Dieser Artikel soll keine Debatte über das Binnen-I oder über die (un-)Sinnhaftigkeit von Frauenquoten anstoßen. Im Gegenteil: Das Problem der emanzipatorischen Bewegung ist ein gänzlich anderes, wie wir sehen werden. Randdebatten sollten daher nicht allzu sehr im Vordergrund stehen. Doch was können wir zunächst über den „bürgerlichen Feminismus“ festhalten?

Noch nie waren feministische Ansätze und Theorien so weit verbreitet, so gesellschaftlich akzeptiert, wie heute. Doch es entsteht der unvermeidbare Eindruck, dass der Feminismus des 21. Jahrhunderts trotz seiner Adelung selbst in universitäre Ebenen – Stichwort „Gender Studies“ – und trotz der Implementierung von Teilbereichen in politische Systeme und öffentliche Einrichtungen – Stichwort „gender budgeting“ – der reale Einfl uss der feministischen Bewegung selten so gering war, wie er derzeit ist. Das klingt paradox, spiegelt jedoch die verfahrene Situation wider, in welche rein bürgerliche Zugänge zum Thema Frauenbefreiung die Sache geführt haben.

Kampf um Rechte

Der bürgerliche Feminismus, als dessen Geburtsstunde gemeinhin die Französische Revolution mit ihren Schlagworten der Freiheit und Gleichheit genannt wird, hat sich lange Zeit vor allem mit der Frage der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau beschäftigt: Kampf um das gleiche Wahlrecht, Kampf um Gleichstellung am Arbeitsplatz, Schutz vor sexuell bedingter Erniedrigung. Seit diese rechtlichen Punkte weitgehend erfüllt sind – in der Sowjetunion war dies bei allen Problemen großteils bereits in den 1920ern der Fall, in Westeuropa dann zumindest seit den 1970er- Jahren – traten andere, weiterführende Inhalte in den Vordergrund. Recht auf Abtreibung, freier Zugang zu Verhütungsmitteln, Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, selbstbestimmte Sexualität.

Aber: Die gegenwärtig am lautesten vorgetragenen Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung haben mit der tatsächlichen Befreiung der Frau wenig zu tun. Geschlechtsneutrale Sprache, Quotenregelungen für Spitzenjobs und Gender Mainstreaming zielen auf eine auch von KommunistInnen angestrebte Änderung des Bewusstseins, bessern aber kaum die konkreten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Vielmehr wird etwa durch die Forderung der Grünen nach „Mehr Chefinnen“ die Frauenfrage auf eine Angelegenheit unter gutverdienenden Eliten reduziert.

Verschiedene Interessen

„Die Frauen der besitzenden Klassen werden stets fanatische Verteidigerinnen der Ausbeutung und Knechtung des arbeitenden Volkes bleiben, von der sie aus zweiter Hand die Mittel für ihr gesellschaftlich unnützes Dasein empfangen“, stellte einst Rosa Luxemburg fest. Genau das können wir auch heute beobachten: Mit der Frau am Fließband, dem Mädchen an der Supermarktkasse oder der Mindestpensionistin haben sich als Feministinnen fühlende Spitzenpolitikerinnen oder Wirtschaftsbosse kaum zu tun. Ihre persönliche Geschichte, ihr soziales Umfeld, ihre täglichen Sorgen und Wünsche könnten von denen „gewöhnlicher“ Frauen kaum weiter entfernt sein – und so sieht dann auch die „Frauenpolitik“ der herrschenden Parteien aus: In der ÖVP werden zwar Rufe nach einer Mindestfrauenquote in Vorstandsetagen laut; jedoch nicht solche nach einem menschenwürdigen Mindestlohn in frauentypischen Berufen.

Dabei lösen bürgerliche Rezepte – so gut gemeint sie in manchen Fällen sein können – sicherlich keine grundlegenden Probleme. Unter derzeitigen Verhältnissen führt der Aufstieg einer Frau auf der Karriereleiter in der Regel nicht zu „Halbe-Halbe“ im Haushalt: Vielmehr übernehmen mit dem Kindermädchen und der (so gut wie immer weiblichen) Reinigungskraft erst recht wieder Frauen die Haus und Erziehungsarbeit der „Chefi nnen“ von heute.

Folgenlos bleibt die elitäre Verengung auf Binnen-I und Frauenquoten freilich nicht: Durch ihre Dauerpräsenz in den Medien – wenig überraschend, sie rütteln ja nicht an der bestehenden Ordnung – haben heutige bürgerliche Frauenrechtlerinnen ein Bild der Frauenfrage und Frauenbewegung entworfen, das viele eher langweilt oder abschreckt, statt aufzurütteln. Abseits von universitären Kreisen und Polit-Talkshows ist das Interesse für den nächsten Sager von Alice Schwarzer oder Eva Glawischnig enden wollend. Da diese durch ihre ständige Wichtigmacherei jedoch einen Alleinvertretungsanspruch auf die Frauenbewegung stellen, ist das Interesse vieler Frauen, sich für Frauenfragen zu engagieren, in den letzten Jahren eher kleiner als größer geworden.

Einsicht in die Hintergründe!

Revolutionäre Frauenarbeit beginnt im Gegensatz zum Bürgerlichen Feminismus eben nicht mit Partikularforderungen, sondern mit der Erkenntnis, dass Frauen in unserer Gesellschaft nicht nur durch patriarchale Strukturen unterdrückt und ausgebeutet werden, sondern auch durch den Kapitalismus, und dass diese beiden zwei Seiten einer Medaille darstellen: Man kann nicht die Aufhebung des Einen ohne die Aufhebung des Anderen erreichen. Wir müssen also konsequent die Doppelbelastung und Doppelausbeutung der Frau und dadurch zugleich das System des Kapitalismus als Kernfrage aufwerfen.

Die Erfahrungen und die guten Ansätze auch der bürgerlichen Frauenbewegung müssen aufgenommen, bewertet und zielgerichtet eingesetzt werden. Grundsätzlich gilt: alles, was die Frauenfrage vorantreibt, was den Frauen Selbstbewusstsein vermittelt, ihre rechtliche, soziale oder politische Stellung im Sinne der ArbeiterInnenklasse stärkt, all das gehört vorangetrieben. Alles, was zur Verzettelung wie in inneruniversitäre Spezialstreitigkeiten führt, zu Vereinzelung oder in eine reine Männerphobie, ist der Sache abträglich und abzulehnen. Und wir müssen auch festhalten, dass zwar moralische Empörung schnell einmal vorhanden ist, sie allein aber zu nichts führt. Will man die Frauenfrage voranbringen, so braucht es Einsicht in die Hintergründe von Ausbeutung und Unterdrückung und ein organisiertes Vorgehen dagegen. Das kann letztlich nur im Rahmen einer marxistischen, auf breite Basis gestellten Organisation gelingen. Und schließlich gilt:

„Die Revolution ist der einzige Weg zur Befreiung der Frau.“ (Clara Zetkin)