Zur sozialen Lage der österreichischen Jugend.
Alle jungen Menschen haben Wünsche, Hoffnungen und Träume. Wir wünschen uns ein selbstbestimmtes Leben. Ein Leben ohne finanzielle Sorgen, ohne ständigen Druck und ohne Zukunftsängste. Ein Leben, in dem wir unseren Interessen nachgehen können und dabei die Erfahrung von Freundschaft, Liebe und Solidarität machen. Diese Hoffnungen sind für uns KommunistInnen keine Utopie. Wir sehen sie als Grundrechte aller Menschen an.
Der Kapitalismus aber verweigert diese Grundrechte, indem er Profitinteressen über menschliche Bedürfnisse stellt. Das Leben sei kein Wunschkonzert, sagt man uns. Und tatsächlich bereiten die heutigen und künftigen Zustände immer mehr jungen Menschen Bauchschmerzen. Die Bedingungen in den Betrieben, Büros, Schulen und Universitäten werden härter, das Einkommen reicht immer seltener zum Auskommen, und in der immer weniger werdenden Freizeit hat man ohne dicke Geldtasche kaum noch Möglichkeiten.
Die heutige Jugend wird die erste Generation der Nachkriegszeit sein, die nicht wie bisher üblich den Lebensstandard ihrer VorgängerInnen übertreffen wird. Im Gegenteil: Unsere Generation wird sogar dahinter zurückfallen. Schlechter zu leben als unsere Eltern ist das Programm, das der Kapitalismus für die allermeisten von uns zu bieten hat. Eine lebenswerte Zukunft ist das nicht.
Zukunftskiller Kapitalismus
SchülerInnen, Lehrlinge, junge ArbeiterInnen, Studierende sowie erwerbslose Jugendliche erleben, dass der Druck auf sie ständig zunimmt. Im Windschatten der Krise betreibt die Bundesregierung unter dem Kommando von Industriellenvereinigung und EU immer massiveren Sozialraub und Bildungsabbau. Die Unternehmen nützen die Krise, um Löhne und soziale Standards zu senken und gleichzeitig den Arbeitsdruck zu erhöhen. Der einsetzende wirtschaftliche Abschwung wird zu einer deutlichen Zunahme der Arbeitslosigkeit führen, was wiederum Armutsgefährdung sowie den Druck auf die Beschäftigten steigen lässt. Da junge Menschen in der Regel über niedrigere Einkommen verfügen, sind sie von der hohen Inflation besonders betroffen. Schulen und Universitäten galten bereits bisher als Stiefkinder der heimischen Politik. Die leeren Staatskassen, Ergebnis neoliberaler Politik, werden die Situation des Bildungswesens weiter verschlimmern.
Auch höhere Bildungsabschlüsse sind heute keineswegs mehr eine Garantie für erfolgreiche berufliche Positionierung. Normal-Arbeitsverhältnisse weichen unter dem Zauberwort „Flexibilisierung“ nicht-existenzsichernden Arbeitsbedingungen. Wir sind die „Generation Praktikum“, die sich schlecht oder gar nicht bezahlt von Job zu Job hantelt und dabei auf sämtliche soziale Rechte verzichten muss. Von Zukunftsplanung können viele junge Menschen aufgrund unsicherer Perspektiven, Arbeitslosigkeit oder Armut nur träumen.
Österreich – Eine Klassengesellschaft.
Chancengleichheit ist in Österreich ein leeres Wort. Kinder aus ArbeiterInnenfamilien oder Jugendliche mit Migrationshintergrund haben im Bildungswesen wie im Arbeitsleben von Beginn an schlechtere Startbedingungen. Ähnlich verhält sich die Situation von Mädchen und jungen Frauen, die nicht nur mit massiven Einkommensnachteilen gegenüber ihren männlichen Kollegen zu kämpfen haben.
Das österreichische Bildungssystem führt zu massiver sozialer Selektion, benachteiligt also Kinder aus armen Bevölkerungsgruppen. Am deutlichsten wird dies beim Blick auf die soziale Zusammensetzung der Studierenden: Der Anteil von Studierenden, deren Eltern als höchsten Abschluss eine Lehre haben, beträgt knapp 35 Prozent. Der Anteil von Menschen mit Lehre als höchsten Abschluss an der Gesamtbevölkerung beträgt aber mehr als 65 Prozent. Wir sehen also: Für Kinder aus AkademikerInnenfamilien ist die Hürde auf die Universität wesentlich niedriger. Kindern aus proletarischen und/oder migrantischen Milieus steht nicht nur eine höhere Bildungslaufbahn aufgrund der elterlichen Biographie wesentlich ferner. Für viele Eltern ist ein längerer Schul- oder gar Universitätsbesuch schlichtweg nicht leistbar. Beim Start ins Berufsleben wiederum fehlen die in Österreich nach wie vor so wichtigen Beziehungen.
Die betroffenen Jugendlichen können aus dieser tristen sozialen Situation schwer ausbrechen: Menschen mit niedrigerem Bildungsabschluss verdienen wesentlich weniger und sind zudem häufiger von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Mehr als 285.000 Jugendliche sind in Österreich armutsgefährdet, das sind rund 13 Prozent der Menschen zwischen 10 und 27 Jahren. Armut wird in ähnlichem Maße „vererbt“ wie Bildungslaufbahnen.
Österreichs Jugend – Ein Überblick
In Österreich leben etwas mehr als 1,5 Millionen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren. Beinahe 400.000 Jugendliche besuchen mittlere bzw. höhere Schulen (AHS, BHS, BMS), an den österreichischen Universitäten studieren etwa 350.000 vorwiegend junge Menschen. Über 130.000 Jugendliche absolvieren eine Lehre, bei jungen Frauen dominieren die Lehrberufe Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin, junge Männer lernen an erster Stelle in den Berufen Kraftfahrzeug-, Installations- und Elektroinstallationstechnik. Insgesamt gehen etwas mehr als eine Million junger Menschen einer Erwerbstätigkeit nach, Lehrlinge bzw. erwerbstätige Studierende mit eingerechnet. Rund 80.000 Jugendliche unter 25 Jahren sind arbeitslos.
Die Situation von Lehrlingen und junge ArbeiterInnen
Der Großteil der Lehrlinge in Österreich muss mit einem Einkommen über die Runden kommen, das weit unter der Armutsgefährdungsschwelle von 994 Euro liegt. Gesetzlich verbotene Überstunden, die oft nicht ausbezahlt werden, sowie unerlaubte „ausbildungsfremde Tätigkeiten“, wie der Einsatz als Putzkraft oder Rasenmähen für den Chef, gehören für die allermeisten Lehrlinge zum Alltag.
Die Reallöhne stagnieren in Österreich seit vielen Jahren. Die höhere Arbeitsproduktivität wird ebenso wenig abgegolten, wie die ständig steigende Inflation. Im Klartext heißt das: Die ArbeiterInnen leisten mehr und müssen höhere Preise zahlen, haben aber Jahr für Jahr weniger zum Leben. Dabei sind es die arbeitenden Menschen, die den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten. Die Früchte ihrer Arbeit fallen aber den Unternehmern, Banken und Aktionären zu.
Verschärft hat sich neben der drückenden finanziellen Situation und dem zunehmenden Arbeitsdruck auch das Regime in den Betrieben. Arbeitsgesetze werden immer dreister umgangen, Überstunden werden oft nicht abgegolten, das Betriebsrätegesetz wird mit Füßen getreten, und die Demokratie endet zumeist ohnehin vor dem Werkstor. Verbunden mit der Angst vor Arbeitslosigkeit ergibt das eine Situation, in der es ArbeiterInnen und Angestellten immer schwerer fällt, auf ihre sozialen und demokratischen Rechte zu pochen.
Die Situation von SchülerInnen
Das österreichische Schulsystem stammt aus dem vorvorletzten Jahrhundert. Neue Lehrmethoden finden kaum Eingang, der Frontalunterricht stellt den Regelfall dar. Staatliche Kürzungen haben überforderte LehrerInnen, schlecht beheizte und überfüllte Klassenräume und veraltete Lehrmittel zur Folge und erhöhen wiederum Jahr für Jahr die Ausgaben für teuren Nachhilfe-Unterricht. Wer sich das nicht leisten kann, fällt – im wahrsten Sinne des Wortes – durch. Dazu kommen hohe Kosten durch Schulbuch-, Kopier- oder Fahrtkostenbeiträge und vor allem durch kostspielige Schulausflüge. Soziale Selektion erschwert Kindern aus ArbeiterInnen- bzw. MigrantInnenfamilien den Zugang zu höherer Bildung: Ärmere werden benachteiligt und schaffen es in Folge seltener bis zur Matura. Demokratische Mitsprache von SchülerInnen steht in den allerwenigsten Schulen auf der Tagesordnung.
Stattdessen steigt im Zuge des staatlichen Rückzugs aus der Schulfinanzierung („Schulautonomie“) der Einfluss von Konzernen. Diese bringen nicht nur ihre Werbung an Reklametafeln in Schulen sowie in Heften an, sondern bestimmen zunehmend Unterricht und Lehrinhalte mit – freilich verknüpft mit handfesten wirtschaftlichen Interessen. Zudem ist im System des Kapitalismus umfassende Bildung für alle gar nicht vorgesehen. Vielmehr soll nur das gelehrt werden, was man für die Ausübung des späteren Berufs braucht. Kritische Köpfe kann „die Wirtschaft“ nicht gebrauchen, daher wird den SchülerInnen auch so gut wie kein Mitspracherecht zugesprochen.
Die Situation der Studierenden
Die finanzielle Situation der Universitäten ist katastrophal. Nach Jahrzehnten des Kaputtsparens sind die Hörsäle überfüllt, viele Einrichtungen desolat, und das Lehrangebot wird von Semester zu Semester weiter ausgedünnt. Gleichzeitig steigt der Druck auf Studierende durch Verschulung des Universitätssystems, Studieneingangsphasen und Reduzierung von Prüfungsantritten. Dazu kommt, dass die soziale Situation der Studierenden immer drückender wird: Kürzungen bei der Familien- und Wohnbeihilfe oder studentischer Selbstversicherung, aber auch rasant steigende Lebenserhaltungskosten und Mietpreise zwingen immer mehr Studierende neben ihrem Studium (noch mehr) zu arbeiten. Damit tritt die soziale Ungleichheit immer deutlicher zutage. Zwischen 1998 und 2009 sank an den Universitäten der Anteil von Kindern aus einer niedrigen sozialen Schicht von 26 auf 18 Prozent. Erhöht hat sich hingegen die Zahl der StudienabbrecherInnen.
Gemeinsam kämpfen!
SchülerInnen, junge ArbeiterInnen und Studierende sind also gemeinsam von den Folgen des kapitalistischen Systems betroffen. Der Kapitalismus verweigert uns unsere Grundrechte, erschwert unsere Lebensbedingungen und bietet uns keine Zukunft. Junge Frauen und MigrantInnen, Jugendliche in queeren Lebensformen oder Menschen mit Behinderung sind dabei doppelt und dreifach von Ausbeutung, Diskriminierung und Repression betroffen. Junge Menschen, die sich für Antifaschismus, Umweltschutz, Frieden oder kulturelle Freiräume einsetzen, geraten tagtäglich an die Grenzen des kapitalistischen Profitsystems. Diese Kämpfe kann niemand alleine austragen. Dafür müssen wir die Vereinzelung, aber auch Rassismus, Sexismus, Ellbogendenken, Flucht in Alkohol und Drogen oder ein scheinbar unpolitisches Privatleben überwinden.
Nur wenn wir uns gemeinsam organisieren sind wir nicht länger wehrlose Opfer des kapitalistischen Systems, sondern werden zu einer Bewegung. Erst durch soziale Kämpfe mit einer sozialistischen Zukunftsperspektive können wir das Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Ausbeutung oder Zukunftsängste verwirklichen.