Schein und Sein der bürgerlichen Demokratie
Ein Kommentar von Raffael Schöberl, Bundesvorsitzender der KJÖ
Seit dem Wochenende überschlagen sich die Ereignisse in der österreichischen Innenpolitik. Ohne nochmals alle hinlänglich bekannten Details rund um die Ibiza-Affäre wiederholen zu wollen, ist es auch für uns als junge Kommunistinnen und Kommunisten unabdingbar, die richtigen Schlüsse aus den jüngsten Entwicklungen zu ziehen:
- Der eigentliche Skandal an der Ibiza-Affäre ist
weniger das unmoralische Verhalten von Strache und Gudenus, sondern vielmehr
der Umstand, dass wir in einem System leben, in dem sich eine kleine Minderheit
von Besitzenden mit all ihrem Geld und ihrer ökonomischen Macht einen dermaßen
großen Einfluss in der Politik überhaupt erkaufen könnten. Ein System, in dem
aber gleichzeitig Menschen obdachlos sind, im Winter ihre Wohnung nicht heizen
können, an Hunger sterben; ein System, in dem manche Kinder keine
Zukunftsperspektiven haben, weil sie zufällig in die falsche Familie geboren
wurden. Dieses System ist der Kapitalismus. Und dessen immanente
Vermögensungleichheit ist es, die diese Korruptionsabsichten erst ermöglicht.
- Die im Video offenbarte Käuflichkeit der beiden
freiheitlichen Politiker sagt mehr über die bürgerliche Demokratie selbst aus
als über die FPÖ. Denn mitnichten ist eine derart offenkundige Verflechtung von
Politik- und Kapitalinteressen ein Alleinstellungsmerkmal der Freiheitlichen.
Es gehört zur Normalität des kapitalistischen Politsystems, dass sich
bürgerliche Parteien und ihre PolitikerInnen entweder ganz offen oder auch
verdeckt von einflussreichen Kapitalisten, Banken und Konzernen finanzieren
lassen, um im Gegenzug eine Agenda in ihrem Interesse durchzusetzen. Vielleicht
nicht derart stupide und ungeschickt, aber mit demselben Ziel der gegenseitigen
Einflussnahme.
- Die Enthüllungen dieser Tage zeigen aber einmal mehr
den wahren Charakter der FPÖ auf. Diese selbsternannte „Partei des kleinen
Mannes“ trat entgegen ihrer politischen Propaganda niemals dazu an, um eine
Politik im Interesse der österreichischen ArbeiterInnenklasse und des einfachen
Volkes zu verfolgen. Die FPÖ war, ist und wird immer eine Partei des Kapitals
sein. Diese Partei ist nicht gegen das Establishment, sondern sie ist
Nutznießerin und Kettenhund des herrschenden Systems zugleich.
- Dass sich ausgerechnet die Kronenzeitung nun als
die große Verfechterin der Unabhängigkeit inszenieren kann, ist eigentlich die
nächste Chuzpe. Denn unabhängig sind die RedakteurInnen der großen Medienhäuser
nur solange, wie es ihren Eigentümern und GeldgeberInnen genehm ist. Es mag
schon sein, dass sich PolitikerInnen anderer bürgerlicher Parteien nicht im
stillen Hinterzimmer mit vermeintlichen russischen Oligarchen treffen müssen,
um über die Übernahme der Kronenzeitung zu pokern, aber auch sie versuchen seit
jeher ihren Einfluss in den Massenmedien auszuweiten und zu vergrößern. Und das
passiert, in dem sie den großen Medienkonzernen Millionen an Steuergeldern in
Form von Inseraten in den Rachen werfen. Dass man sich damit deren Gunst
verspricht, liegt wohl auf der Hand.
- Die bisherige schwarz/blaue Bundesregierung hat
keinen Tag ausgelassen, um zu zeigen, für wen sie eigentlich Politik macht:
Zigfache Angriffe auf die lohnabhängige Bevölkerung, Sozialraub auf allen
Ebenen, Steuergeschenke für Konzerne, rassistische Hetze gegen Geflüchtete,
Kürzungen in der Mindestsicherung für Familien, Zerschlagung der
Sozialversicherung und ein Zurückdrängen der gewerkschaftlichen
Interessensvertretungen. All das ist unbestritten. Wer sich nun aber einen
politischen Wandel erhofft, wird bitter enttäuscht sein. Denn unabhängig davon,
wer die Falle gestellt hat, in die Strache und Gudenus getreten sind: Die
aktuellen Entwicklungen bedeuten keine Verschiebung der Kräfteverhältnisse
zwischen Kapital und ArbeiterInnenklasse. Es handelt sich lediglich um
Verschiebungen der Kräfteverhältnisse zwischen den Kapitalfraktionen selbst,
und zwar international zugunsten einer eindeutigeren Einordnung Österreichs in
den EU- bzw. NATO-Block. die Angriffe der Herrschenden auf die
österreichische ArbeiterInnenklasse werden aber unzweifelhaft weitergeführt.
Als kommunistische Bewegung müssen wir diese Widersprüche zwischen den Kapitalfraktionen ausnutzen, und zwar vor allem indem wir unsere Anstrengungen fortführen und verstärken, die Arbeiterklasse aufzuklären, zu mobilisieren und zu organisieren. Zudem müssen wir die marxistischen Analysen über die konkrete Zusammensetzung der Kapitalistenklasse und die Widersprüche zwischen den Kapitalfraktionen sowie zwischen den imperialistischen Ländern vorantreiben.
- Daraus wird auch ersichtlich, dass wir nicht auf
die scheinheilige Empörung von Kurz und den parlamentarischen
Oppositionsparteien hereinfallen dürfen. Sie benutzen den Skandal der FPÖ, um
sich selbst als saubere, unkäufliche und korruptionsfreie Alternative
darzustellen. Was sie definitiv nicht sind. Aber auch ungeachtet dessen wird
eine Regierung ohne Beteiligung der FPÖ – völlig egal, ob mit den NEOS oder der
SPÖ als Juniorpartner – im Dienste des Kapitals stehen und eine Politik im
Interesse von Banken und Konzernen umsetzen.
- Angesichts der jüngsten Entwicklungen scheint
aber auch ein größeres Zusammentrommeln vorgeblicher und tatsächlicher linker
und fortschrittlicher Kräfte zugunsten einer Kandidatur bei den anstehenden
Nationalratswahlen absehbar oder zumindest wahrscheinlich. Aus kommunistischer
Sicht bleibt für uns jedoch klar, dass jegliche Partei oder Liste nur dann
einen Nutzen für die ArbeiterInnenklasse, die werktätigen Schichten und die
Jugend haben kann, wenn sie ein klare revolutionäre und antikapitalistische
Perspektive in Richtung Sozialismus-Kommunismus verfolgt. Alles andere führt
die Bevölkerung in die Irre und schürt Illusionen in die Reformierbarkeit des
Kapitalismus. Dafür sind wir als junge KommunistInnen jedenfalls nicht zu
haben.
Doch was können wir tun? Als Kommunistische Jugend Österreichs (KJÖ) müssen wir mit aller Anstrengung darum kämpfen, uns in der Jugend und der ArbeiterInnenklasse weiter zu verankern, stärker und schlagkräftiger zu werden. Wir müssen unser Profil als klassenkämpferische, revolutionäre und marxistisch-leninistische Jugendorganisation schärfen und klar Position beziehen. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die neue politische Situation nichts an den grundsätzlichen Bedingungen geändert hat, unter denen wir zu bestehen haben. Uns darf es auch nicht darum gehen, die bisherige Regierung nur durch eine andere bürgerliche Regierung zu ersetzen. Dadurch ist nichts gewonnen. Denn ungeachtet wechselnder politischer Vorzeichen leben wir heute in einer Zeit, in der sich die sozialen Probleme der Jugend und der ArbeiterInnenklasse zuspitzen und die Angriffe des Kapitals stetig zunehmen werden. Wir müssen also an den täglichen Lebensbereichen junger Menschen anknüpfen und gleichzeitig an der Wurzel des Übels ansetzen: am kapitalistischen System. All dies kann aber nur dann gelingen, wenn wir unseren Kampf entschlossen um die Interessen der Jugend und der ArbeiterInnenklasse führen und den Aufbau eines organisatorischen Rückgrats für künftige Kämpfe vorantreiben.