Das Studium war für Frauen über Jahrhunderte hinweg keine Selbstverständlichkeit. So war zum Beispiel Gabriele Possanner im Jahr 1897 die erste Frau in Österreich, die im Fach Medizin promovierte. Heute stehen die Universitäten den Frauen offen, aber können wir daraus schließen, dass damit die Gleichberechtigung der Frauen erreicht ist? Leider ist diese Frage immer noch mit einem klaren „Nein“ zu beantworten!
Ein kurzer Blick auf die Universitätslandschaft genügt, um festzustellen,
… dass der Frauenanteil unter dem Lehrpersonal an österreichischen Universitäten nach wie vor unterrepräsentiert ist und weiterhin von Männern dominiert wird!
… dass zwar die Anzahl der weiblichen Studierenden im Vergleich zur ihren männlichen Kollegen höher ist, doch im Bereich der Doktorate und vor allem bei Habilitationen holt die Realität uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, denn hier ist die Frauenquote sehr, sehr niedrig!
… dass die Bereiche der Leitungsfunktionen und Kommissionen an den Universitäten ebenfalls männlich dominiert sind!
Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen, es sind nur einige wenige Aufzählungen von Bereichen, in denen die Gleichstellung auch im Jahre 2012 nicht gegeben ist, auch wenn es vielerorts anders dargestellt wird. Unsere Gesellschaft ist von einer echten Gleichberechtigung der Geschlechter noch weit entfernt.
Ungenutzte Qualifikationen
Spätestens nach Beendigung des Studiums holt die Wirklichkeit
der fehlenden Gleichberechtigung und der ungleichen Chancenverteilung die Frauen wieder ein. Frauen haben die schlechteren Aufstiegschancen und verdienen nach wie vor bis zu einem Drittel weniger als Männer, die Forderung nach gleicher Bezahlung für gleichwertige Arbeit ist immer noch nicht erfüllt.
Auch die Karriereplanung von weiblichen Studierenden stellt sich oft als Zerreißprobe dar. Die heutige Realität der Frauen ist noch immer gekennzeichnet von einer Doppelrolle, auf der einen Seite liegt bei ihnen die Hauptlast des Haushaltes und der Kindererziehung, auf der anderen Seite wollen sie auch ihre im Studium erworbenen Qualifikationen im Beruf umsetzen. An adäquaten Möglichkeiten, diese beiden Lebensinhalte zu vereinen, mangelt es. Doch daran sind Absolventinnen einer Hochschule ja schon aus ihrem Studienleben gewöhnt. Mehr als die Hälfte der Studierenden müssen arbeiten, um sich ihr Studium zu finanzieren. Wie soll das mit einem Kind funktionieren? Zum Zeitaufwand im Studium und für die Arbeit kommt nun ein weiterer hinzu: Ein Kind muss aufgezogen werden. Höhere Ausgaben gepaart mit weniger Zeit um Geld zu beschaffen – meist geht dies zu Lasten des Studiums oder zum Abbruch dessen. Der so oft propagierte Weg „Mehr Frauen in die Wissenschaft!“ (v.a. in die Naturwissenschaften) bleibt von unsichtbaren Schranken versperrt. Es stellt sich oft die Entscheidung zwischen Kind und Karriere. Männliche Studierende haben diese Probleme meist nicht.
Das Thema der Gleichberechtigung darf nicht als erledigt betrachtet werden. Die Gesellschaftsstrukturen sind immer noch männerzentriert und die Gesellschaft hierarchisch zu Lasten der Frauen aufgebaut. Um die konkrete Lebenssituation von Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft zu ändern, bedarf es einer Bewusstwerdung der immer noch vorherrschenden Ungleichheit. Damit die gewünschte Gleichstellung von Frauen Realität werden kann, ist es nötig, die Mechanismen, die zur Unterdrückung der Frauen führen, wahrzunehmen, zu erkennen, zu verstehen und die Strukturen aufzubrechen und zu ändern.
Lohnarbeit
Deutlich sichtbar wird der Unterdrückungsmechanismus des Systems im Hochschulbereich bei Lohnarbeit von Studentinnen.
Über 60% der Studentinnen an Österreichs Hochschulen müssen neben dem Studium arbeiten. Im Vergleich zu ihren
männlichen Kollegen arbeiten studierende Frauen in einer viel größeren Anzahl im Teilzeitbereich. Das durchschnittliche Einkommen bei den arbeitenden Studentinnen ist viel geringer als bei ihren männlichen Kommilitonen. Geht man nach alleinerziehenden Studierenden, welche zu über 86% Frauen sind, muss ein weit größerer Prozentsatz Semester für Semester Lohnarbeit nachgehen.
Eine umfangreiche Sozialerhebung unter Studierenden der Universität Wien hat gezeigt, dass männliche Studenten deutlich häufiger besser bezahlte und vor allem fachnäheren Jobs nachgehen als Studentinnen. So liegt das mittlere Erwerbseinkommen von Frauen bei rund 350 € monatlich, bei Männern 450 €. Während überdurchschnittlich viele Frauen unter 400 € verdienen, verdienen dreimal so viele Männer über 1.500 € im Monat als Frauen.
Ausbildungsstätten sind für Alleinerziehende von großer Bedeutung, ohne solche Einrichtungen ist ein Studium fast nicht möglich. Gerade hier wäre großer Handlungsbedarf vorhanden, aber die herrschende Klasse hat kein Interesse, ihren Profit in Horte und soziale Einrichtungen für Kleinkinder fließen zu lassen. Und sogar vermeintlich „linke“ Gruppierungen (Stichwort: ÖH Uni Wien) schließen ein
emanzipiertes Kindergartenprojekt, welches eine eigens für StudentInnenkinder angelegte Einrichtung war.
Nicht locker lassen!
Doch diese Unterdrückung hat System. Es ist kein Zufall, dass die Männerdominanz ist seit vielen Jahrhunderten sowohl von kirchlicher als auch politischer Seite gepflegt
und forciert wurde. Es ist kein Zufall, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau erkämpft werden musste. Und es ist kein Zufall, dass diese Rechte nur auf dem Papier existieren und immer noch Frauen an Glasdecken stoßen und daran gehindert werden ein selbstbestimmtes, freies Leben zu führen.
Es ist die Aufgabe der gesamten Gesellschaft im Sinne von Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit in der Frage der Gleichberechtigung nicht locker zu lassen!