutage ohne die unbezahlte Haus-und Sorgearbeit auskommen könnten. Männer sollen diese Familien ökonomisch versorgen. Obwohl sich dieses traditionelle Bild immer mehr verändert, befinden sich Frauen weiterhin in immenser Abhängigkeit von Männern, indirekt auch durch ihre Arbeitsverhältnisse, was sich darin spiegelt, dass Altersarmut und Niedrigverdienste hauptsächlich femininisierte Phänomene sind. Damit aber der Kapitalismus diesen Quell unbezahlter Arbeit aufrechterhalten kann, werden Heterosexualität und starre Geschlechtskategorien gefordert – wer gegen diese Kategorien durch seine sexuelle und geschlechtliche Verhalten verstößt wird mit Gewalt und/oder Ausgrenzung konfrontiert. In einer Zeit, in der nichts mehr sicher scheint, befürchten manche, dass Homosexualität die Moral der Gesellschaft Wanken bringt. Das Patriarchat hat aber eine so gnadenlose Hierarchie an Minderwertigkeiten und Beziehungsstrukturen konstruiert, in der auch heterosexuellen Männern einzig die private Autorität in der Familie bleibt, aber auch sie müssen sich gewaltsam den psychologischen und sozialen Anforderungen fügen, die das Patriarchat nun mal aufstellt.

Schulter an Schulter

Prekäre Lebensverhältnisse und die ständige Angst vor Diskriminierung betimmen unser Leben, aber sie müssen nicht unser Schicksal sein. Wenn wir einsehen, dass unsere Probleme nicht einzigartig, sondern Symptome des patriarchalen Kapitalismus darstellen, sind vor die Entscheidung gestellt, ob wir uns lieber ein Plätzchen in diesem Leben suchen oder für die Verbesserung unserer Lebenssituation kämpfen wollen. Dies gelingt uns am effektivsten, wenn wir unsere Forderungen artikulieren und Teil einer Massenbewegung werden, in der alle unterdrückten und ausgebeuteten Menschen zusammenkommen. Da nun mal Unterdrückung aufgrund der Sexualität oder anderen Merkmalen wie der Hautfarbe nie isoliert auftritt, erhebt die KJÖ den Anspruch, auf jedes Problem der Jugendlichen kollektiv Antworten finden zu wollen. Das bedeutet aber auch, dass wir langfristig eine politische Kraft benötigen, die Homophobie, Sexismus und Armut auf Basis einer konsequent sozialistischen Politik lösen möchte. Denn lauwarme Versprechen und Symbolpolitik hatten wir wahrlich schon lange genug.

 

[1] LGBT ist die Abkürzung für die Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender-Community.

[2] Internetaktion gegen Homophobie.