Steigende Mieten fallen nicht vom Himmel, sondern sind Folge einer Politik für Geschäftemacher und Spekulanten. Das Beispiel Wien zeigt, wie die letzten Überreste sozialen Wohnbaus konsequent beseitigt werden.

Der Faktor „Wohnen“ gehört zu den größten Ausgabenposten eines Haushaltes. Durchschnittlich 25 Prozent des Einkommens müssen für dieses Grundbedürfnis aufgewendet werden – bei vielen Jugendlichen mit schlecht bezahlten oder gar keinen Jobs ist es oft sogar die Hälfte. Das war freilich nicht immer so:

In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte in Folge reger Bautätigkeit der Stadt Wien der Anteil der Wohnkosten am Einkommen einer durchschnittlichen Arbeiterfamilie auf 4 Prozent gesenkt werden. In der gesamten Stadt wurden Gemeindebauten errichtet, deren Wohnungen für damalige Standards auf der Höhe der Zeit waren. Dass binnen kurzer Zeit zehntausende leistbare Wohnungen geschaffen wurden, verhinderte auch, dass am weiter bestehenden privaten Sektor die Mieten allzu stark steigen konnten.

Heute sieht die Sache freilich völlig anders aus: In den letzten Jahren stiegen die durchschnittlichen Mieten stets stärker als die Löhne. Einstige Arbeiterviertel in Innenstadt-Nähe wurden so lange „aufgewertet“, bis sich nur noch neureiche Schnösel die Mieten leisten konnten.  Die ursprünglich ansässige Bevölkerung wird immer weiter an den Stadtrand verdrängt.

Hinter der Explosion der Mietpreise stehen bewusste Entscheidungen der Stadtregierung: Seit 2004 wurden keine Gemeindebauten errichtet. Stattdessen setzt die Sozialdemokratie unter Bürgermeister Häupl auf geförderte Genossenschaftswohnungen. Durch Startbeiträge im fünf- bis sechsstelligen Bereich werden Ärmere gezielt ausgeschlossen. Förderungen für Sanierungen werden an private Unternehmen vergeben, die so ihre Gewinne erhöhen, während der Nutzen für die Mieter begrenzt ist.

Noch leistbare Wohnungen im Eigentum der Stadt bzw. ihren Unternehmen werden so lange nicht in Stand gehalten, bis teure Sanierungen oder gar ein Abriss nötig sind. So etwa ein Studentenheim im 19. Bezirk, das zugunsten schicker Genossenschaftswohnungen abgerissen werden soll. Der „Ersatz“, der den Studierenden angeboten wird, ist um 100 Euro pro Monat teurer und in vielen Fällen ist die Fahrzeit zur Universität auch deutlich länger.

 

Stadt als Preistreiber

Ob Strom, Gas, Müllabfuhr oder Fernwärme: Bei vielem hat die Stadt ein völliges Monopol oder verfügt über beachtliche Marktanteile. Der ursprüngliche Hintergrund dafür war ein sozialer: Durch einen großen, städtischen Anbieter sollten die Preise gering gehalten werden; statt maximalen Gewinnen für einige Firmenchefs sollte eine bestmögliche Versorgung für alle gesichert werden.

Soweit die Idealvorstellung, von der die Realität in Wien kaum weiter entfernt sein könnte. Gebühren für Wasser, Parkpickerl, ja sogar Bestattungsgebühren wurden in den vergangenen Jahren deutlich stärker angehoben, als es durch die allgemeine Teuerung zu erklären wäre. Ganz nach dem Vorbild privater Großkonzerne mit marktbeherrschender Stellung wird aus den (Zwangs-)Kunden herausgepresst, was nur geht.

Dass die hohen Gebühren oft in keinem Verhältnis zu den Kosten der Stadt stehen, zeigt das Beispiel Wien Holding. Allein in den Jahren 2005 bis 2007 (aktuellere Zahlen rückt das Rathaus nicht gerne heraus) wurden durch überteuerte Kanal-, Wasser- und Müllgebühren 390 Millionen Euro Überschüsse erzielt. Kein Cent davon ist in notwendige Investitionen gesteckt worden.

 

Kein Geld – von wegen!

Obwohl gerade Jugendliche verzweifelt leistbaren Wohnraum suchen, stehen laut Statistik 80.000 Wohnungen leer. Der Grund dafür sind schlichte Profitüberlegungen der Eigentümer: Im hohen Mietpreissegment ist mehr Gewinn zu holen als bei Substandard-Wohnungen. Also drängen viele Spekulanten ihre Mieter aus den Häusern, um sie durch – oft auch noch geförderte – Sanierungen lukrativer verkaufen oder vermieten zu können.

Ob Baustopp für Gemeindebauten, Unterlassung von notwendigen Sanierungen oder Abzocke bei den Betriebskosten: Jeder Unsinn wird von der Stadtregierung damit begründet, dass kein Geld da sei. Man spare und kassiere ab, um das ach so tolle Angebot aufrecht erhalten zu können. Doch kann es sein, dass bei städtischen Einnahmen von 10,8 Milliarden Euro (Budget 2011) kein Geld für einen sozialen Wohnbau vorhanden ist, der diesen Namen auch verdient? Tatsache ist, dass sich die Stadt in den letzten Jahren mehrere sündteure Prestigeprojekte geleistet hat, während bei Sozialem gespart wird: Rund eine Milliarde wird der Skylink am Flughafen kosten, 200 Millionen wurden allein 2010 durch Fremdwährungsspekulationen versenkt und stadt- und parteinahe Konzerne geben gerade in Vorwahlzeiten zig Millionen für sinnlose Werbekampagnen aus.

 

Lukratives Näheverhältnis

In Sachen Wohnbau spielen herrschende Parteien eine wesentliche Rolle beim lukrativen Geschäft mit der maximalen Ausbeutung der Arbeitskräfte, dem nicht gerade zimperlichen Umgang mit der Konkurrenz und natürlich der Beeinflussung von Vergabeverfahren.

In Österreich erfreuen sich die großen Player am Bau- und Immobilienmarkt seit langem einer ans Inzestuöse grenzenden Nähe zur Politik. Da ist ein Ex-Bundeskanzler (Gusenbauer) schon mal Aufsichtsrat eines Baukonzerns (Strabag). In der Porr wiederum werden die lukrativsten Pöstchen „zufällig“ ebenfalls von Vertretern der SP-Clique besetzt: Martin Krajcsir (Aufsichtsrat und „Nachhaltigkeits-Vorstand“ bei den Wiener Stadtwerken), Walter Lederer (stammt aus der Bank Austria, als diese noch klar der SPÖ zuzuordnen war), Karl Samstag (ebenfalls Ex-Bank Austria, darüber hinaus beliebter Referent im „SPÖ-Wirtschaftskreis“)…

Bei den großen Bauvorhaben der Stadt sind es dann auch immer dieselben paar Großkonzerne, die profitieren. Auch wenn Porr, Strabag und Co. gerne als fortschrittliche Zukunftsgestalter auftreten, ist der Zweck derartiger Unternehmen einzig die Gewinnmaximierung. Und die wird nur dann möglich, wenn ArbeiterInnen möglichst wenig gezahlt wird, während für die Bautätigkeiten vom öffentlichen Auftraggeber möglichst viel verlangt wird.

 

Was tun? Was tun!

Geht es nach dem Willen der Stadtregierung, soll man im Zusammenhang mit Wohnen vor allem eines „tun“: zufrieden sein! Für Jubelmeldungen in diversen Zeitungen à la „Leistbares Wohnen für alle“, „Stadt der Zukunft“ oder „Bauten, die Leben retten“ gibt die Stadt jährlich Millionen aus. Als Gegenleistung für die großflächigen Inserate schweigen „Krone“, „Österreich“, „Heute“ & Co. dann konsequent, wenn es um Abzocke durch die städtischen Unternehmen und spekulantenfreundliche Politik der Stadtregierung geht.

Unter kapitalistischen Bedingungen kann die Vermarktung der Wohnungen nach Profitinteressen nie völlig ausgeschaltet werden. Doch Widerstand gegen Miettreiber und eine Stadtregierung, die deren Interessen vertritt, ist auf viele Weisen möglich. Vernetzung mit anderen Mietern oder Wohnungslosen und das Aufzeigen von Missständen sind dabei erste Schritte. Aber auch offensive Maßnahmen sind geeignet, auf die Probleme aufmerksam zu machen: Hausbesetzungen und Demonstrationen schaffen Öffentlichkeit für die berechtigten Anliegen der Mehrheit und Orte ohne Konsumzwang. Wer ernsthaft für leistbaren Wohnraum kämpft, muss den Interessen der Spekulanten, Baumultis und der ihnen dienenden Politikerbande entgegentreten. Die Stadt soll Platz für alle bieten – das heißt, dass der Profitgier der Immobilien-Haie ein Riegel vorgeschoben werden muss!