Grundsätzlich gilt: der Körper eines jeden Menschen gehört ihm selber. Das heißt, die Kontrolle darüber, was mit ihm anzustellen ist, muss jedem Menschen selber überlassen sein. Nicht umsonst wird der Kerkerhäftling gerade dadurch unterdrückt und in seiner Freiheit eingeschränkt, indem man seinen Körper in Ketten legt, ihm schadet. Darum sind ja Sklaverei und Folter durch die Menschenrechte verboten. Zuerst bricht man dem Kerkerhäftling die Beine und die Arme, um schließlich seinen Willen zu brechen. Diesem Häftling gelingt es nun kaum, sich zum Klo zu schleppen. So ist ihm die Möglichkeit, sein Schicksal selber zu lenken, um so mehr genommen, je erschöpfter er durch die Schmerzen und die Pein ist.

Der weibliche Körper

Da die Frau ein Mensch ist, hat sie im selben Ausmaß das Recht, frei über ihren Körper zu bestimmen. Sie hat das Recht, sich anzuziehen, wie sie will, zu schlafen, mit wem sie will, sich zu bewegen, wie sie will. Und eben auch zu bestimmen, was sie nicht will. Dies gilt spätestens, seit sie die alten Ketten des Hauses gesprengt und den Kerker des Mannes hinter sich gelassen hat. Zumindest theoretisch. Denn sie will, frei nach Brecht, „unter sich keinen Sklaven seh’n, und über sich keinen Herrn!“ Das trifft im doppelten Sinne des Wortes zu.

Die Frau ist es letzten Endes, welche die größte Last zu tragen hat, wenn sich ein Kind ankündigt. Ein Mann kann nicht schwanger werden. Er steht nicht neun Monate in der Früh auf, um sich zu übergeben. Er hat nicht mit erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen zu leben. Es ist auch nicht die Frau, die während der Schwangerschaft vom Kind davon laufen kann. Sie trägt die Hauptverantwortung für die Frucht, welche in ihr heran reift. So muss sie in letzter Konsequenz auch entscheiden dürfen, ob die Frucht abzutreiben ist oder nicht, falls ein Kind nicht in ihre Lebensplanung passt.

Die Herren und ihre Meinung

Das sehen naturgemäß nicht alle so. Diejenigen, die am lautesten gegen Abtreibungen anbrüllen, sind bezeichnenderweise Herren, Männer in Machtpositionen. Diese Herren bestimmen die gesellschaftliche Ordnung, die Gesetze, die Kultur, die Religion. In Sachen Abtreibung sind es zynische Argumente, welche seit jeher gegen das Selbstbestimmungsrecht der (schwangeren) Frau angeführt werden.

Argument 1: Abtreibung ist Mord, denn so wird ungeborenes Leben getötet.

Dieses Argument wird gerne von christlichen FundamentalistInnen und der Kirche angeführt. Biologen wissen: bereits eine Zelle lebt. Es braucht zumindest eine Samen- und eine Eizelle, um (tierisch-menschliches) Leben zu schaffen. Aus zwei gegensätzlichen, doch lebendigen Dingen entsteht durch deren Verschmelzung ein höheres Wesen. So ist die Gegenfrage zu stellen, warum sich Gott unkontrollierte Samenergüsse und Menarchen1 ausgedacht hat, um körperliche Reife zu signalisieren. Bei diesen Mechanismen – wie mit jeder anderen Menstruation und jedem „ziellosen“ Samenerguss – sterben unzählige Zellen. FundamentalistInnen werden schnell in eine Zwickmühle geraten. Denn mit der “Erfindung” dieser Mechanismen hätte Gott bewusst etwas geschaffen, das permanent und in alle Zeit den Tod ungeborenen Lebens hervor ruft. Und dies recht unabhängig vom Einfluss des Menschen, in dessen Körper diese biologischen Prozesse ablaufen.

Argument 2: Bei den Verhütungsmitteln, die heute überall zugänglich sind, ist jede selbst schuld, die trotzdem schwanger wird.

Einerseits ist Verhütung nicht nur Frauensache. Ein Kerl kann etwa genauso gut Kondome kaufen oder etwas zur Pille beisteuern. Was das Kondom2 angeht: es gilt zwar als eines der sichersten Verhütungsmittel und hat im Gegensatz zur Pille keine Nebenwirkungen. Dennoch kann es abrutschen, platzen, reißen. Daran ist meist niemand „schuld“, es sei denn, es wurde nicht richtig aufgezogen. Andererseits ist die Sexualkunde in Österreich so mangelhaft, dass die Schule erhebliche Mitschuld an der Unwissenheit unserer AltersgenossInnen hat. Studien haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass sich die Sexualkunde stärker an der  Lebensrealität junger Menschen orientieren müsste als an rein biologischen Fakten, um nachhaltig wirkungsvoll zu sein.

Argument 3: Abtreibungen sind lebensbedrohlich.

Zum Glück leben wir nicht mehr in einem Land, in dem es wie in Qualtingers Lied von der alten Engelmacherin3 zugeht: „Und woa ihr Werkzeig einmal nicht ganz antiseptisch / dann machte sie statt einem Engerl zwei!“

Seitdem die Abtreibung in Österreich einigermaßen legal ist (siehe Infokasten), kann sie unter Bedingungen vollzogen werden, welche die Schwangere so gut wie gar nicht gesundheitlich gefährden.

Argument 4: Frauen und Mädchen, die abgetrieben haben, werden depressiv.

Menschen, die abgetrieben haben, geraten sicher in eine Trauerphase, ganz gleich, wie richtig oder notwendig4 der konkrete Schritt war. Es kommt jedoch auf das soziale Umfeld, also Familie, Freunde, den Erzeuger/Partner an, wie stark diese Trauer wird, ob sie in eine Depression ausartet. Dabei gilt: je verständnisvoller und unterstützender das Umfeld des Mädchens/der Frau in dieser Zeit ist, desto leichter wird sie über eine Abtreibung hinweg kommen. Vielleicht wird sie sich aber auch aus dem selben Grund für das Kind entscheiden. Das Umfeld hat die Schwangere in jedem Fall zu unterstützen. Die letzte Konsequenz muss sie jedoch selber ziehen. Niemand darf sie bedrängen. Es ist ihr alleiniges Recht (und damit ihre Pfl icht), die letzte Entscheidung unabhängig zu treffen.

1 So nennen Mediziner die allererste Monatsblutung.

2 Kondome schützen nicht nur vor ungewollten Schwangerschaften, sondern auch – und das ist ebenso wichtig – vor sexuell übertragbaren Krankheiten.

3 Eine „Engelmacherin“ nahm früher mit meist primitiven Methoden und unter unhygienischen Bedingungen illegale Abtreibungen vor.

4 Etwa dann, wenn durch die Austragung der Frucht die Gesundheit der Mutter ernsthaft in Gefahr ist.

 

Infokasten Abtreibung

Seit 1975 gilt in Österreich die Fristenregelung. Das bedeutet, die Schwangere kann innerhalb der ersten drei Monate eine Abtreibung vornehmen lassen, wenn ein Arzt sie zuvor beraten hat. Jedoch ist niemand verpflichtet, dem Wunsch der Schwangeren nachzukommen, was besonders im Westen (Salzburg, Tirol, Vorarlberg) zu einer schlechten Versorgung führt. Spätere Abtreibungen sind straffrei, wenn die Schwangerschaft für die Betroffene unmittelbare Lebensgefahr oder eine ernste Gesundheitsgefährdung bedeutet, die Betroffene bei der Schwängerung noch nicht 14 Jahre alt war, oder die ernste Gefahr besteht, dass das Kind schwer behindert geboren würde.

In Österreich kostet eine Abtreibung bis zu 1000 Euro. Die Krankenkassen tragen die Kosten meist nicht. In 95 Prozent der Fälle erfolgt die Abtreibung unter beaufsichtigter Medikamenteneinnahme. Es gibt aber auch chirurgische Methoden.

Nützliche Links zum Thema:
www.abtreibung.at
www.gynmed.at