Referat der Schulungsleiterin Marie Jaeger zum 8. März

Frau mit Gewehr auf dem RÜcken ist im Kindegrund (Gezeichnet) KJÖ und KSV Logo und ein Alexandra Kollontai Zitat.

Die Verhältnisse im patriarchal geprägten Kapitalismus, in denen eine vermeintliche bürgerliche Gleichheits- einer ökonomischen Ungleichheitsordnung gegenübersteht, machen einen Frauenkampftag am 8. März auch noch 2019 notwendig.

Der 8. März wird heute von vielen als Feiertag begangen und auch von bürgerlichen Frauen und Parteien vereinnahmt. Ob eine Angela Merkel, eine Michelle Obama, auch die Herrschenden halten den 8. März neuerdings für sehr wichtig, aber sie vergessen, es ist kein Feiertag, es ist ein Kampftag, ein Kampftag der ArbeiterInnenklasse. Die Kommunistin Clara Zetkin hat diesen 1911 in der kommunistischen Fraueninternationale erstmalig eingefordert. Und der 8 März ist auch kein zufällig gewähltes Datum, er ist ein historisch wichtiges Datum in der Geschichte der Arbeiterinnen:

  • 1857 streikten Textilarbeiterinnen in New York an diesem Tag.
  • 1908 sind Arbeiterinnen im Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen am 8. März in den USA in Streik getreten. Um eine Solidarisierung der Gewerkschaften und anderer Belegschaften zu verhindern, wurden diese Frauen in ihrer Fabrik eingesperrt, ein Feuer brach aus und 129 Arbeiterinnen starben.
  • 1917 streikten in Sankt Petersburg die Arbeiter-, Soldaten- und erstmals auch Bauernfrauen der armen Stadtviertel und lösten die Februarrevolution aus.

Wenngleich wir als KommunistInnen dies wissen und uns anders als bürgerliche FeministInnen darüber im Klaren sind, dass (junge) Frauen, die der herrschenden Klasse angehören, nicht ein und dieselben Interessen haben wie die werktätigen Frauen und sich die besitzlose Klasse nicht auf einen Geschlechter- oder rassistischen Kampf innerhalb der eigenen Klasse einlassen darf, dürfen wir den Blick für die Ungleichheiten innerhalb der Klasse – die auf den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen beruhen und diesen dienen – nicht verlieren. Wie der marxistische Philosoph Domenico Losurdo (2016) folgerichtig festhielt, schrieben Marx und Engels im Kommunistischen Manifest, dass „[d]ie Geschichte aller bisherigen Gesellschaft [.] die Geschichte von Klassenkämpfen“ (MEW Bd. 4 1972) sei. „Der Übergang vom Singular zum Plural macht klar, dass jener zwischen Proletariat und Bourgeoisie lediglich einer unter mehreren Klassenkämpfen ist“ (Losurdo 2016). Marx und Engels gehen davon aus, dass sich die Klassengegensätze in den verschiedenen Epochen auch verschieden gestalten (MEW Bd. 4 1972), dies bedeutet in der weiteren Lektüre der Marx-Engels Werke, dass neben dem Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit, auch weitere identifiziert wurden. Bspw. schreibt Friedrich Engels in der Schrift Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats , dass„[d]er erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, […] mit der Entwicklung des Antagonismus von Mann und Weib in der Einzelehe, und die erste Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche.“ zusammenfällt (MER Bd. 21 1975), weiter schreibt er, der Mann „ist in der Familie der Bourgeois, die Frau repräsentiert das Proletariat““ (MEW Bd. 21 1975). Was jedoch nicht implizieren soll, dass wir einen Geschlechterkampf statt dem Klassenkampf führen sollten oder ähnliches, aber mehr dazu später.

Die Situation der Frau im Monopolkapitalismus heute

Die Basis für die Emanzipation der Frau ist auch heute die ökonomische Unabhängigkeit vom Mann. Die Arbeit ist somit für Frauen essentiell, um sich ökonomisch und schließlich auch sozial vom Mann freizusprechen. Als die ökonomischen Verhältnisse die Frau zwangen, ins Erwerbsleben einzutreten, brachte dies den Kapitalisten enorme Vorteile. Der Lohn für einen Arbeiter wurde für mehrere Personen berechnet, da er ja normalerweise eine ganze Familie zu ernähren hatte. Der Lohn der Frau hingegen wurde nur für eine Person berechnet. Somit entstand ein harter Konkurrenzkampf, der nichts anderes als die Spaltung der ArbeiterInnenbewegung im Sinne hatte (siehe hierzu: Zangerl/Hainz 2012). Schon Clara Zetkin hielt aber weiter fest: „Daß die Frauenarbeit soviel schlechter entlohnt wird als die Männerarbeit, hat ja vielfache Ursachen. Allein nicht wenig kommen die schlechten Frauenlöhne auf Rechnung des Umstandes, daß die Arbeiterinnen so gut wie nicht organisiert sind. Sie entbehren der Stärke, welche die Einigkeit verleiht, des Mutes, des Kraftgefühls, des Widerstandsgeistes und der Widerstandsfähigkeit, welche der Rückhalt an eine Organisation verleiht, das heißt an eine Macht, in der einer für alle und alle für einen eintreten. Sie ermangeln ferner der Aufklärung und Schulung, welche durch die Organisation geboten wird.“ (Zetkin 1893). Doch woran liegt dies und warum haben diese Phänomene bist heute Bestand? Die unterschiedliche Positionierung innerhalb der Klasse der Werktätigen u.a. nach Geschlecht stabilisiert die kapitalistischen Verhältnisse, sie ist konstitutiv – also auch bestimmend – für diese (Lühr 2009). Ohne die unbezahlte i.d.R. durch Frauen geleistete Reproduktionsarbeit geriete die kapitalistische Gesellschaft an ihre Grenzen. Diese Aspekte sind auch heute noch spürbar: Frauen verdienen in Österreich im Schnitt 32,2% weniger als Männer. Mit der Hauptverantwortung für die Reproduktionsarbeit schaffen sie es gleichzeitig im Schnitt auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 57 Stunden in Österreich, wovon lediglich 33 Stunden bezahlt sind.[1]

Ob in Schule, Uni, der Arbeit oder dem Alltag im Kapitalismus werden Frauen und Mädchen noch immer unterdrückt. Der Kapitalismus macht sich die überkommenen patriarchalen Strukturen zunutze und die Frau oder das Mädchen werden darüber als minderwertig konstruiert und leiden unter einer Doppelbelastung, nämlich Lohn- und Reproduktionsarbeit leisten zu müssen. Die proletarische Frau hat jedoch ganz andere Voraussetzungen als bürgerliche Frauen  und bedarf auch ihrer eigenen Organisation. Diese – die proletarische Frauenbewegung – hat einen fortschrittlichen emanzipatorischen Ansatz, da die Frau historisch und auch heute in den Arbeitsalltag integriert war und ist, sich also hier eine gewisse Gleichberechtigung erkämpfen musste, und nicht auf Haus und Familie reduziert war und ist. Es gibt trotz der Doppelbelastung somit keinen Gegensatz zwischen den Interessen von Arbeitern und Arbeiterinnen, wohl aber einen unversöhnlichen Gegensatz zwischen den Interessen des Kapitals und denen der Arbeit. Deshalb ist die Frauenfrage nicht als abgetrennter Bereich zu betrachten – allerdings existiert sie und darf nicht ignoriert werden.

Die verschiedene Ausgangsposition ist die Basis dafür, dass die proletarische Frauenbewegung historisch und auch heute andere Forderungen aufstellt und andere Themen bearbeitet, als die Bürgerliche. Die proletarische Frauenbewegung folgt den Regeln des historischen Materialismus und sieht die strukturellen Gesetzmäßigkeiten der Ausbeutung und nicht individuelle Einzelerscheinungen. Daraus ergaben sich dir folgenden Forderungen[2]:

  • Das Ziel des revolutionären Umbruchs.
  • Der gemeinsame Kampf von Mann und Frau, kein ausspielen lassen durch die KapitalistInnen – die Unterschiede sind dem Kapitalismus immanent und keine Geschlechterfrage.
  • Friedenspolitik stand stets im Zentrum,
  • Kritik am und Kampf gegen den Imperialismus ebenso.
  • Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Nachtarbeit, Wochenarbeitszeitbegrenzung, Kinderbetreuung, Gemeinschaftsküchen, etc.), ebenso wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
  • Teilhabe in und an allen gesellschaftlichen Bereichen, statt der künstlichen Trennung.

Und auch durch die Lebensrealitäten unterschieden und unterscheiden sich die Themen der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung auch historisch und heute:

  • Lohnabhängigkeit und daraus resultierende Forderungen vs. das Recht zu arbeiten
  • Frauenwahlrecht vs. Damenwahlrecht
  • Kollektivrechte vs. Individualrechte
  • Gemeinsam vs. getrennt
  • Revolution vs. Reformen

Eines muss uns aber auch am 8. März als Kampftag bewusst sein, Fortschritte können im kapitalistischen System nur gefeiert werden, wenn entweder der Druck stark genug ist oder es einen Nutzen für die herrschende Klasse hat (Reservearmee, Konkurrenzaufbau zwischen Mann und Frau, Sicherung der nächsten Generation von ArbeiterInnen, etc.). Gleichberechtigung und Gleichheit ist jedoch in einem kapitalistischen System nicht zu erzielen. Wie Alexandra Kollontai festhielt: „Ohne die Befreiung der Frau kein Sozialismus – ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau!“

Auch heute sehen wir uns permanent den spalterischen Angriffen des Kapitals ausgesetzt. Sie sorgen dafür, dass Klischees und Stereotype in unseren Köpfen verankert bleiben und uns in unserer politischen und emanzipativen Arbeit behindern. Es braucht keine Frauenquote für ManagerInnen – ob uns Frauen oder Männer ausbeuten ändert nichts, ob Merkel oder Kurz macht keinen Unterschied, wenn volksfeindliche Politik implementiert wird. Die Befreiung der Frau ist eine Klassenfrage, wie alle anderen auch in einer kapitalistischen Gesellschaft. Nur die Tatsache eine Frau zu sein, vereint nicht in der politischen Forderung oder im Kampf.

Somit wird aus unserer Perspektive jährlich am 8. März für die Rechte der arbeitenden Frauen sowie der Frauen und Mädchen der werktätigen Schichten gekämpft! Für den Sozialismus! Heraus zum internationalen Frauenkampftag! Heraus zum 8 März! Wir sind nicht für einen Frauenstreik, wir sind für den Generalstreik für die Interessen der Frauen, also gegen den Kapitalismus!

Literatur

Losurdo, Domenico. 2016. Der Klassenkampf oder die Wiederkehr des Verdrängten. Eine politische und philosophische Geschichte. Unter Mitarbeit von Daniel Bratanovic. Köln: PapyRossa Verlag (Neue kleine Bibliothek, 224).

Lühr, Thomas. 2009. Klasse und Geschlecht als Dimensionen kapitalistischer Herrschaft. In: Marxistische Blätter Heft 6/09. S. 62-69.

MEW Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. (Karl), Band 4, 1972, 6. Auflage unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1959, Berlin/DDR Dietz Verlag, Berlin. Karl Marx und Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei. S. 459-493.

MEW Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. Band 20, 1975, 5. Auflage unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Friedrich Engels: Anti-Dühring

MEW Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. Band 21, 1975, 5. Auflage unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. S. 25-173.

MEW Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. Band 32, 1975, 5. Auflage unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Friedrich Engels: Engels an Marx in London. S. 83-85.

Zangerl, Belinda/Hainz, Astrid. 2012. Warum die Frauenfrage alle betrifft. Reader der KJÖ.

Zetkin, Clara. 1893. Frauenarbeit und gewerkschaftliche Organisation. https://www.marxists.org/deutsch/archiv/zetkin/1893/11/gewerk.htm


[1]             Männer hingegen arbeiten nur 48 und davon 41 Stunden bezahlt.

[2]             Danke an eine GenossIn aus der Schweiz auf deren Unterlagen dieser Teil mitbasiert.