Erlärung des Zentralkomitee der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP)

Bei den Wahlen am 24.Juni 2018 wurden Millionen Menschen mit falschen Hoffnungen hingehalten und sitzen gelassen. Es ist ein Märchen, das die Türkei mit den Alternativen, die die Makel dieses Systems tragen, bessere Zeiten sehen wird. Es ist genauso absurd zu glauben, dass die Türkei am Ende ist. Jeder sollte wissen, dass die Türkei sich nicht ergeben wird.

1. Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) warnte schon vor der Bekanntgabe der Entscheidung über diese “überfallartigen Wahlen”, dass die Wahlen unter diesen Umständen nicht legitim sein können. Durch die letzten Änderungen des Wahlrechts ist es zu einer Komödie verkommen, damit Erdogan sein gewünschtes Ergebnis bekommt. Hier kann man nicht von Wahlen sprechen. An dieser Wahlfarce teilzunehmen, als ob da nichts Ungewöhnliches wäre, ist Eingeständnis der Statistenrolle in diesem Theater. Obwohl diese Warnung an einem breiten Kreis Resonanz gefunden hat, schaffte die systemkonforme Opposition mit CHP an ihrer Spitze, Millionen Menschen noch einmal in einem grundlosen Optimismus anzureizen und hinter die “keine-sorge-sie-können-nichts-machen-Naivität” abzuschleppen. Doch das Regime perfektionierte mit den letzten Wahlrechtsänderungen Ihre Manipulationsmethoden, die sie bereits im letzten Verfassungsrefendum erfolgreich einsetzten. Nach diesen Wahlrechtsänderungen entstand ein kurioses Wahlsystem, dessen Kontrolle praktisch unmöglich ist. Trotz dieser Realität hat man der gesellschaftlichen Opposition glauben gemacht, dass man diese „überfallartigen Wahlen“ unter allen Umständen gewinnen werde.

Obwohl Millionen Menschen von der Manipulation der Wahlen am 24.Juni überzeugt waren, konnten sie diese Unregelmäßigkeiten weder beweisen, noch etwas dagegen tun. Wie wir immer wieder darauf hingewiesen haben, ist ein nicht organisiertes Volk empfänglich für Verführungen und Mythen um einem vermeintlichen Führer doch letztlich wird es hilflos zurück gelassen. Es hat sich mal wieder gezeigt, dass die Wahlen vor den Wahlen entschieden werden. Ausgeklügelte Kontrollmechanismen und Überwachung der Wahlregister ändern nichts an dieser Tatsache.

2. Allerdings haben die Wahlen am 24. Juni die wichtige Erkenntnis hevorgebracht, dass Wahlbemühungen nie ein Ausweg bieten. Nach den Gezi-Protesten haben sie alle getan um die millionen Menschen, die sich gegen die AKP erhoben haben von politischen organisierungsprozessen fernzuhalten. Diese wären essentiell gewesen um diese bedeutende und bekannte Bewegung fortdauern zu lassen. Jedes Mal wurden die Wahlen als letzter Ausweg gezeigt, diese waren immer wieder mit großer Enttäuschung verbunden. Die Erdogan Gegnerschaft wurde für Machtspiele missbraucht. Man muss wissen, dass auch für kleine Verbesserungen ein Minimum an Organisation notwendig ist. Leider glaubt ein Teil der Gesellschaft der Türkei, dass eine Befreiung auch ohne Kampf möglich ist. Einem Helden zu folgen ersetzt in diesem Fall den Kampf. Der andere Teil der Gesellschaft vertraut seine Zukunft Erdogan an ohne Fragen zu stellen. Diese Politik öffnet nicht den Weg für die Befreiung. Im Gegenteil, sie korrumpiert die Gesellschaft.

3. Das angeblich bestätigte Präsidialsystem, das 2017 bei dem Verfassungsreferendum von mehr als die Hälfte der Menschen abgelehnt wurde, welches ein Jahr später Möglichkeiten für die Befreiung anbieten würde, verstärkt diese Korrumpierung. Zu denken, dass man eine Person, die Ungerechtigkeit und Tyrannei symbolisiert, mit einer Person bekämpfen kann, die Gerechtigkeit und Freiheit symbolisiert, übersieht, dass das Gegengift für die Tyrannei ein organisiertes Volk ist. Dass dieses „Ein-Mann-System“ so leicht Akzeptanz fand, liegt an dem ausdrücklichen Wunsch des Kapitals.

4. Vor den Wahlen am 24.Juni haben die internationalen Monopole eine große Koalition aus CHP, Iyi Parti und (islamistischen) Saadet Parti und der HDP signifikatn unterstützt auch wenn die letztgenannte nicht offiziell Teil dieser Allianz war. Der Grund, warum Erdogan diese Kräfte besiegt hat, liegt darin, dass die kapitalistische Klasse keine der in der Regierungszeit von Erdogan gewonnen Vorteile aus der Hand geben wollte. Diejenigen, die Erdogan an die Macht gehievt haben, ließen sich bei der Suche nach Alternativen von ihren Interessen und Ängsten leiten. Aus der Perspektive des Kapitals wurden alle Risiken beseitigt und ein System geschaffen, worin sie ihre Programme mit oder ohne Erdogan realisieren können. Dass sich die inneren Widersprüche des nationalen und internationalen Kapitals verschärfen, ändert Nichts an der Tatsache, dass diese ausbeuterische Klasse auch gemeinsame Interessen hat.

5. Es war der Wunsch des internationalen Kapitals, dass das AKP Regime und die Opposition ihre Differenzen vor den Wahlen bei Seite legen. Die rechte Koalition, an der sich auch Aksener und Karamollaoglu beteiligten, die weder mit dem 16 Jahre andauernden AKP Regime Probleme haben, noch die Beseitigung der Laizismus verhinderen, noch Probleme mit NATO und EU haben und ihre Hoffnung in den Arbeitgeberverband TÜSIAD setzen, überzeugte die Gesellschaft der Türkei von einem AKP Regime ohne Erdogan. Diese Koalition ging so weit, dass Muharrem Ince von CHP sogar verkündet hat unter gewissen Umständen AKP Politiker ins Kabinett zu holen. So hat man mit der Aussage, dass „die Türkei immer rechts ist“, die Massen, die einen Ausweg aus der Misere suchen, hingehalten.

6. Es wäre lächerlich die Wahlen aus der Perspektive des Systempartien zu bewerten. Die Stimmen, die diese Parteieln erhalten haben sind keine „echten“ Stimmen. Millionen Menschen haben nicht aus Überzeugung gewählt, sie entschieden sich für eine der Alternativen, die man ihnen vorgelegt hat. Die eigentliche Realität der Wahlen vom 24.Juni ist, dass dieses System für Millionen unzufriedene Menschen in der Türkei  keine Alternativen mehr anzubieten hat. Das Aushängeschild der bürgerlichen Opposition, die CHP, ist unter den Trümmern der Niederlage begraben, welche diese dem türkischen Volk aufgebürdet hat.

7. Die Anti-Erdogan Stimmung, die lange Zeit die treibende Kraft der Gesellschaft in der Türkei war und während des Gezi-Aufstandes ihren Höhepunkt erreichte, hat allein keinen Wert mehr. Ganz im Gegenteil. Durch die Fokussierung auf Erdogan wurde diese Gesellschaft zur Perspektivlosigkeit verdammt. Viel wichtiger als die Erdogan-Gegnerschaft ist gegen dieses System zu sein, Widerstand zu leisten gegen Ausbeutung, Imperialismus und Reaktion. Es ist auch wichtig die Politik aus der Zwickmühle zwischen moderner CHP und konservative AKP zu befreien. In den letzten 16 Jahren wurden die städtisch-modernen AKP Gegner durch CHP und HDP an das konservativen Lager herangeführt. Progressive und patriotische Kräfte in der Türkei werden mit einer neuen Identität, mit der Identität der Arbeiterklasse auferstehen.

8. Die Kommunistische Partei der Türkei übernahm bei den Wahlen am 24.Juni die Aufgabe, die Stimme des arbeitenden Volkes für eine Veränderung des herrschenden Systems zu sein. Obwohl unserer Partei die Teilnahme an den Wahlen willkürlich verwehrt wurde, konnte die Stimme der TKP durch die Unterstützung der unabhängigen Kandidaten in großen Kreisen Anklang finden. Wir waren uns  dessen bewusst, dass die unabhängigen Kandidaten, die mit vielen Problemen zu kämpfen hatten, nicht Millionen Wähler überzeugen können würden. Trotzdem hat die TKP dafür gesorgt, dass in dieser Wahlperiode die Stimme Sozialismus nicht außenvor blieb. Es wurden mit sehr vielen Werktätigen Kontakte geknüpft und Warnungen für die Wahlen und für die Zeit nach den Wahlen ausgesprochen, die sich auch bewahrheitet haben. Die Kommunistische Partei der Türkei führt ihren Kampf und ihre Organisation mit sehr viel Energie weiter. In den nächsten Tagen werden die verantwortlichen Organe der Partei umfassende Fahrpläne beschließen, um den Linken und werktätigen Menschen zu zeigen, wie aus dieser ausweglosen Lage herauszukommen ist. Unsere Partei ist die einzige Hoffnung der Menschen, die sagen „Ihr habt Recht, aber lasst erstmal die Wahlen vorbei sein“ und wir sind uns dieser Verantwortung bewusst.

9. Eine Wahl an sich ist weder Befreiung noch das Ende. Ja, viele Millionen Menschen stehen mit Nichts da, nachdem ihnen falschen Hoffnungen gemacht wurden. Es ist ein Märchen, dass die Türkei mit den Alternativen, die die Makel dieses Systems tragen, bessere Zeiten sehen wird. Es ist genauso absurd zu glauben, dass die Türkei am Ende ist. Jeder sollte wissen, dass die Türkei nicht untergehen wird.

Dieses System gehört abgeschafft!

 

 

Kommunistische Partei der Türkei (TKP)
Zentral Kommitee