Eine Kritik am politischen und ökonomischen Kurswechsel

Philipp, Innsbruck

Vor 60 Jahren fand zwischen dem 14. und 15. Februar der 20. Parteitag der KPdSU statt.

Dieser Parteitag stellt wohl einen der, wenn nicht den größten Wendepunkt in der Geschichte der Sowjetunion dar.  Im folgenden Artikel sollen seine wesentlichen politischen und ökonomischen Konsequenzen behandeln.

 

Chruschtschows[1] Politik

Als Folge der atomaren Bedrohung und des enormen Machtgewinns der sozialistischen Bewegung sollte nun, statt dem revolutionären, der parlamentarische Weg des Überganges zum Sozialismus die Regel werden. So sprach Chruschtschow: „Unter diesen Umständen hat die Arbeiterklasse … die Möglichkeit, …eine stabile Mehrheit im Parlament zu erobern und es aus einem Organ der bürgerlichen Demokratie in ein Werkzeug des tatsächlichen Volkswillens zu verwandeln.“ (N.S. Chrustschow, Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der KPdSU an den XX. Parteitag, Berlin 1956, S. 46.)

Dem parlamentarischen Weg eine Möglichkeit einzuräumen, heißt, den Boden des Marxismus zu verlassen. Als Marxist darf man sich keine falschen Hoffnungen über den Staat machen, der  bürgerliche Staat (bzw. das Parlament) ist keine vom Himmel gefallene neutrale und unabhängige Institution., er ist ein geschaffenes Instrument zur Unterdrückung der ArbeiterInnenklasse.

Diese Aussagen Chruschtschows stehen selbst im Grundwiderspruch zu den Grundlagen des Marxismus. Hierzu das Manifest der Kommunistischen Partei:- Die Kommunisten erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnungen.“

Die Folgen dieses  Richtungswechsels waren verheerend: Diese Fehleinschätzung bildet die Grundlage für die Entwicklung des sogenannten Euro“kommunismus“[2],dessen Revisionismus einen Großteil der Kommunistischen Bewegung zu einer Sozialdemokratische Politik gemacht hat, die selbst Kolonialkriege unterstützte.

Eine weitere verheerende Konsequenz dieser Rede war die Leugnung der Klassengegensätze: Chruschtschow erklärte die KPdSU zur Partei des ganzen Volkes und negierte damit die Notwendigkeit des Klassenkampfes.

Der Personenkult um Stalin wurde kritisiert, und durch einen neuen Anti-Stalin-Kult ersetzt. Stalin, dem vorher jeglicher Erfolg zugeschrieben wurde, wurde nun  jedweder Fehler zugeschrieben. Chruschtschows Behauptungen gingen sogar so weit, dass er Stalin vorwarf, militärische Operationen auf einem Globus geplant zu haben. Weiters wurden in Machtkämpfen innerhalb der Partei wichtige Mitglieder des Politbüros, wie Kagnanowitsch, Molotow oder Malenkow entfernt.

Dieser Kurswechsel hatte tiefgreifende Folgen für die Beziehung mit China, welche der Sowjetunion insbesondere die Leugnung der Verdienste Stalins, die Leugnung der Klassengegensätze und die Leugnung der Notwendigkeit einer Zerschlagung der Staatsmaschinerie vorwarf.Damit schaffte es Chruschtschow sogar die kommunistische Weltbewegung zu spalten.

Aus diesem eher politischen  Fehlern entsprangen  auch Fehler in der Ökonomie: Kapitalistische Marktmechanismen wurden in der Wirtschaft angewandt, welche die wirtschaftliche Leistung der Sowjetunion massiv erhöhen sollten, doch stellten sich all diese Behauptungen Chruschtschows als völlig falsch heraus, die Klassenwidersprüche nahmen zu, die Wirtschaft der Sowjetunion stagnierte gerade aufgrund dieser Reformen.

 

Die Reformen in der Landwirtschaft:

An dieser Stelle möchte ich nicht die Fehlgriffe wie den Maisanbau im Schwarzerdegebiet kritisieren[1], sondern die ökonomischen Veränderungen in der sozialistischen Wirtschaft.

Vor den Reformen funktioniertedie ländliche Kolchoswirtschaft folgendermaßen: Um das Anwachsen kapitalistischer Marktmechanismen  auf dem Land zu verhindern, wurden die landwirtschaftlichen Maschinen und der Boden verstaatlicht. Die Produkte der Kolchose wurden nicht auf dem Markt, sondern zu Fixpreisen an den Staat verkauft, die Einnahmen kamen den Mitgliedern der jeweiligen Kolchose zugute. Land, Maschinerie und Absatz wurden aber durch den Sowjetstaat geplant, gesteuert und besessen. Da die ländliche Arbeitsweise nicht auf dem industriellen Stadium der Stadt angelangt  war, musste man mit der Kolchoseform einen Zwischenweg gehen, der mit dem Verkauf der Nahrungsmittel an den Staat einen Teil Kapitalismus enthielt.[2] Für eine sozialistische ländliche Produktion (Sowchose) fehlten weitgehend die Mittel.[3]

Mit den Chruschtschow-Reformen wurden die landwirtschaftlichen Maschinen an die Kolchosen verkauft, dies sollte dem Staat d ie e normen K oste n der Instandhaltung und Erweiterung der Maschinerie reduzieren. Die Folge, die Kolchosen konnten nicht hinreichend Kapital vorstrecken , um sich technische Modernisierungenen leisten zu können. Folge ist eine langfristige Stagnation der landwirtschaftlichen Erträge. dies hatte Stalin schon zu Lebzeiten erkannt und daher diese Reformen  abgelehnt.[4]

Während im Zeitalter der ersten zwei Fünfjahrpläne die Sowjetunion Getreide exportieren konnte, war sie im Verlaufe der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu Importen gezwungen.

 

Die Industrie: Weiters wurden vermehrt auf kapitalistische Marktmechanismen bei der Preisbildung zurückgegriffen. Diese Mechanismen sollten, ähnlich wie im Kapitalismus, durch die Nachfrage auf das (Produktions-)Angebot zurückgreifen. Es wurde behauptet, dass die Konkurrenz der Unternehmen unnötige Investitionen vermeide, und somit nur das produziert werde, was wirklich gebraucht würde. Zentrales Problem dabei war, dass schwerindustrielle Güter (Fabriken, Schienen usw.) wenig bis gar nicht nachgefragt wurden und somit lediglich die Leichtindustrieproduktion (Konsumgüter) gesteigert wurde. Mit ähnlichen Folgen wie bei dem Kolchos-beispiel: Einer kurzfristigen Steigerung der wirtschaftlichen Leistung, folgt  langfristig eine Stagnation.

Gerade wenn man auf ökonomischem Gebiet, wie es auch Chruschtschow verlangte, die USA einholen wollte, hätte man alle Maßnahmen ergreifen müssen, eine Produktivkraftentwicklung in Stadt und Land voranzutreiben, Chruschtschow schaffte stattdessen das exakte Gegenteil.

Schlussendlich wurde selbst die Planwirtschaft dezentralisiert, was die Erstellung der Jahrespläne unmöglich machte. Die Fabrikdirektoren, einst Verwalter der Produktionsinstrumente, wurden mehr und mehr ihren Eigentümer,es wurde schließlich sogar Profit von diesen abgeschöpft. Die sozialistische Produktionsweise wich einer kapitalistischen.

 

Für detaillierte Informationen zum Thema empfehle ich folgende Literatur:

Grover Furr: „Chruschtschows Lügen“

„Niederlagenanalyse“ herausgegeben von Offen-siv. (http://www.offen-siv.net/Bucher/Niederlage.shtml)

J.W. Stalin: „Die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UdSSR“ von Stalin (http://www.mlwerke.de/st/st_285.htm)

L. Canfora: „Zeitenwende 1956“

 

[1] Enorme Summen wurden für den Anbau von Mais investiert, es stellte sich jedoch heraus, dass das Klima der Sowjetunion für den Maisanbau ungeeignet war

[2] Die Kolchose ist hierbei eine ökonomische Gemeinschaft, die im Widerspruch zur Gesamtgesellschaft existiert, doch ist dieser Widerspruch stark begrenzt, da sie einzig durch den Verkauf von Überschuss an den Staat profitieren kann. Kapital akkumulieren kann die Kolchose (vor dem XX. Parteitag) nicht, schlimmstenfalls Geld anhäufen.

[3] Die Sowchose ist völlig in gesellschaftliches Eigentum übergegangen, sie verkauft ihre Produkte nicht an den Staat, sondern ist Teil von ihm. Die Warenproduktion, als Ursprung des Kapitalismus, ist somit ausgeschaltet.

[4] Es ist keineswegs so, als wären diese Reformen mit Chruschtschow entstanden. Zwei Ökonomen, Sanina und Wensher, schlugen diese bereits zu Stalins Lebzeiten vor.

 

[1] Nikita S. Chruschtschow damaliger Generalsekretär und Nachfolger Stalins.

[2] Eurokommunismus:= Das Übergehen von revolutionärer Politik zu sozialdemokratischer Reformpolitik.