Hintergründe

Um die Vorgänge vom 7. November 1917, deren Strahlkraft und Wirkung auf der ganze Welt zu verstehen, muss man diese in ihren historischen Zusammenhang stellen. Seit 1914 herrschte der erste imperialistische Krieg im Interesse des Kapitals, der von Deutschland und Österreich ausging. Der Erste Weltkrieg war brutal und opferreich für die Volksmassen und brachte Chaos über weite Teile der Welt. Die Konsequenzen des Krieges, Unter- und Mangelversorgung sowie die daraus resultierenden sozialen Verwerfungen führten zur sogenannten Februarrevolution in Russland. Am 8. März 1917 (23. Februar Julianischer Kalender) demonstrierten tausende Frauen zum Internationalen Frauentag in den Straßen Petrograds. Es waren nicht nur die Arbeiterinnen, sondern die „Masse der Frauen“, wie die Prawda berichtete.

Die Frauendemonstration war der Auftakt zu mächtigen Kampfaktionen der Petrograder ArbeiterInnenschaft, die zum Generalstreik führten. Der 8. März war der erste Tag der bürgerlich-demokratischen Revolution, die den Zarismus hinwegfegte und Platz für die Doppelherrschaft machte. Diese bestand einerseits aus den Sowjets (Arbeiter- und Soldatenräte) und andererseits aus der Duma (Parlament). Weder die Sowjets noch die Duma konnten die vollständige Herrschaft übernehmen. Die provisorische Regierung, welche durch die Duma gebildet wurde, befand sich unter der Führung Kerenskis jedoch weiterhin im Krieg und an der Situation des russischen Volkes änderte sich nur wenig. Es waren nur andere, die über sie herrschten und die Mangelversorgung ebenso wie den Krieg verwalteten. In seinen Aprilthesen von 1917 forderte Lenin – der Anführer der Bolschewiki und der bald folgenden Oktoberrevolution – deswegen bereits, dass die Macht im Staat in die Hand des Proletariats gehört und eine Organisation des Staates, der Wirtschaft etc. durch die Sowjets stattfindet.

Lenin schreibt an anderer Stelle: „»Die Macht den Sowjets«, das bedeutet die radikale Umgestaltung des ganzen alten Staatsapparats, dieses Bürokratenapparats, der alles Demokratische hemmt, das bedeutet, diesen Apparat zu beseitigen und durch einen neuen, einen Apparat des Volkes zu ersetzen, d. h. durch den wahrhaft demokratischen Apparat der Sowjets, d. h. der organisierten und bewaffneten Mehrheit des Volkes, der Arbeiter, Soldaten und Bauern, das bedeutet, der Mehrheit des Volkes Initiative und Selbständigkeit zu gewähren, nicht nur bei der Wahl von Deputierten, sondern auch bei der Verwaltung des Staates, bei der Durchführung der Reformen und Umgestaltungen.“ (Lenin 1917: Eine der Kernfragen der Revolution. In: Rabotschi Put Nr. 10, 27. September.). Eben mit diesem Ziel fand unter der Führung von Lenin, der im September aus dem Schweizer Exil zurückgekehrt war, und den Bolschewiki am 7. November 1917 die Oktoberrevolution statt. Sie war der Ausgangspunkt für eine der größten Errungenschaften der Zivilisation in der Geschichte der Menschheit, für die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

Folgen

Diese sozialistische Revolution war die erste ihrer Art. Sie zeigte, dass die Klasse der Arbeitenden die Macht erobern und die Verhältnisse umwerfen kann und hatte somit internationale Strahlkraft. Die Große Sozialistische Oktoberrevolution hat den Frieden für die ArbeiterInnenschaft in greifbare Nähe gemacht. Massenstreiks, Demonstrationen und meuternde Soldaten bewirkten 1918 das Ende des imperialistischen Krieges.

In Deutschland und Österreich wird der Kaiser gestürzt und die Republik ausgerufen, in Ungarn gab es eine sozialistische Revolution, das bürgerliche Italien wurde durch ArbeiterInnenaufstände erschüttert. In den kolonial besetzen Gebieten erstarkten antiimperialistische und nationale Befreiungsbewegungen, die nicht in allen Fällen gleichermaßen fortschrittlich waren. Die real existierende Systemkonkurrenz hatte auch für imperialistische Staaten, die ihre Herrschaft konsolidieren wollten, Konsequenzen. In diesen wurden vor dem Zweiten Weltkrieg die Proteste und Streiks der Werktätigen immer blutiger niedergeschlagen, was in den Faschismus mündete, nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Klasse der Arbeitenden bestochen um revolutionäre Bestrebungen zu befrieden.

In Russland selbst verbesserte sich die Lage der Volksmassen. Es kam zur Alphabetisierung, Industrialisierung und Modernisierung. 1917 war Russland einer der rückständigsten Industriestaaten der Welt und die USA der führende, nicht einmal 50 Jahre später hatte die Sowjetunion die USA jedoch bereits im Wettrennen ins Weltall überholt. Auch die erste Ministerin der Welt, ebenso wie die Legalisierung von Abtreibungen sowie Homosexualität und der Kampf gegen Antisemitismus waren Errungenschaften der russischen Revolution. Die generelle Gleichstellung von Menschen und die Unterstellung der Wirtschaft unter die Bedürfnisse dieser standen im Mittelpunkt dieser Gesellschaftsform.

Nach 1989 gilt auch weiterhin für den Sozialismus

Die Konterrevolution in der Sowjetunion hinterließ eine große Lücke in der kommunistischen Bewegung und es wurde alles wieder anders. Der Kapitalismus ist seither in einer neuen Offensive. Er gilt als alternativlos und der Sozialismus als gescheitertes Gesellschaftsmodell.

Diese Offensive ist jedoch nicht das Ende der Geschichte der Klassenkämpfe. Die wissenschaftlich-sozialistischen Analysen zum Imperialismus (Lenin 1917) ebenso wie den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus (Marx u.a. 1867) bleiben aufrecht. Im Kapitalismus besitzt eine Minderheit die Produktionsmittel und häuft Reichtum an, indem sie die Mehrheit – die arbeitende Bevölkerung, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um zu überleben – ausbeutet. Eine Hand voll Banken und Konzerne „bestimmen die Weltwirtschaft und zunehmend die Politik, gemeinsam mit ihren imperialistischen Staaten wetteifern sie um Einflusssphären, Rohstoffe, Marktanteile und billige Arbeitskräfte, sie beuten ganze Länder aus und unterdrücken die Völker mit wirtschaftlichen, politischen und militärischen Mitteln.“ (Zenker 2017). Diese Gesetzmäßigkeiten des (modernen) Kapitalismus setzen die Menschen in der Welt in sich zwei objektiv gegenübersehende Klassen, die der Besitzenden und die der Werktätigen, der LohnarbeiterInnen. Seit dem Wegfall der Systemkonkurrenz werden diese auch in den imperialistischen Zentren wieder offensichtlicher und selbst bürgerliche WissenschaftlerInnen sprechen von eine „returnofclass“ (Therborn 2012).

Als KommunistInnen ist uns klar, egal wie alternativlos der Kapitalismus weiten Teilen der Gesellschaft scheint: es gibt eine Alternative, den Sozialismus. Doch dieses System, in dem die Wirtschaft den Menschen dient und auf deren Bedürfnisse ausgerichtet ist, in dem alle Verhältnisse umgeworfen sind und werden, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx 1844), fällt nicht vom Himmel und wird uns nicht geschenkt. Wir müssen „die Verhältnisse [selbst erneut] zum tanzen zwingen“ (Marx 1844) in dem wir Widerstand in den Schulen, den Betrieben, den Universitäten und auf der Straße gegen die herrschenden ungerechten Verhältnisse organisieren und für eine bessere Welt im Großen und im Kleinen kämpfen: in der Tradition der Oktoberrevolution mit all ihren Lehren!

 

„Ohne Klassenbewusstsein und ohne Organisiertheit der Massen, ohne ihre Schulung und Erziehung durch den offenen Klassenkampf gegen die gesamte Bourgeoisie kann von der sozialistischen Revolution keine Rede sein.“ (Lenin 1905)